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Der Filmfreund rät

  10.08.2000
 
 
 
 

Viel hat nicht gefehlt, und das Stachus Kinocenter hätte (mit ERKAN & STEFAN, John Schlesingers THE NEXT BEST THING, CUBE und BLACK AND WHITE) diese Woche so ziemlich das beste Programm der Stadt gehabt. Pardauz! Dann haben sie zum Glück doch THE PATRIOT dringelassen und MISSION: IMPOSSIBLE 2 rausgenommen, und das hat diese Auf-den-Kopf-Stellung jeglichen Münchner Kinoweltbilds dann doch noch gerade verhindert.

Aber so oder so spricht das doch alles Bände über den traurigen Zustand unserer Filmtheaterkultur. Worüber wir jetzt gar nicht lange lamentieren wollen - ein andermal vielleicht, denn prinzipiell wär's schon mal wieder an der Zeit - sondern zum Versuch der Filmtips schreiten. Versuch deswegen, weil wir leider nicht empfehlen können, was wir eigentlich dringendst empfehlen wollten. Den Besuch von BLACK AND WHITE nämlich. Wichtiger Regisseur (dessen FINGERS mit Harvey Keitel als durchgedrehtem Pianist gerade zum Bach-Jahr übrigens eine heiße Empfehlung ist), wichtiger Film, können Sie bei uns ja alles andernorts nachlesen. Aber läuft halt nur im Stachus Kinocenter und im Marmorhaus. Und dort nur in der deutschen Synchro. Und das geht in diesem Fall wirklich, wirklich, wirklich nicht. Wir sind in Hinsicht auf unsere Bevorzugung der Originalfassungen ja zugegebenermaßen ein klein wenig (ähem) dogmatisch, aber hier hat's nix mehr mit Purismus oder Cineastenspinnerei zu tun. Wie sie ebenfalls andernorts bei uns nachlesen können, ist die Grundidee des Films überhaupt ja, den Figuren ihre eigene Sprache zu lassen, und eine der Hauptaussagen die, dass Rassendiskurs zuerst einmal ein Sprachdiskurs ist. Mit anderen Worten: Bei BLACK AND WHITE ist die Sprache noch deutlich wichtiger als die Bilder. Und rassen-, klassen- und sozialspezifische Sprachen lassen sich nun mal nicht einfach übersetzen. Black English und amerikanischer Hip Hop Slang sind halt mal was ganz anderes als Türkdeutsch (das in der Synchro da großteils für herhalten muss), und der Versuch, BLACK AND WHITE deutsch zu synchronisieren ist letztlich ebenso fehlgeleitet wie diese Synchro eines Blaxploitation Films der 70er (wir haben leider vergessen, welcher - wer's weiß, darf sich gerne melden!) im Ruhrpott-Dialekt. (Selbstverständlich ist Hochdeutsch als Ersatz für schwarzen Slang keinen itzi-bitzi-klitzekleinsten Deut weniger daneben.)

Ähnliches Problem, letzte Woche schon angesprochen: SOLDIER (auf gut deutsch heißt dass dann STAR FORCE SOLDIER, toll, gell!?) von Paul Anderson im Werkstattkino. Toller Film (Frau Welsch wird an dieser Stelle krasseste Untertreibung reklamieren, wir wissen). Aber Deutsche Fassung. Keine Ahnung, wie gut oder schlecht die Synchro funktioniert. Aber es fehlen, FSK sei Undank, geschlagene sieben Minuten. Sprich zwei ganze Videoclip-Längen, halbe Ewigkeiten also, an für die Wirkung und Intention des Film absolut unablässiger Gewalt. Da kann höchstens ein blasser, verkrüppelter Schatten von dem übrigbleiben, was SOLDIER eigentlich ausmacht. Also auch da eine Empfehlung nur im Prinzip, aber nicht im konkreten Aufführungs-Fall. Und was bleibt dann? Wo auch noch Filmmuseum und Maxim geschlossen haben? Und außer CHICKEN RUN, den Sie sich ja wohl eh' anschauen werden, oder? Filmkunstwochen. Die ja im großen und ganzen eine recht bildungsbürgerliche Auffassung haben von dem, was Filmkunst sei, sprich Betroffenheitskitsch in filmästhetisch konventionellster Form, Meryll Streep- und Oscar-Gewinner-Filme also. Oder sogar - nein, Sie werden's nicht glauben, aber es ist wirklich so - Filme vom Vilsmaier Sepp. Echt! Im Rio! Da stand im Programm (wir zitieren): "Filmkunst:" - Jawoll, das war ein Doppelpunkt! - also "Filmkunst: SCHLAFES BRUDER" und "Filmkunst: MARLENE". Pruuuuuuuuust!!! Und es ist wohl nicht mal als konkurrenzloser Beitrag zum deutschen Comedy-Boom gedacht. Die meinen das, fürchten wir, ernst. (Aber andererseits: Wie wär's, liebe LeserInnen - ein paar Bier o.ä. gekippt und dann rein in SCHLAFES BRUDER, der ja in Sachen Trash-Faktor den Gesamtausstoß von Troma noch um Längen schlägt und eh' schon längst mal eine Werkstattkino-Aufführung verdient hätte, bei der man endlich mal so ungehemmt sich unter den Sitz lachen könnte, wie's dieses (Un)Ding fordert.)

Aber es gibt bei den Filmkunstwochen halt auch richtig schöne Filme, diese Woche z.B. insbesondere im Arena: Warren Beattys BULWORTH z.B., oder Sam Raimis leider etwas im hektischen Kinobetrieb untergegangenes, finster funkelndes, fieses Stück Kapitalismuskritik A SIMPLE PLAN. Und - wäre ja eigentlich auch mal wieder dran, erneut geguckt zu werden - RESERVOIR DOGS. Genug also, um einen über die Sommer-Runden zu bringen. À propos: Wir sagen jetzt gar nicht viel zum traurigsten Thema der Saison - aber falls es wider allen Erwartens und durch des HERRN übergroße Gnade dann diese Woche doch noch mal was werden sollte von wegen Sonne oder so: Man muss ja auch nicht immer ins Kino gehen. (Doch, wirklich, das haben jetzt gerade ausgerechnet WIR gesagt!) Gibt ja auch noch Biergarten und Badesee und dergleichen schöne Dinge mehr im Leben. Macht auch Spaß, und man hat man keine Probleme mit leidigen Synchronfassungen. Und ab dieser Woche, wo die Millionäre mit strammen Wadeln wieder vom schwarz-weiß gefleckten Leder ziehen, gilt ja außerdem emphatisch wie seit Ende der EM nicht mehr Herrn Oehmanns Rat:
"Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."

Viel Spaß dabei wünscht Ihnen:

Die Artechock-Redaktion

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