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24.10.2002
 
 
     

ABSOLUT WARHOLA
Dokutipp: Expedition ins ruthenische Bermuda-Dreieck

 
     
 
 
 
  Anlässlich der Duisburger Filmwoche zeigt 3sat in den kommenden Wochen acht Dokumentarfilmhighlights der Wettbewerbe von 2001 und 2002. Den Anfang macht ABSOLUT WARHOLA, der preisgekrönte Publikumsrenner des letzten Jahres. (Sonntag, 27. Oktober, 21:45, 3sat)

Irgendwo in der slowenischen Provinz findet man Europas einziges Pop-Art-Museum. Mitten im Raum stehen diverse Plastikeimer und Blechnäpfe umher. Bei dem Sammelsurium handelt es sich keineswegs um eine artifizielle Installation. Die Erklärung ist profan: Das Dach des Gebäudes leckt schon seit Jahren. Und so tropft es bei schlechtem Wetter auf die Werke von Andy Warhol, dem dieses Museum gewidmet ist.

Mukowa ist ein kleiner Ort irgendwo im "Ruthenischen Bermuda-Dreieck" wie Filmemacher Regisseur Stanislaw Mucha die Region zwischen Slowakei, Polen und der Ukraine getauft hat, Heimat der Familie Warhola. Früher hat man mit dem berühmten Exilverwandten wenig anfangen können. "Wir wussten zwar, dass er Maler ist, aber ob er nun Hauser anstreicht oder Bilder malt, da waren wir nicht sicher"; berichtet Vetter Michal. Die bunten Stöckelschuhe, die Warhol aus den USA schickte waren sehr willkommen. Mit den Zeichnungen konnte man hingegen wenig anfangen. "Woher hätten wir wissen sollen, dass die mal soviel wert sein würden", bekennt Cousine Helena Bezekowá. Und so ist so manches Meisterwerk der Kunstgeschichte zur Kindertrompete verbastelt worden. Inzwischen weiß man allerdings, was der Bursche wert ist. Und so schielt man ein bisschen neidisch in den Nachbarort, wo die Leute schneller waren im Vereinnahmen des berühmten Landessohnes und den Mukowinern die Idee mit dem Warhol-Museum vor der Nase weggeschnappt haben. Stolz präsentiert der Museumskurator allerlei Kurioses, darunter ein original Taufkleid hinter Glas, oder eine Schallplatte, auf der Warhols Mutter mit brüchiger Stimme heimatliche Weisen schmettert.

Mucha und sein Team haben sich auf Spurensuche begeben. Die Menschen hier sind gastfreundlich und hilfsbereit. Letzteres in solchem Maße, dass man den Fremden den Weg zum Museum weist, auch wenn man ihn selbst nicht kennt. Und so wird die Fahrt zur Odyssee durch die ländliche Region. Im Mittelpunkt des Films steht nicht Warhol, sondern die Menschen, die hier leben. Arm sind sie, aber sie wurschteln sich so durch mit Humor und Chuzpe und dem ein oder anderen Slibowitz. Zum Beispiel Warhols Vetter Janko, der sich aus Ersatzteilen diverser Herkunft einen multieuropäischen Traktor gebastelt hat. Fahren tut das Ungetüm jedenfalls wie der Teufel.

Eva Prextowá, Warhols Tante, ist 91 Jahre alt - eine Babuschka wie aus dem Bilderbuch und nach eigenem Bekunden "hässlich wie ein alter Frosch". Sie nimmt es Warhol etwas krumm, dass er nie geheiratet hat. Wäre er in Mukowa aufgetaucht hätte man ihn mit Sicherheit ruckzuck unter der Haube gehabt, verkündet sie, notfalls auch gegen seinen Willen. "Unter der Erde nützt er niemandem mehr." Außerdem hätte er mit Sicherheit das ein oder andere Fläschchen Wodka mitgebracht.

Stattdessen haben die Filmemacher einen berufsmäßigen Warholimitator auf die Landbevölkerung losgelassen. Wer der seltsame Kauz mit der Strubbelperücke sein soll, durchschaut allerdings niemand. "Warhola - die gibt's hier jede Menge", sagt die Wodkaverkäuferin unwirsch und jagt ihn mitsamt des Kamerateams vom Hof.

Das Original ist indes für seinen Clan zur mystischen Gestalt geworden, um die jeder seine persönliche Legende gewoben hat. Insofern ist das mit ihm so ähnlich wie mit den Ölquellen, die einst munter gesprudelt haben sollen, bis im Krieg die Polen kamen und sie verstopft haben. "Wenn ich den Film sehe, bin ich fest davon überzeugt, dass es Andy Warhol nie gegeben hat, sondern dass sich diese Menschen ihn ausgedacht haben, damit sie einen Hoffnungsschimmer auf ein besseres Leben haben", sagt Mucha selbst über seinen Film. Zu etwas gut ist er also immer noch, der alte Andy.

Nani Fux

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