Wie bereits 1984 wird man auch im Jahr 2001 die Gelegenheit
nutzen, um künstlerische Visionen aus der Vergangenheit mit
der heutigen Realität aufzurechnen. Fast immer kommt man bei
einem solchen Abgleich zu der Einsicht, dass viele Erwartungen
an die Zukunft weit überzogen waren (z.B. intergalaktische
Raumfahrt, Beamen), während man von anderen Entwicklungen
in der Vergangenheit nicht einmal träumte (z.B. die aktuelle
Kommunikationstechnik, Internet).
Die erstaunlichste Erkenntnis, die man aber aus Kubricks 2001
jetzt ziehen kann, ist wohl die, dass in der heutigen Zeit
scheinbar kein Interesse mehr an neuen Zukunftsvisionen
besteht. Während die 70er und 80er Jahre noch laufend Science
Fiction Filmen hervorbrachten, nahm diese Tendenz in den 90ern
stetig ab. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet im
symbolträchtigen und zukunftsweisenden Jahr 2000 keine zehn Filme
dieses Genres in unsere Kinos kamen.
Dabei ging es in 2001, BLADE RUNNER, ESCAPE FROM NEW YORK oder
SOYLENT GREEN noch nicht einmal ausschließlich um die Darstellung
der möglichen Zukunft. Vielmehr bot die Ungewissheit der kommenden
Jahrzehnte die Freiheit, (zum Teil altbekannte) Geschichten neu und
ohne die einengenden Vorgaben der Realität, zu erzählen. Heute
erscheint den Regisseuren diese Freiheit nicht mehr erstrebenswert.
Vielmehr tendiert man zur Darstellung der Vergangenheit, die einen
zusätzlich das Korsett der historischen Authentizität zwängt
(beispielhaft etwa der Weg Ridley Scotts von BLADE RUNNER und ALIEN
zu GLADIATOR).
Die Freiheit, die die Filmemacher früher in der Zukunft suchten,
finden sie heute immer öfter in den Köpfen. Denn ebenso
unergründlich, unerforscht und überraschend wie das Weltall, ist
der menschliche Geist (siehe THE CELL). Spielen auch viele dieser
Virtual Reality Filme in der Zukunft (MATRIX, EXISTENZ, NIRVANA),
so sieht man von dieser neuen Zeit doch kaum etwas, da man sich
fast ausschließlich in künstlichen Gedankenwelt aufhält.
Der einzig interessante Aspekt der Zukunft scheint für
Filmemacher der wissenschaftliche Fortschritt zu sein. Um die
technische Glaubwürdigkeit zu wahren, versetzt man Filme zu Themen
wie Gentechnik, Klonen oder Raumfahrt eben immer noch
anstandshalber für einige Jahre in die Zukunft (siehe GATTACA, THE
6TH DAY, MISSION TO MARS). Das dies eigentlich gar nicht mehr nötig
ist, zeigen ARMAGEDDON oder SPACE COWBOYS, in denen ein Trupp
Bergarbeiter bzw. eine Altherrenriege mit einer
Selbstverständlichkeit ins Weltall fliegt, als würden sie den Bus
zum Einkaufszentrum nehmen.
Die Raumfahrt hat somit ihren Mythos verloren und ist im Film
fast schon alltäglich geworden. Für Filmreihen wie ALIEN oder STAR
TREK ist es dementsprechend schwierig, heute die gleiche
Faszination auf das Publikum auszuüben, wie zu ihrem Beginn, als
man die NASA noch für die Mondmissionen bewunderte und nicht für
den Verlust von Satelliten auslachte. Wo man aber schon über
das reale Vorbild lacht, da ist es nicht weit zum Spott über die
davon abgeleitete Fiktion. Die Weltraumparodie GALAXY QUEST hat im
letzten Jahr gezeigt, wie ernst die Welt des Science Fiction noch
zu nehmen ist.
Jetzt STAR WARS als Ehrenrettung des Genres anführen zu wollen
bringt wenig, da dessen Erfolg mehr mit Marketing, Ersatzreligion
und Realitätsflucht als mit einer wahrhaftigen Zukunftsvision zu
tun hat und ihm zudem das für sich selbst sprechende Desinteresse
an Werken wie dem Trickfilmepos TITAN A.E. gegenüber stehen.
Ein nettes Gegengewicht zu diesem Zukunftsmüdigkeit bietet
momentan nur die Zeichentrickserie FUTURAMA, die einer kommenden
Kritik an ihrem Bild der Zukunft dadurch entgeht, indem sie ihre
Handlung ins Jahr 3000 verlegt. Soviel Ausblick war noch
nie.
Michael Haberlander
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