Anlässlich der Duisburger
Filmwoche zeigt 3sat in den kommenden Wochen acht Dokumentarfilmhighlights
der Wettbewerbe von 2001 und 2002. Den Anfang macht ABSOLUT
WARHOLA, der preisgekrönte Publikumsrenner des letzten
Jahres. (Sonntag, 27. Oktober, 21:45, 3sat)
Irgendwo in der slowenischen Provinz findet man Europas einziges
Pop-Art-Museum. Mitten im Raum stehen diverse Plastikeimer
und Blechnäpfe umher. Bei dem Sammelsurium handelt es
sich keineswegs um eine artifizielle Installation. Die Erklärung
ist profan: Das Dach des Gebäudes leckt schon seit Jahren.
Und so tropft es bei schlechtem Wetter auf die Werke von Andy
Warhol, dem dieses Museum gewidmet ist.
Mukowa ist ein kleiner Ort irgendwo im "Ruthenischen
Bermuda-Dreieck" wie Filmemacher Regisseur Stanislaw
Mucha die Region zwischen Slowakei, Polen und der Ukraine
getauft hat, Heimat der Familie Warhola. Früher hat man
mit dem berühmten Exilverwandten wenig anfangen können.
"Wir wussten zwar, dass er Maler ist, aber ob er nun
Hauser anstreicht oder Bilder malt, da waren wir nicht sicher";
berichtet Vetter Michal. Die bunten Stöckelschuhe, die
Warhol aus den USA schickte waren sehr willkommen. Mit den
Zeichnungen konnte man hingegen wenig anfangen. "Woher
hätten wir wissen sollen, dass die mal soviel wert sein
würden", bekennt Cousine Helena Bezekowá.
Und so ist so manches Meisterwerk der Kunstgeschichte zur
Kindertrompete verbastelt worden. Inzwischen weiß man
allerdings, was der Bursche wert ist. Und so schielt man ein
bisschen neidisch in den Nachbarort, wo die Leute schneller
waren im Vereinnahmen des berühmten Landessohnes und
den Mukowinern die Idee mit dem Warhol-Museum vor der Nase
weggeschnappt haben. Stolz präsentiert der Museumskurator
allerlei Kurioses, darunter ein original Taufkleid hinter
Glas, oder eine Schallplatte, auf der Warhols Mutter mit brüchiger
Stimme heimatliche Weisen schmettert.
Mucha und sein Team haben sich auf Spurensuche begeben. Die
Menschen hier sind gastfreundlich und hilfsbereit. Letzteres
in solchem Maße, dass man den Fremden den Weg zum Museum
weist, auch wenn man ihn selbst nicht kennt. Und so wird die
Fahrt zur Odyssee durch die ländliche Region. Im Mittelpunkt
des Films steht nicht Warhol, sondern die Menschen, die hier
leben. Arm sind sie, aber sie wurschteln sich so durch mit
Humor und Chuzpe und dem ein oder anderen Slibowitz. Zum Beispiel
Warhols Vetter Janko, der sich aus Ersatzteilen diverser Herkunft
einen multieuropäischen Traktor gebastelt hat. Fahren
tut das Ungetüm jedenfalls wie der Teufel.
Eva Prextowá, Warhols Tante, ist 91 Jahre alt - eine
Babuschka wie aus dem Bilderbuch und nach eigenem Bekunden
"hässlich wie ein alter Frosch". Sie nimmt
es Warhol etwas krumm, dass er nie geheiratet hat. Wäre
er in Mukowa aufgetaucht hätte man ihn mit Sicherheit
ruckzuck unter der Haube gehabt, verkündet sie, notfalls
auch gegen seinen Willen. "Unter der Erde nützt
er niemandem mehr." Außerdem hätte er mit
Sicherheit das ein oder andere Fläschchen Wodka mitgebracht.
Stattdessen haben die Filmemacher einen berufsmäßigen
Warholimitator auf die Landbevölkerung losgelassen. Wer
der seltsame Kauz mit der Strubbelperücke sein soll,
durchschaut allerdings niemand. "Warhola - die gibt's
hier jede Menge", sagt die Wodkaverkäuferin unwirsch
und jagt ihn mitsamt des Kamerateams vom Hof.
Das Original ist indes für seinen Clan zur mystischen
Gestalt geworden, um die jeder seine persönliche Legende
gewoben hat. Insofern ist das mit ihm so ähnlich wie
mit den Ölquellen, die einst munter gesprudelt haben
sollen, bis im Krieg die Polen kamen und sie verstopft haben.
"Wenn ich den Film sehe, bin ich fest davon überzeugt,
dass es Andy Warhol nie gegeben hat, sondern dass sich diese
Menschen ihn ausgedacht haben, damit sie einen Hoffnungsschimmer
auf ein besseres Leben haben", sagt Mucha selbst über
seinen Film. Zu etwas gut ist er also immer noch, der alte
Andy.
Nani Fux
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