Vor kurzem veröffentlichte die Broadcast Film Critics Association
eine Liste mit den besten Filmen des letzten Jahrzehnts, wobei sich
die ersten fünf Plätze wie folgt verteilten:
1. SCHINDLER'S LIST, 2. SAVING PRIVATE RYAN, 3. L.A. CONFIDENTIAL,
4. FORREST GUMP und 5. GOODFELLAS.
Dieses absonderliche Ergebnis ist in
seiner Unsinnigkeit so aussagekräftig, dass ich mir jeden
kritischen Kommentar dazu ersparen kann. Betrachtet man es jedoch
in einem größeren Zusammenhang, zeigt sich dahinter eine
bedenkliche Tendenz. Während etwa für AMERICAN PIE noch spaßeshalber
mit dem Satz "Der Beste Film des neuen Jahrtausends" geworben
wurde, meint es die Werbekampagne von AMERICAN BEAUTY wohl ziemlich
ernst, wenn sie auf den Plakaten die Tagesthemen mit dem Satz "Der
beste Film der letzen 5 Jahre" zitiert. Nun wäre es grundsätzlich
interessant zu erfahren, welcher Film die Tagesthemenredaktion
zuletzt vor fünf Jahren so bewegt hat, dass sie eine halbe Dekade
Filmgeschichte seither unter den Tisch fallen lassen konnte. Doch
eigentlich besagt dieser abwegige Superlativ genau so viel (bzw. so
wenig) wie das zweifelhafte Motto des Fernsehsenders Kabel 1, der
uns regelmäßig "Die besten Filme aller Zeiten" verspricht.
Ich war immer schon befremdet, wenn man im kulturellen Bereich
Bestenlisten aufstellte und der seit Jahrzehnten auf CITIZEN KANE
abonnierte Titel des "Besten Films aller Zeiten" ist zwar
einerseits die Würdigung eines Kinoklassikers aber zugleich auch
eine Herabsetzung für Dutzende nicht minder brillanter Filme. Das
CITIZEN KANE vermutlich niemals aus diesem Pantheon gestoßen werden
wird, egal welch geniale Filme uns noch bevorstehen, läßt eine
solche Aufstellung noch zweifelhafter erscheinen. Gewiss wurden
in der Werbung schon immer Superlative inflationär gebraucht, neu
ist vielmehr die weitere Verbreitung der Werbung in einer beständig
gewachsenen Anzahl von Medien. Dies alles ist sicher auch ein
Ergebnis eines wieder härteren Konkurrenzkampfes im Medienbereich,
der keinen Platz mehr läßt für Filme, die "nur" gut sind. Die
Gefahren, die in diesem Übertreibungstrend liegen, sind tückisch.
So weicht man den Superlativ durch seine ständige Verwendung
immer weiter auf. Kommt schließlich tatsächlich ein Film, dem man
zugesteht, er sei einer der Besten (in welcher Hinsicht auch
immer), so wird diese Einschätzung irgendwann nur mehr mit einem
müde "Schon wieder einer!" abgetan werden.
Nicht weniger bedenklich ist der Superlativ als Selbstzweck.
Ein Film muß noch nicht einmal der Beste sein. Es reicht, wenn er
der angeblich Lustigste, der Gruseligste, der Teuerste oder
Spannendste ist. Selbst ein Prädikat als schlechtester Film seit
Jahren, bürgt für eine sichere Anhängerschaft, die den Film schnell
zum Kult erheben und ihm damit einen Platz einräumen, den er nicht
verdient hat. Immer wieder wird auch die schlichte Gleichung
aufgestellt ‘Der am besten besuchte Film = der beste Film’ was zur
Folge hat, dass noch mehr Leute ins Kino rennen, was das
Einspielergebnis wieder erhöht, was weitere Leute ins Kino lockt,
usw. usf.
Der augenfälligste Aspekt dieses Schneller - Weiter - Höher -
Wahns im Kino ist aber der aus dem Sport bekannte Umstand des
undankbaren zweiten Platzes. Während die wenigen von den Medien
erkorenen Ersten und Besten alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen,
interessiert sich für die Filme auf den hinteren Plätzen kein
Mensch mehr. Um so ungerechter ist diese Benachteiligung, da man
nicht alle Filme in einen Topf werfen kann, um sie zu vergleichen.
AMERICAN BEAUTY hat eine ganz andere Zielsetzung als etwa GHOST DOG
oder THE SIXTH SENSE (vom Einspielergebnis einmal abgesehen) und
mit SOUTH PARK verbindet sie alle eigentlich nur das Material, auf
dem sie gedreht wurden.
Geht man offenen Auges durch die Kinolandschaft und schaut auch
einmal auf die unbekannteren Film, die keine Superlative aufweisen,
so findet man immer wieder solche, die einen begeistern und die die
Suche nach DEM Besten schnell als Unsinn entlarven. Denn gäbe
es Filme wie AMERICAN BEAUTY tatsächlich nur alle fünf Jahre, wäre
dies für alle Cineasten die größte Tragödie aller Zeiten.
Michael Haberlander
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