|  | Weiterhin Lust am Untergang, Arbeit fürs Dechiffriersyndikat, 
                    Gewalt gegen Frauen bei David Lynch, Marco Müllers großer 
                    Bluff, Buh-Konzerte und das allmähliche Aussuppen des Festivals 
                     Ganz ruhig liegt in der Nacht das Wasser der Lagune, aber 
                    das ist die Ruhe vor dem Sturm. Lagune - das Wort allein läßt 
                    vor dem geistigen Auge schon schwefelige Dämpfe aufsteigen. 
                    Über der nächtlichen Kulisse ein rotorangener Vollmond. 
                    Das könnte schon eine Inszenierung von David Lynch sein, 
                    der heute hier mit seinem langerwarteten Film INLAND EMPIRE 
                    seinen Auftritt hat. +++ "Vielleicht wird das ein esoterischer Schmarrn?" 
                    befürchteten nicht wenige in den letzten Tagen. Schließlich 
                    macht Regielegende Lynch neuerdings nicht mehr nur durch seine 
                    Filme von sich reden, sondern auch durch bizarre Auftritte 
                    zugunsten der pseudoreligiös-esoterischen Sekte "Foundation 
                    for Consciousness-Based Education and World Peace", die 
                    unter anderem daran glaubt, dass Menschen durch Meditation 
                    im Yoga-Sitz fliegen können.  +++ Das liegt auch an den schlechten Erfahrungen mit Darren Aronfskys 
                    THE FOUNTAIN, der bisher größten Peinlichkeit im 
                    Wettbewerb. Schon der erste Satz im Presseheft hätte 
                    warnen können (aber wir lesen ja Pressehefte nicht vorher). 
                    Er fragte in Ton und Stil eines Schulaufsatzes "What 
                    if we could live forever?" Trotzdem ist das Thema nicht 
                    das Problem, sondern der Stil. Zwar handelt THE FOUNTAIN von 
                    der Frage des ewigen Lebens, aber darüber hat zum Beispiel 
                    auch Simone de Beauvoir einst einen tollen Roman geschrieben, 
                    warum also nicht? Ein Conquistador sucht im Auftrag er spanischen 
                    Königin Isabella I. und mit dem Segen eines Franziskanermönchs 
                    den biblischen Baum des ewigen Lebens. Maya-Mystik und Christen-Kitsch 
                    verschmelzen in der auf drei Zeitebenen- und mindestens vier 
                    Dimensionen erzählten Story, doch wenn das wenigstens 
                    geschmackvoll inszeniert wäre, hätte es vielleicht 
                    sogar ein schön psychodelisch durchgeknallter Höhepunkt 
                    des Festivals werden können. Doch auch wenn man immer 
                    wieder mal fürchtet, Aronofsky (so schlecht waren PI 
                    und REQUIEM FOR A DREAM doch gar nicht, oder doch?) könnte 
                    vielleicht selber glauben, ein Pendant zu der letzten halben 
                    Stunde in Kubricks 2001 erschaffen zu haben, ist das Ganze 
                    visuell über weiteste Strecken so desaströs und 
                    unterirdisch, dass wir uns hier gar nicht aufregen müssen: 
                    Der Versuch, Bilder für das Mythische, für Transzendenz 
                    zu finden, mündet in kindische und spießige Bilder 
                    von erschütternder Banalität. Bei der Pressekonferenz 
                    am nächsten Morgen gab es zwar verlogenen Applaus - "Great 
                    Film, Mr. Aronofsky" - während der Pressevorführungen 
                    zuvor hatte es aber das größte und einhelligste 
                    Buh-Konzert gesetzt, das ich in sechs Jahren Venedig erlebt 
                    habe.  +++ Was man allerdings schon gern wüsste, ist, warum zwei 
                    Riesenstudios - Warner und Fox - diesen Wahnsinn nicht schon 
                    früh gestoppt haben. Wie ist es möglich, dass 75 
                    Millionen Dollar in die Luft geblasen werden? Und warum sagt 
                    hier keiner spätestens im Schneideraum: "Maybe Darren, 
                    you should think it over again." +++ An den letzten Tagen ließ sich am Lido ganz gut beobachten, 
                    wie so ein Festival plötzlich den Charakter wechselt, 
                    an Spannung verliert und aussuppt. Das hat nichts damit zu 
                    tun, dass schon am Montagabend die Festivalhalbzeit erreicht 
                    war. Eher liegt es einmal mehr an der Programmierung durch 
                    Festivalleiter Marco Müller, die sich in erster Linie 
                    als großer Bluff erweist. Alle Komplimente an Müller 
                    aus den ersten Tagen müssen wir wieder zurücknehmen. 
                    Bis zum Sonntag schien alles klug und fein ausziseliert, öffneten 
                    sich Korrespondenzen und Passagen, traten die Filme in Dialog 
                    miteinander. Jetzt entpuppt sich: Müller hat einfach 
                    die besten Filme an den Anfang gelegt und fürs Ende nur 
                    noch wenig Interessantes übrig gelassen. Das Ergebnis: 
                    Man spürt, es kommt nichts Entscheidendes mehr, die Luft 
                    ist irgendwie schon fast raus, und nachdem man an den ersten 
                    sechs Tagen 18 Wettbewerbsfilme ansehen musste, gibt es an 
                    den letzten vier Festivaltagen nur noch vier, ergänzt 
                    immerhin durch in interessantes Rahmenprogramm.  +++ Ein junges dunkelhaariges Mädchen sitzt in einer alten 
                    Hotelsuite am Rand des Doppelbettes. Eine Träne fließt 
                    aus ihrem Auge. Im Fernsehen läuft eine merkwürdige 
                    Soap mit drei Figuren im Menschenkostüm und Hasenköpfen. 
                    Eine andere Frau, blond und nicht mehr ganz jung, empfängt 
                    in der riesigen Eingangshalle ihrer Wohnung eine ältere 
                    Frau, offenbar ihre neue Nachbarin. Der Butler bringt Kaffee. 
                    Bald wendet sich der belanglose, etwas aufdringliche Smalltalk 
                    der Alten ins Unangenehme. Offenbar weiß sie viel zu 
                    viel über das Leben ihrer Gastgeberin und ungebeten beginnt 
                    sie, dieses zu kommentieren, spricht mit ihrem osteuropäischem 
                    Akzent bedrohliche Prophezeihungen aus, eine Hexe möglicherweise. 
                    Zwei rätselhafte Szenen, wie sie für David Lynchs 
                    Kino typisch sind: Beklemmend und dabei voller Verführungskraft 
                    reißen sie den Betrachter unmittelbar hinein in Lynchville, 
                    den privaten, einmaligen Kosmos dieses bahnbrechenden Kinokünstlers, 
                    der sein Medium beeinflusst hat, wie nur wenige in den letzten 
                    zwei Jahrzehnten. Sie stehen am Anfang von Lynchs neuem Film 
                    INLAND EMPIRE, der außer Wettbewerbskonkurrenz uraufgeführt 
                    wurde. Zudem hat an den gerade 60jährigen Regisseur für 
                    sein Lebenswerk mit einem Goldenen Löwen geehrt.  +++ INLAND EMPIRE zeigt, wie sich die Blonde im Folgenden zwischen 
                    Alptraum und Idylle, Wunsch und Wahn begibt, ein alt gewordenes 
                    Schneewittchen, das auf der Flucht vor der bösen Wirklichkeit 
                    unter anderem auch bei sieben Huren Trost findet - mit dem 
                    dreistündigen, barockem, ebenso schwerblütigen wie 
                    faszinierenden, kathartischen, alptraumhaften Trip ins Innere 
                    des Kinos, ins Reich seiner Symbole, seiner Phantasmen und 
                    seiner Psychoanalyse, bewegt sich Lynch weg von seinen letzten, 
                    eher klassisch erzählten Filmen, zurück zu den frühen 
                    90ern, als er mit WILD AT HEART, der TV-Serie "Twin Peaks" 
                    und deren Kinofortsetzung FIRE WALK WITH ME auf den Spuren 
                    der Gebrüder Grimm wandelte: Eine mehrfach verschlungene 
                    Story, die das Doppelgängermotiv mit dem "Film im 
                    Film"-Genre zu einem modernen Märchen verknüpft 
                    - so poetisch und so brutal wie die Geschichten der Brüder. 
                   +++ An der Oberfläche erzählt INLAND EMPIRE die Geschichte 
                    der mit einem reichen Polen verheirateten Schauspielerin Nikki 
                    (Laura Dern). In ihrem neuen Film spielt sie unter einem von 
                    Jeremy Irons gespielten Regisseur eine Ehebrecherin, und ihr 
                    Göttergatte hat Angst, sie könne auch im echten 
                    Leben etwas mit ihrem männlichen Co-Part Devon (Justin 
                    Theroux) anfangen. Er bedroht Devon. Zudem sorgt die mysteriöse 
                    Vorgeschichte des Falles für zusätzliche Spannung: 
                    Der Film ist das Remake eines Scripts dessen frühere 
                    Verfilmung durch den Tod der beiden Hauptdarsteller abgebrochen 
                    wurde. Ungefähr hier nun vermischen sich diese verschiedenen 
                    Ebenen und weitere, immer neu geöffnete, immer mehr. 
                    Was Wirklichkeit und was Traum, was Gegenwart, Vergangenheit 
                    oder Zukunft ist, wird, wie oft bei Lynch, für den Zuschauer 
                    zunehmend ununterscheidbar. Das soll so sein, denn Lynch geht 
                    es, das weiß man, nicht um Geschichten im herkömmlichen 
                    Sinn. Strukturierende Leitmotive, manchmal nur latent, dann 
                    ganz explizit alles durchdringend, sind - auch das gibt es 
                    bei Lynch immer - Gewalt gegen Frauen und Angst vor Osteuropäern. 
                   +++ "Ein Schlag ins Gesicht des Erzählkinos", 
                    sagt Kollege Josef Schnelle nicht ohne Pathos nach der Vorführung: 
                    "Ein Film fürs Dechiffriersyndikat. Aber gut, oder?" 
                    Da hat er recht. Lynchs assoziative Methode benutzt jedenfalls 
                    die Mittel des Erzählkinos nur, um es ad absurdum zu 
                    führen. Und immer wieder führt er uns das Wesen 
                    der Illusion vor Augen, in einer Doppelbewegung zieht er einen 
                    hinein und stößt einen zugleich zurück. Wie 
                    schon in MULLHOLLAND DRIVE bildet Hollywood die eigentliche 
                    Folie, vor deren Hintergrund man den Film zu verstehen hat. 
                    Und so öffnet sich der Film zum Reflexionsraum über 
                    das Kino, aber er korrespondiert plötzlich auch mit THE 
                    BLACK DAHLIA und HOLLYWOODLAND an den ersten Tagen. Wie sie 
                    handelt auch INLAND EMPIRE von Kino als Gewaltzusammenhang, 
                    von der Gewalt, die durch Mythen produziert werden und von 
                    den Mythen der Gewalt. Wie sie entfaltet er Hollywood als 
                    Hölle, als Schauplatz innerer Apokalypse. Mehr als einmal 
                    ertappte man sich auch in INLAND EMPIRE beim Gedanken an die 
                    schrecklichen Todesqualen der Betty Short.  +++ Einschränkend ist dies aber ein Film, der einen deutlicher 
                    als andere Werke von Lynch daran erinnert, dass man, um die 
                    Wirklichkeit zu erschüttern, diese erst anerkennen muss. 
                    Wie andere postmoderne Filmemacher geht Lynch in die eigene, 
                    latent selbstwidersprüchliche Falle: Er will uns zeigen, 
                    dass die Welt nicht so ist, wie sie scheint, dass es "Wirklichkeit" 
                    im Grunde nicht gibt, dass sie ein Phantasma ist. Aber er 
                    kann das nicht tun, wenn er uns Zuschauern schon vorher deutlich 
                    (zu deutlich) zu verstehen gibt, dass er an Wirklichkeit nicht 
                    glaubt. Wenn das Kino von Anfang an Schein ist, kann es mit 
                    der Offenbarung, dass ja alles Schein ist, keinen Eindruck 
                    mehr schinden. +++ Dass Lynch elf Jahre nach "Dogma" nun auch - vor 
                    allem aus Geldnot - die digitale Technik für sich entdeckt 
                    hat, ist für den Film allerdings ein starker Nachteil: 
                    Es sind häßliche, oft grobkörnige, oft verwaschene 
                    Bilder, denen ein großer Teil des visuellen Zaubers 
                    und der bildlichen Traumqualität fehlt, der Lynchs Kino 
                    immer essentiell war. Man sieht daran, was passieren kann, 
                    wenn einer plötzlich digital arbeitet, man spürt, 
                    dass für INLAND EMPIRE extrem viel Material gedreht wurde, 
                    zu viel, sieht, dass Lynch die Fülle nur schwer zu bändigen 
                    und unter Kontrolle zu halten wusste - bei all seinen Qualitäten 
                    ist der Film zu lang.Und er ist zu manieriert, zu sehr bewusst in Bezug auf ein 
                    Gesamtwerk inszeniert. Boshaft könnte man sagen, er ist 
                    ein bisschen wie Edgar Reitz' HEIMAT FRAGMENTE, die zusammengeklebten 
                    Filmschnipsel aus drei HEIMAT-Staffeln. Der ist auch für 
                    jeden unverständlich, der HEIMAT nicht kennt. Wie die 
                    Fußnoten-Bände einer Werkausgabe, etwas für 
                    Fans und für Wissenschaftler. Und leider auch ein bisschen 
                    zu eitel: Dem Film ist anzumerken, dass der Regisseur offenbar 
                    jeden Schnipsel, jede Szene und jede Idee für so wichtig 
                    hält, dass sie der Welt überliefert werden muss.
 So schlimm ist es bei Lynch nicht, aber wer viel von Lynch 
                    kennt, und nicht das Wohlwollen des Dechiffriersyndikats aufbingt, 
                    könnte INLAND EMPIRE auch für eine Lynch-Parodie 
                    halten, wer nichts von Lynch kennt, wird hier ganz allein 
                    und hilflos gelassen, darin ähnelt der Film mancher Videokunst 
                    aus dem Museum, manch moderner Komposition (Lynch verwendet 
                    unter anderem Stücke von Penderecki und Lutoslawski) 
                    mehr, als allem Kinodurchschnitt. Das ist seine Stärke 
                    wie seine Grenze.
 +++ Lynch hat, das ist keine Überraschung, den selbstgesetzten 
                    Anspruch, er wolle "keine Filme machen, die man im Flugzeug 
                    zeigen kann oder im Fernsehen", wieder erreicht. Was 
                    ihm jedenfalls auch gelingt: Von Anfang an entfaltet er einen 
                    Sog, eine ganz eigene Aura, der man sich nicht entziehen kann. +++ Unterschiedlichen Endzeitszenarien begegnete man auch sonst 
                    in vielen Venedig-Filmen: In STILL LIFE stellt der Chinese 
                    Jia Zhang-ke zwei Menschen ins Zentrum, die ihre Ehepartner 
                    suchen. Doch das ist mehr Vorwand für das eigentliche 
                    Thema: Die Errichtung des "Drei-Schluchten-Staudamm" 
                    mit ihren umstrittenen Folgen für die Fengjie-Provinz. 
                    Jia zeigt in wunderbaren Szenen apokalyptische Bilder von 
                    Städten die dem Erdboden gleichgemacht und überflutet 
                    werden, Familien die aus Häusern vertrieben werden, die 
                    ihnen seit Jahrzehnten gehörten, Untergänge inmitten 
                    eines Booms, den die Welt noch nicht gesehen hat. In wunderbaren 
                    Bildern gelingt Jia ein ganz eigentümlicher poetische 
                    Realismus. +++ Hoffentlich ergeht es ihm mit dem politisch hochbrisanten 
                    Stoff, der wohl auch aufgrund seines Themas von Festivalseite 
                    unter Verschluss gehalten und als "Überraschungsfilm" 
                    präsentiert wurde, nicht so, wie seinem Kollegen Lou 
                    Ye. Der bekam jetzt für SUMMER PALACE, der in Cannes 
                    ohne Zensursiegel uraufgeführt wurde, ein fünfjähriges 
                    Drehverbot. +++ Endzeitstimmung kommt auch auf, wenn man sich vor dem Lido 
                    umsieht: Es macht einen seit De Hadeln und Marco Müller 
                    jedes Jahr aufs Neue wieder fassungslos, wie die Italiener 
                    ihren größten Trumpf, nämlich den herrlichen 
                    Strand und den Blick auf ihn so konsequent zustellen, dass 
                    man hier eine Woche lang auf dem Festival zubringen kann, 
                    ohne einmal das Meer gesehen zu haben. Aber dass die Italiener 
                    ein besonders geschmackvolles Volk seien, dass, erkennt man 
                    hier, ist sowieso auch nur ein Gerücht. Wo sich noch vor fünf Jahren schöner weiter Raum 
                    öffnete, stehen nur dicht an dicht Jahrmarktbuden mit 
                    überteuerter Pizza und dem Trash der Sponsoren. Dazu 
                    die Sicherheitsschleusen mit ihrer Mischung aus Kontrollwahn 
                    und Schlamperei - das Gemisch ist zusammengenommen die Karikatur 
                    einer Gegenwart aus Kapitalismus und Paranoia.
 +++ Noch eine Enttäuschung: EJFORIJA von Ivan Vyrpaev. Es 
                    beginnt schon mit allem, was man mit etwas Festivalerfahrung 
                    am ehesten erwartet und am meisten fürchtet in einem 
                    russischen Film: Scheißmusik, Elend und Geisteskrankheit. 
                    Das erste Bild (!) zeigt nun einen dementen Kahlkopf, offenbar 
                    der Dorftrottel, der von der gelangweilten Provinzjugend irgendwo 
                    in der Taiga auf ein Motorrad gesetzt wird, mit dem er vorhersehbar 
                    schnell vom Weg abkommt. Darunter schwurbeln furchtbare und 
                    vor allem laute und ununterbrochene "typisch russische" 
                    Akkordeonklänge, die Teile des italienischen Publikum 
                    in kürzester Zeit zu rhythmischen Fuß- und Kopfbewegungen 
                    verleiteten. Was folgte, wirkte wie das Werk eines russischen Filmhochschülers, 
                    dem man aber dummerweise einen Kamerakran und einen Hubschrauber 
                    geschenkt hat. Mit denen rast und fliegt er dann dauernd über 
                    gelbe Weizenfelder - völlig sinnlose Einstellungen, die 
                    allenfalls Stimmung machen und den Produktion Value erhöhen 
                    sollen. Aber keine Frage, dass Menschen das für Filmkunst 
                    halten.
 Inmitten des gelben Weizen trifft man jedenfalls auf laute 
                    und folglich gefühlvolle russische Männer und Frauen 
                    in roten Kleidern, die, wenn einer mit ihr redet, partout 
                    in die entgegengesetzte Richtung blicken. Und dann folgender 
                    Dialog: Er: "Was ist denn mit Dir los? Hat man Dich vergewaltigt?" 
                    - Sie: "Nein, ich gerade gerade auf dem Feld den besten 
                    Fick meines Lebens." Das muss die russische Seele sein.
 +++ Mit anderen Worten: EJFORIJA ist, wenn man an Konschalowski 
                    2002 zurückdenkt, ein preiswürdiger Film. Man kann 
                    hier wunderbar von einer "archaischen russischen Geschichte" 
                    stammeln, wenn Hund einem Kind einen Finger abbeißt, 
                    der dann in Wodka getaucht wird, und ein Ehegatte seinen Nebenbuhler 
                    erschießt, und sich über "wunderbar weite 
                    Sommerlandschaften" freuen. Jedenfalls wette ich mit 
                    Michael Althen, dass er irgendeinen Preis bekommt, für 
                    Kamera vielleicht. Vor drei Tagen hatten wir schon gewettet, 
                    dass Cuaron mit CHILDREN OF MAN einen Preis bekommt. Er findet 
                    den Film gut, glaubt er sei "zu gut" um von der 
                    Jury erkannt zu werden, ich finde ihn so lala und glaube, 
                    genau darum passt er.Preisverdächtig sind Filme vielleicht gerade darum, weil 
                    sie nicht so gut sind. Ein Alibi-Löwe für die Filmkunst 
                    ist in Venedig zwar immer mit drin, ansonsten zeigt alle Erfahrung, 
                    dass die Jurys sich auf gefällige, handwerklich gute 
                    Kompromissfilme einigen - wie die von Frears und Cuaron.
 +++ Morgen, heißt es heute, soll der Bootsverkehr Boote 
                    streiken. Hoffentlich auch nur so ein Phantasma, ohne die 
                    Venedig nicht sein kann.    Rüdiger Suchsland 
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