Dok-Filme, die man auf keinen Fall verpassen sollte
FLAMMEND' HERZ
Ein Film nicht nur für Tattoo-Freaks. Drei Urgesteine
der Tattoo-Szene, heute um die 90 Jahre alt, sprechen von
ihrer Tätowierleidenschaft und ihrer gemeinsamen Freundschaft.
In wunderschönen Bildern, mit witzigen Protagonisten
und gekonnt erzählt überraschte der Debütfilm
von Andrea Schuler und Oliver Ruts bereits bei der diesjährigen
Berlinale. Ein echtes Doku-Glanzstück.
THE FIVE OBSTRUCTIONS
Auch für die, die Lars von
Trier eigentlich nicht mögen. Eine spannende Film-Herausforderung,
initiiert vom Dogma-Begründer Lars von Trier, an seinen
Landsmann Joergen Leth. Dieser drehte 1967 den essayistischen
Kurzfilm DER PERFEKTE MENSCH und soll nun nach den Regeln
des Lars von Trier Remakes seines eigenen Films erstellen.
Die Regeln sind teuflisch ausgeklügelt und wollen Leth
zu Fall bringen. Ganz im Sinne einer Trier-Therapie: Nicht
das Perfekte ist für das Kino wichtig, sondern das Menschliche.
Bemerkenswert sind die wunderschönen Self-Remakes, denen
man gar nichts anderes als ihre Perfektheit wünscht,
aberwitzig die Zusammenkünfte der beiden Regie-Altmeister
im Haus Von Triers, wenn dieser bei Kaviar die nächsten
Regeln diktiert.
DIX-SEPT ANS (SEVENTEEN)
Für alle Freunde des
dokumentarischen Erzählkinos. Zwei Jahre lang filmte
Regisseur Didier Nion den 17jährigen Jean-Benoit bei
den Schwierigkeiten in Lehre, Liebe und Elternhaus. Als sein
Protagonist nicht nur die Lehre hinschmeißen will, sondern
auch aus dem Film aussteigen, mischt sich der Regisseur ein.
Grenzüberschreitender Dokumentarfilm, der mit seinem
Protagonisten, den Close-Ups und dem Bilder-Realismus an das
gegenwärtige französische Erzählkino heranreicht.
All is real, all is true.
STORY
Machte in Leipzig und Marseille Furore wegen seiner innovativen
Dokumentarfilmsprache. Regisseurin Dana Ranga setzte den Astronauten
Story Musgrave in eine Stahlzelle vor strahlendblauem Hintergrund
und filmte seinen kahlen, weißleuchtenden Schädel
aus ungewöhnlichen Blickwinkeln. Story erzählt,
wie er die Weltraumfahrten erlebt hat, in welche Stimmung
er durch sie getragen wurde, und was es für ihn emotional
bedeutet, wieder auf der Erde zu sein. Die Stimme Musgraves,
die zeitverzögerten Bildaufnahmen und das, was da erzählt
wird, ziehen auf süchtigmachende Weise in den Bann. Reduction
at its best!
S21 - DIE TODESMASCHINE DER ROTEN KHMER
Dotiert mit dem Europäischen Filmpreis 2003 zeigt dieser
Film beispielhaft, wie Vergangenheit rekonstruiert werden
kann, ohne auf Archivbilder zurückzugreifen. Regisseur
Rithy Panh lässt Opfer und Täter des Pol Pot-Regimes
im Folterzentrum S21 zusammenkommen und sie über ihre
Todes-Erfahrungen sprechen, die Wächter Szenen des Gefängnisalltags
in den leeren Räumen nachspielen. Eine plastische und
äußerst lebendige Darstellung von Vergangenheit,
die auf entlarvende Weise zeigt, bis zu welchem Grad der absolute
Wille zum Gehorsam bei den Tätern immer noch präsent
ist.
DOMESTIC VIOLENCE 2
Für alle Fans des Cinéma
Vérité. Altmeister Frederik Wiseman zeigt nach
seiner ersten Untersuchung über häusliche Gewalt,
bei der es um die psychischen Folgen bei den Opfern ging,
die Gerichtsverhandlungen mit den Tätern. Er zeigt die
Verhandlungen in Echtzeit, in verschiedenen Kameraperspektiven.
Durch die ungeschnittene Dokumentation der Wahrheitsfindung
wird der Zuschauer in die Rolle des Urteilenden hineingezogen.
Welcher Aussage kann er glauben? Sind die Männer tatsächlich
alle eindeutige Täter? Wieviel Täterschaft liegt
bei den Frauen, wie viel Selbstläufertum in den unglücklichen
Kommunikationsabläufen zwischen Mann und Frau? Ein Dokument
der Dekonstruktion von Eindeutigkeiten.
DUTCH LIGHT
Ode an das Licht. Das Licht Hollands scheint sich in besonderer
Weise von dem Licht anderer Länder zu unterscheiden.
Regisseur Pieter-Rim de Kroon fängt auf wunderbare Weise
mit seiner Kamera Licht ein, und lenkt die Aufmerksamkeit
auf das, was normalerweise als (unsichtbares) Medium der Sichtbarkeit
überhaupt nicht ins Bewusstsein rückt. Hier zeigt
sich die ganze Septième Art des Kinos. Ein Film, der
wie kein anderer das Sehen lehrt.
Viel Spaß im Kino!
Dunja Bialas
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