Viel hat nicht gefehlt, und das Stachus Kinocenter hätte (mit
ERKAN & STEFAN, John Schlesingers THE NEXT BEST THING, CUBE und
BLACK AND WHITE) diese Woche so ziemlich das beste Programm der
Stadt gehabt. Pardauz! Dann haben sie zum Glück doch THE PATRIOT
dringelassen und MISSION: IMPOSSIBLE 2 rausgenommen, und das hat
diese Auf-den-Kopf-Stellung jeglichen Münchner Kinoweltbilds dann
doch noch gerade verhindert.
Aber so oder so spricht das doch alles Bände über den traurigen
Zustand unserer Filmtheaterkultur. Worüber wir jetzt gar nicht
lange lamentieren wollen - ein andermal vielleicht, denn prinzipiell
wär's schon mal wieder an der Zeit - sondern zum Versuch der
Filmtips schreiten. Versuch deswegen, weil wir leider nicht
empfehlen können, was wir eigentlich dringendst empfehlen
wollten. Den Besuch von BLACK AND WHITE nämlich. Wichtiger
Regisseur (dessen FINGERS mit Harvey Keitel als durchgedrehtem
Pianist gerade zum Bach-Jahr übrigens eine heiße Empfehlung
ist), wichtiger Film, können Sie bei uns ja alles andernorts
nachlesen. Aber läuft halt nur im Stachus Kinocenter und im
Marmorhaus. Und dort nur in der deutschen Synchro. Und das
geht in diesem Fall wirklich, wirklich, wirklich nicht. Wir
sind in Hinsicht auf unsere Bevorzugung der Originalfassungen
ja zugegebenermaßen ein klein wenig (ähem) dogmatisch, aber
hier hat's nix mehr mit Purismus oder Cineastenspinnerei zu
tun. Wie sie ebenfalls andernorts bei uns nachlesen können,
ist die Grundidee des Films überhaupt ja, den Figuren ihre
eigene Sprache zu lassen, und eine der Hauptaussagen die,
dass Rassendiskurs zuerst einmal ein Sprachdiskurs ist. Mit
anderen Worten: Bei BLACK AND WHITE ist die Sprache noch deutlich
wichtiger als die Bilder. Und rassen-, klassen- und sozialspezifische
Sprachen lassen sich nun mal nicht einfach übersetzen. Black
English und amerikanischer Hip Hop Slang sind halt mal was
ganz anderes als Türkdeutsch (das in der Synchro da großteils
für herhalten muss), und der Versuch, BLACK AND WHITE deutsch
zu synchronisieren ist letztlich ebenso fehlgeleitet wie diese
Synchro eines Blaxploitation Films der 70er (wir haben leider
vergessen, welcher - wer's weiß, darf sich gerne melden!)
im Ruhrpott-Dialekt. (Selbstverständlich ist Hochdeutsch als
Ersatz für schwarzen Slang keinen itzi-bitzi-klitzekleinsten
Deut weniger daneben.)
Ähnliches Problem, letzte Woche schon angesprochen: SOLDIER (auf
gut deutsch heißt dass dann STAR FORCE SOLDIER, toll, gell!?) von
Paul Anderson im Werkstattkino. Toller Film (Frau Welsch wird an
dieser Stelle krasseste Untertreibung reklamieren, wir wissen).
Aber Deutsche Fassung. Keine Ahnung, wie gut oder schlecht die
Synchro funktioniert. Aber es fehlen, FSK sei Undank, geschlagene
sieben Minuten. Sprich zwei ganze Videoclip-Längen, halbe
Ewigkeiten also, an für die Wirkung und Intention des Film absolut
unablässiger Gewalt. Da kann höchstens ein blasser, verkrüppelter
Schatten von dem übrigbleiben, was SOLDIER eigentlich ausmacht.
Also auch da eine Empfehlung nur im Prinzip, aber nicht im
konkreten Aufführungs-Fall. Und was bleibt dann? Wo auch noch
Filmmuseum und Maxim geschlossen haben? Und außer CHICKEN RUN, den
Sie sich ja wohl eh' anschauen werden, oder? Filmkunstwochen. Die
ja im großen und ganzen eine recht bildungsbürgerliche Auffassung
haben von dem, was Filmkunst sei, sprich Betroffenheitskitsch in
filmästhetisch konventionellster Form, Meryll Streep- und
Oscar-Gewinner-Filme also. Oder sogar - nein, Sie werden's nicht
glauben, aber es ist wirklich so - Filme vom Vilsmaier Sepp. Echt!
Im Rio! Da stand im Programm (wir zitieren): "Filmkunst:" - Jawoll,
das war ein Doppelpunkt! - also "Filmkunst: SCHLAFES BRUDER" und
"Filmkunst: MARLENE". Pruuuuuuuuust!!! Und es ist wohl nicht mal
als konkurrenzloser Beitrag zum deutschen Comedy-Boom gedacht. Die
meinen das, fürchten wir, ernst. (Aber andererseits: Wie wär's,
liebe LeserInnen - ein paar Bier o.ä. gekippt und dann rein in
SCHLAFES BRUDER, der ja in Sachen Trash-Faktor den Gesamtausstoß
von Troma noch um Längen schlägt und eh' schon längst mal eine
Werkstattkino-Aufführung verdient hätte, bei der man endlich mal so
ungehemmt sich unter den Sitz lachen könnte, wie's dieses (Un)Ding
fordert.)
Aber es gibt bei den Filmkunstwochen halt auch richtig schöne
Filme, diese Woche z.B. insbesondere im Arena: Warren Beattys
BULWORTH z.B., oder Sam Raimis leider etwas im hektischen
Kinobetrieb untergegangenes, finster funkelndes, fieses Stück
Kapitalismuskritik A SIMPLE PLAN. Und - wäre ja eigentlich auch mal
wieder dran, erneut geguckt zu werden - RESERVOIR DOGS. Genug also,
um einen über die Sommer-Runden zu bringen. À propos: Wir sagen
jetzt gar nicht viel zum traurigsten Thema der Saison - aber falls
es wider allen Erwartens und durch des HERRN übergroße Gnade dann
diese Woche doch noch mal was werden sollte von wegen Sonne oder
so: Man muss ja auch nicht immer ins Kino gehen. (Doch, wirklich,
das haben jetzt gerade ausgerechnet WIR gesagt!) Gibt ja auch noch
Biergarten und Badesee und dergleichen schöne Dinge mehr im Leben.
Macht auch Spaß, und man hat man keine Probleme mit leidigen
Synchronfassungen. Und ab dieser Woche, wo die Millionäre mit
strammen Wadeln wieder vom schwarz-weiß gefleckten Leder ziehen,
gilt ja außerdem emphatisch wie seit Ende der EM nicht mehr Herrn
Oehmanns Rat: "Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen:
Die
Artechock-Redaktion
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