Das filmische Werk von Robert Altman und Woody Allen glich sich
lange Jahre nur sehr oberflächlich, bis vor einigen Jahren
immer häufiger Überschneidungen auftraten. Nachdem beide einige
der geistreichsten und zynischsten Kommentare der Neunziger
abgegeben hatten (Altman mit THE PLAYER und SHORT CUTS, Allen
mit MIGHTY APHRODITE, ALLE SAGEN I LOVE YOU und DECONSTRUCTING
HARRY) tappten sie mit ihren nächsten Filmen PRET-A-PORTER
bzw. CELEBRITY in die selbe, tückische Falle. Beide (wie übrigens
auch Helmut Dietl in LATE SHOW) saßen dem Irrtum auf, dass
niemand eine Person besser parodieren kann, wie die Person
selbst. Bei Altman spielten Models darum Models, Modedesigner
eben Modedesigner während bei Allen Leonardo di Caprio den
exzentrischen Jungstar und Melanie Griffiths die verführerische
Schauspielerin verkörperten. Ich weiß nicht warum, aber es
funktioniert nicht. Vielleicht braucht man für eine Parodie
eben doch einen gewissen Abstand, den man als Betroffener
nie aufbauen kann.
Sowohl Altman als auch Allen schienen nach diesen Projekten
vorerst genug von der Gesellschaftskritik zu haben und wählten (zur
Entspannung ?) den Jazz als Thema ihres nächsten Films. Altmans
Film KANSAS CITY über die Heimat des Bebop war perfekt. Zu Perfekt.
Vor der absolut authentischen Kulisse spielten die besten
Jazzmusiker der heutigen Zeit die Musik der besten Jazzmusiker der
damaligen Zeit. Ein wunderbarer Soundtrack war KANSAS CITY damit
gewiss, doch leider ist der Jazz in diesem Film, wie die glänzenden
Oldtimer, nur Staffage, die nicht über die belanglose Handlung
hinwegtäuschen kann. Würde Woody Allen in SWEET AND LOWDOWN den
selben Fehler machen ? Auch er rekonstruiert die damalige Musik und
Stimmung mit akribischer Genauigkeit, doch darüber hinaus läßt er
sie nicht zum dekorativen Selbstzweck verkommen.
Die Geschichte vom Gitarristen Emmet Ray ist ein munteres
Konglomerat aus zwei Dutzend Musikerbiographien und vermutlich
deshalb kommt einem die Handlung immer irgendwie bekannt vor.
Gerade das will Allen natürlich mit seinem gefälschten
Dokumentarstil erreichen und wie bereits bei ZELIG, lassen wir uns
diese Täuschung gerne gefallen. Die Gefahr bei einem solchen Film
steckt immer darin, dass er zu einer (wenn auch amüsanten) losen
und willkürlichen Aneinanderreihung von kleinen Episoden verkommen
kann. Doch SWEET AND
LOWDOWN hält ein zentrales Thema zusammen und hebt ihn somit
über eine beliebige Sketchrevue hinaus. Es ist die Beschäftigung
mit Genialität, mit den Schwierigkeiten ein Künstler zu sein und
den ständigen Zweifeln, die damit verbunden sind. Für Emmet Ray hat
diese Angst einen konkreten Namen; Django Reinhardt. Für Woody
Allen sind es wohl Bergman, Fellini und Orson Welles.
Natürlich behauptet Allen wie bei jedem Film, dieser habe nichts
mit seinem eigenen Leben zu tun. Bei einem Film über einen
neurotischen, jüdischen Regisseur in New York, der seine 20 Jahre
jüngere asiatische Stieftochter heiratet, würde er vermutlich das
selbe behaupten. Aber die geradezu manische Fixierung Rays auf
Django Reinhardt, mit dem Bewußtsein niemals so gut wie dieser sein
zu können, ist zweifelsfrei identisch mit dem oft geäußerten Wunsch
Allens, einen "großen Film" wie FAHRRADDIEBE oder CITIZEN KANE zu
drehen. In beiden Fällen denkt man sich: Was soll das? Was
interessiert es Ray, ob er der Beste oder doch "nur" der Zweitbeste
ist (Kunst ist schließlich kein Stabhochsprung, wie der Kollege
Willmann zu sagen pflegt)? Und hat Woody Allen nicht einige
großartige und bedeutende Filme gedreht, die zur Filmgeschichte
ebenso gehören wie die von ihm verehrten Vorbilder?
Diese Fragen laufen ins Leere, denn sowohl Allen als auch seinem
Alter Ego Ray geht es nicht um äußere Anerkennung (weshalb Allen
auch nie auf einer Oscar Verleihung zu sehen ist) oder Bestätigung.
Beide haben sie mit den Ansprüchen, die sie an sich selbst stellen,
zu kämpfen und beide hat diese ständige Eigenkritik zu den großen
Künstlern gemacht, die sie sind. Emmet Ray läßt diese Getriebenheit
schließlich verzweifeln, weshalb er seinen Gitarre zerschlägt und
den Kampf gegen den inneren Dämon Django Reinhardt aufgibt.
Woody Allen dagegen hat mittlerweile schon den nächsten Film
abgedreht. Seine Bemühungen um den "großen Film" gehen weiter. Gott
sei Dank.
Michael Haberlander
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