Harun Farocki sieht in den heutigen Werbefotografen eine Art
Nachfahren der flämischen Maler des 17. Jahrhunderts, die
sich zum Ziel setzten, die Gegenstände und Objekte des täglichen
Lebens abzubilden - daraus entstanden die „Stilleben“. Der
Filmemacher formuliert diese spannende Hypothese in drei dokumentarischen
Sequenzen, die zeigen, wie die Fotografen ihre eigenen „Stilleben“
in Bezug auf Komposition, Farbe/Licht und Form - respektive eine
Käseplatte, Biergläser und eine Armbanduhr - herstellen.
Dem gegenüber stellt der Autor in vier Blöcken einen
essayistischen Text über die klassische niederländisch-flämische
Stilleben-Malerei und verschiedene Beispiele aus europäischen
Museen.
According to Harun Farocki today’s advertising photographs
are in a way the continuation of the 17th century Flemish painting
tradition in that they depict objects from everyday life. The
director illustrates this fascinating hypothesis with three documentary
sequences showing photographers creating a contemporary „still
life“. We see a cheese platter, beer glasses and an expensive
watch. Farocki presents these images accompanied by a four-part
analysis of the still life tradition in 17th century Flemish
painting. In doing so, he questions the meaning that should be
given to our depictions of the world.
BIO-FILMOGRAPHIE Harun
Farocki
Geboren 1944 in Neutitschein, gelegen in dem von den
Deutschen annektierten Teil der Tschechoslowakei. 1966-68
Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie, Berlin. 1974-83
Redakteur und Autor bei der Zeitschrift „Filmkritik“, München.
Seit 1993 Lehrtätigkeit an der University of California,
Berkeley. Seit 1966 freiberuflich in Film und Fernsehen.
Filme
(auch Co-Regie; Auswahl): 1969 NICHT LÖSCHBARES FEUER 1970 DIE
TEILUNG ALLER TAGE 1972 MAKE UP 1975 ERZÄHLEN 1978 ZWISCHEN
ZWEI KRIEGEN 1979 DER GESCHMACK DES LEBENS 1981 ETWAS WIRD
SICHTBAR 1983 EIN BILD 1985 BETROGEN 1986 WIE MAN SIEHT 1987 DIE
SCHULUNG 1988 BILDER DER WELT UND INSCHRIFT DES KRIEGES 1990 LEBEN
- BRD 1991 WAS IST LOS? 1992 VIDEOGRAMME EINER REVOLUTION 1993 EIN
TAG IM LEBEN DER ENDVERBRAUCHER 1994 DIE UMSCHULUNG 1995 ARBEITER
VERLASSEN DIE FABRIK 1996 DER AUFTRITT 1997 DIE BEWERBUNG 1997 STILLEBEN
Harun
Farocki, aus seinem Kommentartext: Die Gegenstände schließen
ihre Eigenschaften in sich ein, verkörpern sie: die Weintraube
das Bereifte, die Metallkanne das Speckige, der Käse das
Mürbe - das ist das Kontinuum von Stoff und Idee. Die
Abbildungskunst rückt in die Nähe der Alchemie. Die
Alchemie sucht nach den irreduziblen Qualitäten einer Sache.
Nach einer alchemistischen Auffassung ist Gold eine Kombination
von Gelbheit, spezifischem Gewicht, Biegsamkeit, Formbarkeit
und so fort. Im 17. Jahrhundert, in der Hochzeit der Stilleben-Malerei,
kam die neuzeitliche Naturwissenschaft auf. Ihre Erkenntnisse
wurden zur Grundlage der ungeheuren Vermehrung der Gegenstände.
Für jedes Bedürfnis, für jede Not soll es einen
Gegenstand geben, der Abhilfe schafft, so wie jeder Tag seinen
Schutzheiligen hat. Die neue Naturwissenschaft, sie gab den
Versuch auf, Gold herzustellen. Die Abbildungskunst nicht. Sie
sucht nach reiner Wahrheit in der Erscheinung.
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