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Berlinale 2000 Februar 2000
 
 

Fremde in unserer (neuen) Mitte

Die Berlinale in der "modernen" Mitte
 
 
 
 

Es ist Donnerstag abend und ich sitze in einem usbekischen Film.

*** REWIND <<< ***

Es ist mein erster Tag auf der Berlinale, gestern den Wenders zur Eröffnung hatte ich vorab schon in München gesehen und nicht das dringende Bedürfnis verspürt, ihn hier gleich nochmal zu gucken, und so bin ich aber auch einen Tag später dran mit Pressekarten besorgen für die regulären Vorstellungen und Lubitschs DIE PUPPE, den ich eigentlich anschauen wollte, ist schon restlos ausgebucht und weil ich nichts Besseres zu tun wusste habe ich mich halt in einen philippinischen Film gehockt über einen "Macho Dancer -, der halbwegs interessant klang, nur dass ich mich da im Programm vertan hatte und sich herausstellt, dass selbiger Film jetzt gar nicht kommt sondern wann anders war, und so ist es jetzt also Donnerstag abend und ich sitze in einem usbekischen Film.
Öh-ha.
Ich weiss rein gar nichts über diesen Film, der da gleich über mich hereinbrechen wird und - entscheidender - ich weiss ähnlich viel über Usbekistan oder das usbekische Kino (von dem ich nicht hätte wetten mögen, dass es überhaupt existiert). So eine grobe Vorstellung hab' ich, dass Usbekistan irgendwo östlich von uns liegt. Auch da würde ich nicht hoch drauf wetten.
Jetzt bin ich jedoch nicht nur ein höflicher Mensch, der es nur schwer über's Herz brächte, aufzuspringen und polternd das Kino zu verlassen, sobald da ein usbekischer Regisseur statt des erwarteten philippinischen vor die Leinwand tritt um das Publikum zu begrüßen, sondern weiss auch nach wie vor nichts Besseres zu tun und bleibe also sitzen. Zumal ich sogleich erfahre, dass ich einem quasi historischen Ereignis beiwohne: Es ist nicht irgendein usbekischer Film, der da gleich über die Leinwand flimmern wird. Es ist der erste überhaupt in der Geschichte der Berlinale.
Aha.
(Das erzählt - um schnell mal etwas abzuschweifen - ein junger, den Regisseur vorstellender Herr, der aus unerklärlichen Gründen einen braunen Schal in der Hand hält. Wenn das jetzt ein Film wäre, müsste der Schal in der Hand was bedeuten, und so warte ich brav darauf, dass er gleich eine wichtige Rolle spielt und konzentriere mich zeitweise mehr auf den irritierenden Schal als die Worte des jungen Herrn, deren ich somit einige verpasse. Ist aber kein Film sondern das Leben und er hat nichts zu bedeuten, der Schal...)

Da ich nun also mal hier so sitze, am Donnerstag abend, im usbekischen Film, bereite ich mich schon mal seelisch auf die Dinge vor, die meiner da womöglich harren werden. Lasse erstmal die übliche Erwartung und Hoffnung aufkeimen wie jedesmal direkt bevor sich ein Kino-Vorhang öffnet: Und wenn's oft nur bis zur ersten Einstellung ist - ich sehne mich bei jedem Film danach, dass er sich als einer der schönsten aller Zeiten entpuppen wird.
Und denke: Vielleicht liegt ja die Zukunft des Kinos im usbekischen Film, und ich werde zu den ersten gehören, die es mitbekommen. Zumindest aber sollte so ein usbekischer Film, wenn schon keine Entdeckung, so doch zumindest eine ästhetisch ungewohnte Erfahrung sein. So eine Begegnung mit einer ganz fremden Kultur halt...

*** PAUSE || ***

Die Begegnung verschiedener Kulturen, der Austausch zwischen ihnen: Ohne Zweifel schon jetzt als eines DER großen Themen dieser (bisher reichlich unspektakulären) Berlinale benennbar.
Zu einem gewissen Teil ist das inszeniert und gewollt. Allein die Auswahl der Jury war ja schon ein deutliches Zeichen in diese Richtung - mit Ausnahme der deutschen Doppelbesetzung mit Peter W. Jansen und Maria Schrader kommt jede und jeder der neun Juroren aus einem anderen Land, von Polen über Dänemark, Frankreich, Spanien bis zu Brasilien, Kanada und China. Auch klar: Gong Lis Jury-Präsidentschaft soll wohlwollendes Weltoffenheitsgefühl einflössen. Erkennbar auf den zweiten Blick: Die Basis für das ziemlich voraussehbar reibungslose Funktionieren dieser internationalen Mini-Gemeinschaft ist eine gemeinsame Grund-Gediegenheit, eine auf soliden Verdiensten beruhende, brave Renommiertheit. Keine jungen Wilden hier oder alte Querköpfe, sondern Leute, die Auslands-Oscars gewinnen.
Das ist das eine, offizielle Gesicht von Kulturbegegnung und -austausch. Das freundlich-unbeschwerte, kuschelige, das wunderbar passt zu all dem "50 Jahre Berlinale - und "Berlinale 2000 - und "Wir sind wieder wer - und "Standort Berlinale --Geschwurbel. Das sich heimisch fühlt am Potsdamer Platz, diesem geschichts- und kontextlosen Shopping Mall-Themenpark, dieser keimfreien Fernseh-Manhattan-Kulisse mit ihren Franchise-Läden, Ketten-Restaurants, Hyatt-Hotels, Schablonen-Cineplexen. Wo man, wenn man denn wollte, am ersten Tag der Berlinale ankommen könnte und am letzten wieder fahren ohne dazwischen auch nur einmal mitbekommen zu haben, wo auf der Welt man sich da eigentlich gerade befindet.
Kein Wunder, dass Wim Wenders' THE MILLION DOLLAR HOTEL da einen prima Eröffnungsfilm abgibt. Ein kaum zu entwirrendes und irgendwie wahnsinnig poetisches Kultur-Mischmasch, ein deutsch-irischer Traum vom Schmelztiegel Amerika unter Mitwirkung einer internationalen Crew und gut 100 Jahren globaler Filmgeschichte, dem man nie wagt vorzuwerfen, dass ihm etwas misslungen wäre, weil man immer das Gefühl hat, dass in solchen Momenten nur gerade wieder eine andere Tradition gegriffen hat, auf die man nicht eingestellt war. Ein Film, der uns zeigt, wie irgendwie wahnsinnig poetisch es doch ist, zu den Verlierern im Spiel der Global Players zu gehören, wie pittoresk die disenfranchised people doch sind, wie nett es sich doch leicht geisteskrank und knapp unter der Armutsgrenze lebt. Wie putzig und rührend und irgendwie wahnsinnig poetisch doch die Versuche solcher Menschen sind, sich eigene Bilder zu schaffen - und wie darunter dann doch gottseidank wieder der arrivierte Kultur-Mainstream freigelegt und dem Markt zugeführt werden kann. (Und auch ein Film, der nebenbei zeigt, wie irgendwie wahnsinnig poetisch letzlich auch Vergewaltigung ist und wie gerne und folgenlos frau diese über sich ergehen läßt.)
Es ist beim derzeitigen Stand der Dinge alles andere als auszuschließen, dass diese Ausweitung der Krampfzone den Goldenen Bären einsacken wird.

*** PLAY > ***

Zurück am Donnerstag abend, beim usbekischen Film.
Der fügt sich schön ins Bild: Seine Ästhetik, seine Filmsprache ist die wohlvertraute, herrschende des braven Erzählkinos. Ein Fernsehfilm hätt's auch sein können, ein beliebiger amerikanischer oder deutscher. Keine Verständigungsprobleme also, kein Einlassen-müssen, kein Erarbeiten. Die heimelige globale Familie spricht einen gemeinsamen Dialekt, den wir gelernt haben als den "natürlichen" zu lesen. Nein, nein, andere Kulturen brauchen keine anderen ästhetischen Herangehensweisen, die sind uns so alle problemlos erschließbar. Freilich doch. Aber selbstverständlich haben die Usbeken nicht so viel schönes Equipment und so viel schönes Geld. Keine Angst also, man sieht schon noch am wenig Glatten, wenig Gelackten, dass sie "anders" sind. Und es halt nicht ganz so gut können wie wir. Klar.
In VOIZ (so heißt er, der usbekische Film) geht's um einen Mann zur Zeit der kommunistischen Revolution und wie der die harmonische Vielweiberei aufgeben muss, als er zum Sprecher für die Umstürzler wird und dafür die Liebe mit Frau Partei-Vorgesetzter findet. Eine (nicht unspannende und durchaus kompetent erzählte) Geschichte mit annähernd gleichen Teilen Politik und Folklore also. Und auch das passt: Länder und Kulturen, die für uns nicht zum Mainstream-Club gehören oder denen zumindest erlaubt ist, in dessen Randgewässern zu fischen (wie mittlerweile Hong Kong, beispielsweise), dürfen gewöhnlich ja nur ziemlich eng definierte Film-Ware an uns exportieren. Ich habe keine Ahnung, ob man in Usbekistan Action-Filme, Komödien oder Musicals dreht - wenn aber, wären die bestimmt nicht auf der Berlinale zu sehen. Siehe Indien: Immerhin gab's da im Forum mal so ein richtiges Bollywood-Musical zu sehen, wie sie für das indische Publikum den cineastischen Normalfall darstellen. Sonst aber wie üblich, wenn's ein indischer Film auf deutsche Leinwände schafft: Gesellschaftskritische Sozialdramen, die auf ihrem heimischen Markt allenfalls am Rande wahrgenommen werden.
Das Fremde soll gefälligst auch fremd sein und so ein schönes bißchen exotisch. Und Probleme soll man in solchen Ländern bitte gefälligst auch haben. Für kommerzielle Genre-Produkte, für eskapistisches Unterhaltungskino ist in unserem Bild von diesen Nationen und Kulturen kein Platz, und die etablierten Hersteller solcher Ware sehen es wahrscheinlich auch gar nicht gerne, wenn jemand anderes so was auch beherrscht und ihre Kunden das mitbekommen. Außerdem ist es doch sehr beruhigend, sich zwei Stunden mit etwas Betroffenheits-Investment politisch engagiert zu fühlen, solange es um Mißstände geht, die letzlich so weit weg scheinen, dass man beruhigten Gewissens keine Handlungen folgen lassen muss. Mit anderen Worten: Meist geht es dabei nicht um die Auseinandersetzung mit der anderen Kultur sondern darum, dass die für uns ihre Rolle in der Bestätigung unserer Weltsicht spielt.
Aber so einfach ist das nicht immer.

*** <<< BILDSUCHLAUF >>> ***

  • Akira Ogata, dem Regisseur von DOKURITSU SHONEN GASSHOUDAN (BOY'S CHOIR), wird von einem englischen Journalisten Lob gezollt für seine typisch asiatische Filmästhetik. Er fragt zurück, was denn typisch asiatisch wäre an seinem Film, er wisse nämlich nicht, was wir dafür halten würden, findet die halbherzige, oberflächliche Erklärung des Journalisten "very helpful to me" und erzählt, dass er aufgewachsen ist mit westlichen Filmen im Fernsehen, dass er die japanische Kino-Tradition zum Teil auch erst später sich erarbeitet hat.
  • Pressekonferenz zu THREE KINGS. George Clooney erklärt, wie wichtig der Film sei. Denn in dem gibt es verschiedene Sorten von Irakis, gute und böse, mit unterschiedlichen Geschichten, Motivationen, Zielen. Das wäre dem durchschnittlichen Amerikaner nicht klar. Der wäre gewohnt, die Bewohner all dieser Wüstenstaaten für eine undifferenzierte, einheitlich bedrohliche Masse zu halten. Ich glaube Clooney, leider.
  • THE LITTER ON THE BREEZE - FIRST LOVE: Ein durchgeknallter Hong Kong-Film, von Wong Kar Wai produziert. Überbordend, experimentell, wild und gegen alle Regeln - manchmal leicht nervig, manchmal hinreißend. Eine Zuschauerin will etwas Amerikanisches darin entdeckt haben und fragt Regisseur Eric Kot (der definitiv zuviel Kaffee zu sich genommen hat und vor der Leinwand eine veritable Stand up-Routine abzieht, herumtanzt und im Maschinengewehr-Tempo halbverständliches Zeug von sich gibt), ob er Amerikaner sei oder Chinese. Kot versteht die Frage erst nicht. Dann zieht er mit den Fingern seine Augen zu kleinen, schrägen Schlitzen, zeigt auf seine Haut: "Look, can't you see. Slit Eyes. Yellow Skin. Chinese!" Nochmal auf die amerikanischen Elemente in der Ästhetik angesprochen: "Oh, I copy. We Asian People, we all copy very quickly. We good little copy machines!"
  • Russen stehen mit Klapptischen am Rand des Wegs von der U-Bahn-Station zum Festival-Zentrum und verhökern Mützen, Uhren, Gasmasken aus alten sowjetischen Armeebeständen.
    Bei der Party zu Schlöndorffs DIE STILLE NACH DEM SCHUSS gibt's - hach, ist's nicht lustig und prickelnd zugleich, und sogar bis an den Rand zum exotischen Kreuzberg dürfen sich die schnieken Geladenen dazu wagen - gefaktes Ostblockambiente, mit Wachpersonal an der Tür im Roten-Armee-Outfit und so. (Soll man die Parallele zum Film weiterverfolgen und zu bewaffnetem Wiederstand greifen?)
    Auch da geht's jetzt schon um eine fremde, ferne Kultur.
  • Ein dickes, altes philippinische Hausmädchen gibt es in GUO HAI SUIDAO (CROSS HARBOUR TUNNEL), das in kurzen Traumsequenzen Jean Seberg sein darf in À BOUT DE SOUFFLE, das Ihr Bein anwinkeln darf wie Anne Bancroft in THE GRADUATE, das sich als Bergman in CASABLANCA in die Augen schauen lassen darf. (Auch so ein noch wilderer, schrägerer, überbordender Hong Kong-Film übrigens, mit einem Regisseur, der nah am Herzkasperl zu sein scheint bei der anschließenden Fragerunde - nur dass ich bei Lawrence Wong eher auf Koks denn auf Kaffee getippt hätte.)
  • Michael Nyman- und irischen Fidel-Klängen im wunderbaren Okinawa-Film NABBIE NO KOI. Anthony Minghellas not-so-innocents abroad in THE TALENTED MR. RIPLEY. Das (sehr wohl im Film für die, die hinzuschauen bereit sind, auch zum Thema gemachte) Treffen der unterschiedlichsten Kulturen, Traditionen und Hautfarben bei Kenneth Branaghs ebenso hochvergnüglichen wie vielschichtigen Shakespeare-Musical LOVE'S LABOURS LOST. Die Liste ließe sich lange fortsetzen...

*** FAST FORWARD >>> ***

In Moskau an der Filmhochschule hat er studiert, Jusuf Razykov, der Regisseur des usbekischen Films. Nichts also - wenn man's beim Betrachten des Films noch nicht bemerkt haben sollte - mit einer eigenständig gewachsenen usbekischen Ästhetik. Und er erzählt, dass keiner seiner Freunde und Bekannten etwas wusste über die Welt, die er in VOIZ schildert. Es ist für ihn, für heutige Usbeken, eine nicht minder fremde Welt als für uns. Wahrscheinlich gibt's in den größeren Städten Usbekistans auch Fußgängerzonen mit Franchise-Läden, Ketten-Restaurants, Hyatt-Hotel, Schablonen-Cineplexen. Oder zumindest ist das am heutigen Usbekistan schon wesentlich näher dran als die Vielweiberei.
Was in VOIZ abläuft, wie der Film in einem usbekischen Kontext funktioniert, ist zweifelsohne komplexer, als man ohne weiterreichendes Wissen an einem halben Festival-Abend erfahren kann. Was man da mitbekommt ist zwangsläufig nur Oberfläche. Das ist nicht schlimm oder böse, wenn es bewußt bleibt. Das kann ein Anfang sein, ein Einstieg sein für tiefergehende Beschäftigung. Man darf nur die pittoreske Ansichtspostkarte nicht mit der Landschaft verwechseln.

*** STOP ***

Es geht nicht darum, gegen Begegnung verschiedener Kulturen zu wettern. Es geht nicht darum, sie "rein" halten zu wollen (oder gar den beliebten Fehler zu machen, den fremden Kulturen das Recht abzusprechen, Geschichte und Entwicklung zu haben, sie für natürlich und ursprünglich zu erklären und unter Naturschutz zu stellen). Es geht ganz gewiß nicht darum, dem Essentialismus das Wort zu reden.
Es geht darum, daran zu erinnern, dass meistens etwas schief läuft, wenn diese Begegnungen, dieser Austausch so ganz schnell und völlig reibungslos zu funktionieren scheint. Wenn das Verständnis ohne Mühe sofort dazusein scheint. Wenn sich alle nach zehn Minuten schon irgendwie wahnsinnig bereichert fühlen.
Dann ist meistens nicht mehr passiert, als dass die dominantere Kultur sich ihre Vorurteile hat bestätigen lassen und sich ein bißchen exotisches Schmieröl für's Getriebe geholt hat. Dann hat meistens die vermeintliche Weltoffenheit keine andere (egal ob eingestandene oder nicht) Absicht als die Erschließung neuer Märkte.
Es geht darum, sich immer wieder klar zu machen, dass tieferes Verständnis Zeit und Mühe kostet. Dass Kontext und Geschichte erarbeitet sein wollen. Dass der volldigitale Zugriff auf alles und jedes zu jeder Zeit nicht mit sich bringt, dass alles und jedes jederzeit gänzlich verstehbar ist, dass Greifbarkeit und Begreifen, Fassbarkeit und Erfassen veschiedene Dinge sind. Es geht darum, dass China-Wochen bei MacDonald's nicht das Ziel sein dürfen.
Stanley Kwans Wettbewerbsbeitrag YOU SHI TIAOWU (THE ISLAND TALES) war vielleicht deswegen schon eminent wichtig, weil er so unverständlich und hermetisch bleibt. Auch hier explizit das Thema Begegnung von Kulturen: Auf einer abgeschotteten Insel haben sich eine Gruppe von Leuten unterschiedlicher Nationalitäten miteinander auseinanderzusetzen. Den Pessimismus, mit dem das zunächst inszeniert wird, habe ich geradezu als wohltuend empfunden, auch wenn mich der Film insgesamt reichlich ratlos zurückließ. Aber auch das Gefühl, nicht alles Wissen, allen Kontext schon immer mit sich herumzutragen, die zum Verständnis eines beliebigen Films nötig sind, war mir im Umfeld dieser Berlinale nicht unangenehm.
Und so finde ich auch dringend einige Worte der Verteidigung am Platz für den bisher meistgeschmähten Beitrag des Wettbewerbs: Danny Boyles THE BEACH. Ja, der Film hat seine Probleme (nicht so viele jedoch, wie einem allerorten Glauben gemacht werden soll), und man darf sehr wohl der Meinung sein, dass er dem großartigen Roman von Alex Garland in manchen Belangen nicht gerecht wird. Was er jedoch teilweise stärker herausarbeitet als das Buch, was auch seine Produktion stark bestimmt hat, ist eben das Aufeinandertreffen der Kulturen - oder das, was eine Gruppe junger Leute aus verschiedenen westlichen Industrienationen dafür hält. Es ist eine Weigerung, in einem fremden Land etwas anderes zu sehen als den Abenteuerspielplatz für ihre Phantasien vom Paradies. Einen Ort ohne Geschichte und Kontext, ein Landschaft gewordenes Videospiel suchen sie und meinen, es zu finden. THE BEACH läßt diese Reise immer mehr in die Düsternis führen. Und findet ein Ende, das nur scheinbar optimistisch ist: Der Erzähler erklärt uns, dass, wenn man das Paradies einmal gefunden hat, ein Stück davon für immer dasein wird. Und tatsächlich, wir bekommen diesen Überrest des Paradieses, dieses vermeintlich hinübergerettete Fremde auch zu Gesicht. Ein Bild ist es der angeblich glücklichen Tage - als Image-File auf dem Computerbildschirm.

*** EJECT ^ ***

Thomas Willmann

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