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Die nackte Lust am Filmemachen
Ein Buch mit Texten des sinnlichen Kino-Moralisten Francois Truffaut und eine Biografie

  23.03.2000
 
 
 
 

"War ich ein guter Kritiker? Ich weiß es nicht. Ich weiß aber, daß ich immer auf der Seite der Ausgepfiffenen gegen die Auspfeifer war, und das mein Vergnügen oft anfing, wo das meiner Kollegen aufhörte: Bei Renoirs Stilbrüchen, bei Welles' Exzessen, bei Cocteaus Anachronismen." - wie einige seiner späteren Nouvelle Vague-Mitstreiter begann Francois Truffaut seine Kinolaufbahn in den 50er Jahren als Filmkritiker. In der Auseinandersetzung mit den Werken anderer fand er zu seinem eigenen Stil, und entwickelte einige der filmischen Methoden, durch die er später selbst in die Filmgeschichte einging.

Wenige Regisseure waren wie Truffaut zugleich auch große Analytiker des Kinos, Rationalisten des Sehens und Aufklärer, wenn es darum ging, im scheinbar nur Neuen und Provokativen das Bleibende zu erkennen. So entdeckte er Alfred Hitchcocks Werk wieder für das europäische Kino, als man hierzulande keinen Sinn für dessen psychologische Spielereien hatte: "Hitchcock will unser Gefühl mobilisieren" heißt es in einem Band mit Truffauts "Schriften über Film", der soeben auf Deutsch erschienen ist. Andere Essays handel unter anderem von Charlie Chaplin, Woody Allen oder Roberto Rosselini, und natürlich immer wieder vom französischen Kino, in das Truffaut auch als er längst ein etablierter Regisseur war, häufig durch leidenschaftliche Debattenbeiträge und Polemiken eingriff. So findet man hier auch Truffauts wohl berühmtesten Aufsatz: "Über eine gewisse Tendenz im französischen Film" schrieb er 1954 und begann damit eine scharfe Auseinandersetzung mit den Film-Traditionalisten seiner Heimat, die schließlich in den Gegenentwurf der Nouvelle Vague mündete.

In der ausgezeichneten, sehr informativen Biografie Truffauts durch Antoine de Braecque und Serge Toubiana - in Frankreich längst ein Standardwerk - kann man auch den Menschen Truffaut näher kennenlernen. Außerhalb des Kinos war Truffaut ein sehr 'bürgerlicher', eher schüchterner Mensch. "Warum ich der glücklichste Mensch auf Erden bin" schrieb er 1969 in einem seiner wenigen autobiografischen Texte, und feierte - zur Hochzeit der Studentenrevolte und des 'politischen' Films - nichts anderes als die nackte Lust am Filmemachen: "Einen Film zu machen, heißt das Leben zu verbessern, es nach seiner Facon zu arrangieren, das heißt auch die Spiele der Kindheit zu verlängern". Weil er so dachte - verbessern und spielen - wurde Truffauts Kino auch für uns Zuschauer immer zur Rückkehr in das Glück der Kindheit.

Rüdiger Suchsland

Francois Truffaut: "Die Lust am Sehen", Verlag der Autoren, Frankfurt 1999 414 Seiten, 44 Mark
Antoine de Braecque/Serge Toubiana: Francois Truffaut, vgs-Verlag; Köln 1999, 720 Seiten. 78 Mark

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