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06.04.2000
 
 
   
 

All that Jazz

 
Genies unter sich - Woody Allen und Sean Penn
     
 
 
 
 

Das filmische Werk von Robert Altman und Woody Allen glich sich lange Jahre nur sehr oberflächlich, bis vor einigen Jahren immer häufiger Überschneidungen auftraten. Nachdem beide einige der geistreichsten und zynischsten Kommentare der Neunziger abgegeben hatten (Altman mit THE PLAYER und SHORT CUTS, Allen mit MIGHTY APHRODITE, ALLE SAGEN I LOVE YOU und DECONSTRUCTING HARRY) tappten sie mit ihren nächsten Filmen PRET-A-PORTER bzw. CELEBRITY in die selbe, tückische Falle. Beide (wie übrigens auch Helmut Dietl in LATE SHOW) saßen dem Irrtum auf, dass niemand eine Person besser parodieren kann, wie die Person selbst. Bei Altman spielten Models darum Models, Modedesigner eben Modedesigner während bei Allen Leonardo di Caprio den exzentrischen Jungstar und Melanie Griffiths die verführerische Schauspielerin verkörperten. Ich weiß nicht warum, aber es funktioniert nicht. Vielleicht braucht man für eine Parodie eben doch einen gewissen Abstand, den man als Betroffener nie aufbauen kann.

Sowohl Altman als auch Allen schienen nach diesen Projekten vorerst genug von der Gesellschaftskritik zu haben und wählten (zur Entspannung ?) den Jazz als Thema ihres nächsten Films. Altmans Film KANSAS CITY über die Heimat des Bebop war perfekt. Zu Perfekt. Vor der absolut authentischen Kulisse spielten die besten Jazzmusiker der heutigen Zeit die Musik der besten Jazzmusiker der damaligen Zeit. Ein wunderbarer Soundtrack war KANSAS CITY damit gewiss, doch leider ist der Jazz in diesem Film, wie die glänzenden Oldtimer, nur Staffage, die nicht über die belanglose Handlung hinwegtäuschen kann.
Würde Woody Allen in SWEET AND LOWDOWN den selben Fehler machen ? Auch er rekonstruiert die damalige Musik und Stimmung mit akribischer Genauigkeit, doch darüber hinaus läßt er sie nicht zum dekorativen Selbstzweck verkommen.

Die Geschichte vom Gitarristen Emmet Ray ist ein munteres Konglomerat aus zwei Dutzend Musikerbiographien und vermutlich deshalb kommt einem die Handlung immer irgendwie bekannt vor. Gerade das will Allen natürlich mit seinem gefälschten Dokumentarstil erreichen und wie bereits bei ZELIG, lassen wir uns diese Täuschung gerne gefallen. Die Gefahr bei einem solchen Film steckt immer darin, dass er zu einer (wenn auch amüsanten) losen und willkürlichen Aneinanderreihung von kleinen Episoden verkommen kann. Doch SWEET AND LOWDOWN hält ein zentrales Thema zusammen und hebt ihn somit über eine beliebige Sketchrevue hinaus. Es ist die Beschäftigung mit Genialität, mit den Schwierigkeiten ein Künstler zu sein und den ständigen Zweifeln, die damit verbunden sind. Für Emmet Ray hat diese Angst einen konkreten Namen; Django Reinhardt. Für Woody Allen sind es wohl Bergman, Fellini und Orson Welles.

Natürlich behauptet Allen wie bei jedem Film, dieser habe nichts mit seinem eigenen Leben zu tun. Bei einem Film über einen neurotischen, jüdischen Regisseur in New York, der seine 20 Jahre jüngere asiatische Stieftochter heiratet, würde er vermutlich das selbe behaupten. Aber die geradezu manische Fixierung Rays auf Django Reinhardt, mit dem Bewußtsein niemals so gut wie dieser sein zu können, ist zweifelsfrei identisch mit dem oft geäußerten Wunsch Allens, einen "großen Film" wie FAHRRADDIEBE oder CITIZEN KANE zu drehen. In beiden Fällen denkt man sich: Was soll das? Was interessiert es Ray, ob er der Beste oder doch "nur" der Zweitbeste ist (Kunst ist schließlich kein Stabhochsprung, wie der Kollege Willmann zu sagen pflegt)? Und hat Woody Allen nicht einige großartige und bedeutende Filme gedreht, die zur Filmgeschichte ebenso gehören wie die von ihm verehrten Vorbilder?

Diese Fragen laufen ins Leere, denn sowohl Allen als auch seinem Alter Ego Ray geht es nicht um äußere Anerkennung (weshalb Allen auch nie auf einer Oscar Verleihung zu sehen ist) oder Bestätigung. Beide haben sie mit den Ansprüchen, die sie an sich selbst stellen, zu kämpfen und beide hat diese ständige Eigenkritik zu den großen Künstlern gemacht, die sie sind. Emmet Ray läßt diese Getriebenheit schließlich verzweifeln, weshalb er seinen Gitarre zerschlägt und den Kampf gegen den inneren Dämon Django Reinhardt aufgibt.
Woody Allen dagegen hat mittlerweile schon den nächsten Film abgedreht. Seine Bemühungen um den "großen Film" gehen weiter. Gott sei Dank.

Michael Haberlander

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