Nein, 2002 gab es keinen Schuh des Manitu, der die Kinokassen
lauter klingeln ließ. Und schon geht's wieder los, das
Lamentieren um den deutschen Kinofilm, alle Jahre wieder.
Zugegeben, die großen Abräumer kamen dank finanzstarken
Werbetamtams wie üblich aus Übersee: cocktailschlürfende
Superagenten, streberhafte Hexenlehrlinge und großfüßige
Ringträger. Und schon gerät schändlich in Vergessenheit,
dass es doch ein paar richtig schöne deutsche Filme gab,
mit Jürgen Vogel als "wankelmütigem Schneiderlein"
in Scherbentanz, Filme, die mit unvergesslichen Szenen
aufwarteten, wie die Suche nach einem entfleuchten Kanarienvogel
in Halbe Treppe oder dem liebeskranken Daniel Brühl
am Kreuz, der partout Nichts bereuen wollte. Und solange
hierzulande so was produziert wird, kann man das chronische
Gejaule von der Krise des deutschen Films getrost ein bisschen
runterdimmen.
Die heimlichen Jahresfavoriten kamen allerdings aus dem hohen
Norden: Der Sommer bescherte uns Elling, diese wundersame
Geschichte vom Klapsmühlenaussiedler und Sauerkrautpoeten,
der mit seinem getreuen Kumpel und Mitbewohner Kjell Bjarne
die Welt, das Telefon und wahre Freundschaft entdeckt. Was,
Sie haben Elling verpasst? Dann gibt's an dieser Stelle zwischendurch
einen Tipp für das Kino im Kopf: Die norwegische Schelmengeschichte
von Ingvar Ambjörnsen ist unter dem Titel Blutsbrüder
bei Piper erschienen. Zum Jahresabschluss gab's dann noch
einmal einen besonderen Leckerbissen: Mit dem wunderbaren
Mann ohne Vergangenheit erreichten uns wieder einmal
Nachrichten aus Aki Kaurismäkis phantastischem Paralleluniversum.
Und die gute Nachricht ist - er läuft noch immer.
Erfreuliches gab's 2002 auch an der Dokufront: Diese unterschätzte
Gattung robbt schön langsam aber sicher aus dem Toten
Winkel der Festivals hervor und erobert immer mehr Leinwandzeit
für sich: Im Münchner Atelier läuft seit rekordverdächtigen
zehn Monaten Rivers and Tides, in dem zu bestaunen
ist, wie Andy Goldsworthy die Natur auf magische Weise zu
Kunst gerinnen läst, und Bowling for Columbine
erweist sich auch hierzulande als höchst vergnüglicher
Aufräumer mit der Mär von den didaktisch-öden
Dokuschinken.
Wie schon Kjell Bjarne sagte: "Man kann alles wiederbeleben,
egal wie vergammelt und heruntergekommen es ist." Und
- um beim Zitieren im selben Film zu bleiben: Hoffen wir einfach,
dass Ellings bester Vorsatz 2003 auch für Deutschlands
Kinoschaffende gilt: "Jetzt ist Schluss mit dem Verkriechen,
jetzt werden die Zügel angezogen."
Nani Fux
|