Besprechung

Liebe das Leben

La vie rêvée des anges

Frankreich 1998, 113 Minuten · FSK: ab 12
Regie: Erick Zonca
Drehbuch: Erick Zonca, Roger Bohbot
Kamera: Agnès Godard
Darsteller: Élodie Bouchez, Natacha Régnier, Grégoire Colin, Jo Prestia, u.a.

Zonca und das Kaffeetrinken

Glaubwürdig, aber uninteressant: Ein Erstling aus Frankreich

Das Leben ist schön und dann auch wieder weniger schön. Die Hochs und Tiefs des Alltags gehören dazu, wie Milch in den Kaffee. Apropos, ein guter Rat der Franzosen: trinke täglich Café au lait.

Ob man sich den allerdings von Erick Zonca servieren lassen sollte? Das Publikum von Cannes hat diese Frage eindeutig bejaht. Dort betörte das Spielfilmdebüt von Zonca in diesem Jahr den cineastischen Gaumen und die beiden Jungschauspielerinnen Élodie Bouchez (Isa) und Natacha Régnier (Marie) wurden kurzerhand mit dem Preis für die besten weiblichen Hauptrollen ausgezeichnet.

Im Film freunden sich die beiden zunächst an und erleben dann gemeinsam den Alltag, den die kalt grauen Tage im nordfranzösischen Lille so mit sich bringen. Isa und Marie teilen sich am Anfang die Arbeit und dadurch auch schon bald eine Wohnung, deren eigentliche Besitzer nach einem Unfall im Koma liegen. Isa hat ein unkompliziertes Wesen, sie ist so ein richtiger kleiner Frechdachs und Marie, die eher ernst ist und sich nicht allzuviel zutraut, bildet den Gegenpol dazu. Sie schlagen sich abwechselnd mit ihren unliebsamen Aushilfsjobs und unglücklichen Affairen herum.

Der Film hat eine authentisch erzählte Geschichte zu bieten; das Leben der beiden Frauen wird ohne Schnörkel und sonstige Verzierungen gezeigt. Einen gewissen ästhetischen Reiz bietet außerdem der Stil der Aufnahmen, bei denen die Kamera ganz nah an die Gesichter der Frauen herangeht.

Trotzdem fehlt dem Film eine interessante und stimmungsvolle Bildsprache. Die Bilder teilen nichts mit von dem, was mit den Frauen wirklich geschieht, sie zeigen nur, daß etwas passiert. Der Blick scheint nur auf immer Gleiches gerichtet. Man wartet vergeblich auf starke Momente und ungewöhnliche Einblicke in die Tiefenschichten der Charaktere. So sind die täglichen Ereignisse unglaublich zäh, und auch die agressiven Gefühlsausbrüche von Marie sind zwar glaubwürdig, aber uninteressant.

Wenn man seinen Kaffee trinkt, denkt man meistens an tausend Dinge, nur nicht an den Kaffee selbst. Und wenn man dann gefragt wird, wie er geschmeckt hat, sagt man »sehr gut«, weil man das Kaffee trinken eben liebt, genau wie das Leben. Ob es in diesem Jahr in Cannes der Jury wohl ähnlich gegangen ist?

Andrea Wienen nach oben