ARTECHOCK FILM BESPRECHUNG
 
KINO MÜNCHEN FILM AKTUELL ARCHIV FORUM LINKS SITEMAP
 
 

Demain et encore demain

 
 
F 1997 - 79 Minuten -
Regie: Dominique Cabrera
Kamera:
Drehbuch:
Besetzung:
 
 
 
 


Eine Frau von heute: zwischen der Liebe und der Psychoanalyse, zwischen ihrer Mutter und ihrem Sohn. Mit einer Videokamera filmt sie beinahe ein Jahr lang. Sie filmt die Geburt der Liebe, die Wahlen, die Depression, die Sonne, die durch das Fenster scheint, die Ferien und und die Menschen in der Metro ...
Dieses Verständnis von Filmemachen als einer Art Therapie nach einer schrecklichen Depression anzusehen, hat etwas zugleich bewundernswert Ambitioniertes und Erschreckendes. Demain et encore demain ist weniger ein Tagebuch als ein poetischer Essay, dessen Grundstoff eine in der ersten Person erzählte persönliche Erfahrung ist, ohne daß die Offenbarung dieser Erfahrung zum Selbstzweck würde. Es ist aber nicht nur ein Film über den Problemfall Cabrera (Bulimikerin, ungeschickte Mutter, Tochter mit schwieriger Beziehung zu ihren Eltern), sondern auch ein sich entwickelndes Selbstporträt der Regisseurin, eine spannende Reflexion über ihre künstlerischen Fähigkeiten .... Wenn die Depression dem Gefühl gleicht, taub und stumm zu werden und in sich selbst zu versinken, bringt uns dieser oft leichtfüßige Film, der von einer wunderbaren Großzügigkeit und einer großen Fähigkeit zuzuhören zeugt, gute Neuigkeiten von seiner Autorin. Er ist der Beweis einer wiederaufgenommenen Verbindung mit der Außenwelt und dafür, was Film vermag.“ Jean-Marc Lalanne

BIO-FILMOGRAPHIE
Dominique Cabrera

Geboren 1957 in Relizan, Algerien. 1978 Abschluß ihres Studiums mit einer Licence de Lettres. Ihr anschließendes Filmstudium an der IDHEC beendete sie 1981. Im selben Jahr drehte sie ihren ersten mittellangen Film. Außerdem hat sie zwei Bücher herausgegeben: ‘La treuille’ (1988) und ‘Rester la-bàs’ (1992).

Filme:
1981 J’AI DROIT À LA PAROLE
1984 À TROIS PAS, TRÉSOR CACHÉ
1985 L’AIR D’AIMER
1987 LA POLITIQUE DU PIRE
1988 ICI LÀ-BAS
1992 RESTER LÀ-BAS
1992 CHRONIQUE D’UNE BANLIEUE ORDINAIRE
1993 RÊVES DE VILLE
1993 RÉJANE DE LA TOUR
1993 TRAVERSER LE JARDIN
1994 UNE POSTE À LA COURNEUVE
1997 L’AUTRE CÔTÉ DE LA MER
1997 DEMAIN ET ENCORE DEMAIN
Aus einem Interview mit Dominique Cabrera:
Frage: Wie entstand die Idee, Ihr Tagebuch zu filmen?
D.C.: Die Idee kam mir mitten in einer Depression; es war wie eine Inspiration, so wie wenn man ein Gedicht schreibt. Ich hatte die Vision eines Films, den ich über einen Zeitraum von einem Jahr drehen würde, den Bewegungen des Lebensfolgend. Einen Film über einen längeren Zeitraum zu drehen, bedeutet die Möglichkeit zu haben, noch andere Geschichten zu erzählen. In meinen früheren Dokumentarfilmen gab es immer einen Moment, wo ich aufhören mußte zu drehen, und zwar immer dann, wenn es um Intimität ging oder um die Liebe. Ich schaltete aus Taktgefühl vor den Hauptpersonen die Kamera ab. In diesem Fall hatte ich das Gefühl, daß ich, wenn ich einen Film über mein eigenes Leben machen würde, freier wäre, weiter gehen könnte, fast wie in einem Spielfilm.
Frage: Waren Ihre ‘Schauspieler’ sofort mit ihrer Mitwirkung einverstanden?
D.C.: Die Mitglieder meiner Familie haben nach und nach ihr Einverständnis gegeben. Ich habe sie nicht zusammengerufen, um mit ihnen zu verhandeln. Ich hatte fast immer die Kamera in der Hand und irgendwann haben wir sie einfach vergessen. „Manchmal hat es ziemlich genervt, aber das war ein gewisser Fortschritt, die Neurose war sichtbar“, hat Jean-Pierre einmal lachend gesagt, als wir darüber gesprochen haben. Ich habe die Kamera bald auch meinem Sohn Victor gegeben. Es war eine Art Spiel zwischen uns. Ich glaube, er interessierte sich für das, was ich machte. Ich habe den Eindruck, daß mein Sohn und Didier, der Mann, in den ich mich in jenem Jahr verliebt habe, mit mir zusammen an diesem Film gearbeitet haben. Wir haben diese eigentlich eher einsame Arbeit gemeinsam gemacht, wie ein Geschenk, das wir uns selbst gemacht haben. Als der Film fertig war, habe ich Victor, Didier und Jean-Pierre Sicard, den Vater von Victor, gebeten, sich anzusehen, was ich mit ihnen gemacht hatte. Victor wollte, daß ich eine Einstellung ‘rausschneide’. Das war alles.
Frage: Haben Sie sich niemals gefragt, ob sie taktlos sein könnten?
D.C.: Nein, ich habe mich gefragt, wie ich das machen könnte, ob es richtig ist - das war alles. Ich befand mich in einer derartigen Depression, daß das Risiko, mich zur Schau zu stellen, in den Hintergrund trat. Ich fühlte mich ein bißchen wie jemand, der einen Brief schreibt und weiß, daß er sterben muß. Wenn man die Briefe eines Verstorbenen liest, hat man nicht das Gefühl, indiskret zu sein, ganz das Gegenteil ist der Fall, wenn die Person noch lebt. Wirklich wichtig war, eine Form zu finden, die Depression und den Überfluß des Lebens einzufangen, ihre Spuren zu fixieren.
Aus: Internationales Forum des Jungen Films, 1998/10

  top
   
 
 
[KINO MÜNCHEN] [FILM AKTUELL] [ARCHIV] [FORUM] [LINKS] [SITEMAP] [HOME]