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Sie, verehrte Leserschaft, in die richtigen Filme zu führen - was
wir an dieser Stelle Woche zu Woche redlichst versuchen - heißt oft
auch, Sie vor den falschen Entscheidungen zu bewahren. Zum 1.
Beispiel: Könnte es sein, dass Sie die Lust packt, sich einen Film
von Steven Soderbergh zu sehen. Das ist in letzter Zeit ja
plötzlich bei ungewöhnlich (und erfreulich) vielen Leuten der Fall
gewesen - nur leider haben die sich fast ausnahmslos verwählt, was
dann den konkreten Film anging. Die Hollywood-Hure Soderbergh
war's, die sie guckten - und ließen sich in Soderberghs filmisch
langweiligstem aller seiner Werke, ERIN BROCKOVICH, erzählen, wie
wunderbar und gerecht das System ist, wie sehr wir uns drüber
freuen dürfen, darin zu leben, wie sicher wir sein können, dass die
Gerechtigkeit obsiegt. Und dass das Geld überhaupt das Beste,
Schönste, Wahrste und Alleinseligmachendste ist, was es gibt. Was
stört's schon, wenn die ganze Familie elendig an Krebs verreckt,
wenn sie dafür ein paar Milliönchen Dollar bekommt, yuchhee!
Dabei hätte es hierzulande kurz vorher ein echtes Meisterwerk
von Soderbergh zu sehen gegeben, THE
LIMEY, der sich wirklich Gedanken macht zu seinem Medium,
es ausreizt; in dem es um viel mehr und viel interessantere
Dinge geht und der nahrhaftestes food for thought bietet,
von dem man noch zehren kann, wenn die Zuckerwatte-Packung
BROCKOVICH schon längst die Gedächtnis-Kanalisation in Richtung
Ozean des Vergessens durchflutscht hat (was circa 17 Minuten
nach Verlassen des Kinos gewesen sein dürfte). Aber über die
Herrlichkeit und Tiefe und Größe von THE LIMEY haben wir uns
ja bereits ausführlicher geäußert.
Nun verstehen wir Sie allerdings durchaus, wenn Sie
diesen wunderbaren Film noch nicht gesehen haben, weil Sie den
Besuch standhaft verweigert haben - schließlich lief der in
Münchner Kinos (außer auf dem Fantasy-Filmfest) bisher
ausschließlich in der eklen deutschen Synchronfassung - und die war
nun wirklich und wahrhaftig so gänzlich indiskutabel, wie selbst
ekle deutsche Synchronfassungen es selten sind. (Falls Sie die
jedoch gesehen haben, seien Sie versichert - das war alles
Mögliche, nur Steven Soderberghs THE LIMEY war es nicht. Den haben
Sie damit noch immer nicht gesehen. (Jawoll, Herrmann, das gilt
auch für Sie!)) Jetzt aber können wir frohe Kunde bringen und
jubilierend durch die Lande erschallen lassen: Das schnuckelige
Neue Arena hat sich erbarmt und bietet diese Woche endlich, endlich
die Gelegenheit, den Film so, wie Gott ihn schuf, in ganzer Pracht
zu betrachten. Allerdings nur von Donnerstag bis Samstag (jawoll,
Bauer, das heißt quasi: Heute bis †bermorgen!), und immer nur
nachts. Also husch, rein, rein - sonst ist nachher das Geschrei
wieder groß. (THE LIMEY (OmU): Neues Arena, Do.-Sa. 22:45)
Zum 2. Beispiel aber wäre es ja durchaus im Bereich des
Möglichen, dass es Sie diese Woche nach einem Film verlangt mit
einem aus zwei Worten bestehenden Titel, von denen eines das schöne
"Blow" ist. Und siehe, schon wieder stünden Sie vor zwei
Alternativen (die Bahnhofskinos jetzt mal nicht mitgerechnet). Und
wahrscheinlich würden Sie sich spontan für den ungleich
berühmteren, Michelangelo Antonionis BLOW UP, entscheiden. Und das
wäre ja keineswegs direkt verkehrt. Da wollen wir Sie auch gar
nicht davon abhalten - das ist ein wichtiger und großer Film, der
viel sagt über das Sehen und das Kino an sich und so, ein
Meisterwerk, gewiss. Aber - auch wenn das jetzt womöglich gegen
cineastischen Verhaltenskodex verstösst - mal unter uns: Brian De
Palmas BLOW OUT ist noch viel besser! (Und nein, Welsch, das hat
nichts damit zu tun, dass Hollywood-Kino das einzig wahre und
prinzipiell dem europäischen (Kunst)Kino überlegen wäre, schon
wieder mal no way, no how!) Der sagt ebensoviel über das Sehen und
das Kino an sich (und hat freilich seinen Antonioni studiert),
nimmt gleich das Hören noch aufs Trefflichste hinzu, und verpackt
das Ganze in einen ansprechenden Thriller mit deutlich geringerem
Prätentions-Level als BLOW UP. Tja, sowas kann er halt - De Palma,
der alte Avantgarde-Wolf, der sich gerne die tarnende
Mainstram-Schurwolle überstreift. Außerdem hat De Palma da John
Travolta großartig wiederentdeckt, lang bevor Tarantino es tat, und
den unterschätzten John Lithgow sehen wir doch auch immer wieder
gerne. Zugegeben: Einen eklatanten Fehler hat auch BLOW OUT. Der
heißt Nancy Allen. Aber da muss man eben durch - wo kämen wir
schließlich auch hin, wenn große Filmkunst so ganz ungebremst Spaß
machen würde! (BLOW UP (OmU): Filmmuseum, Do.-Sa. 20:30;
BLOW OUT (OF): Filmmuseum, So. 20:30)
Und schon sind wir wieder auf der sicheren Seite. Denn einfach
nichts falsch machen kann man mit den ewiggültigen Ratschlägen des
weisen Herrn Oehmann. Da gibt's nur eine Entscheidung, und die
lautet: Befolgen! Beweis? Na, da dachten so Defätisten wie der Herr
H. (wollen wir mal so gnädig sein, auch die Schuldigen durch
Anonymität zu schützen), das Ende der Bundesliga-Saison könnte ein
fatales Loch schlagen in das eherne Bollwerk des Oehmannschen
Gesetzes. Denkste! Länderspiel, ällerbätsch. Und deswegen bleibt
alles bei: "Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die
Artechock-Redaktion
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