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27.01.2000
 
 
   
 

Das Beste vom Besten - Über falsche Superlative und Kino-Hitlisten

 
   
     
 
 
 
 

Vor kurzem veröffentlichte die Broadcast Film Critics Association eine Liste mit den besten Filmen des letzten Jahrzehnts, wobei sich die ersten fünf Plätze wie folgt verteilten:
1. SCHINDLER'S LIST, 2. SAVING PRIVATE RYAN, 3. L.A. CONFIDENTIAL, 4. FORREST GUMP und 5. GOODFELLAS.
Dieses absonderliche Ergebnis ist in seiner Unsinnigkeit so aussagekräftig, dass ich mir jeden kritischen Kommentar dazu ersparen kann. Betrachtet man es jedoch in einem größeren Zusammenhang, zeigt sich dahinter eine bedenkliche Tendenz.
Während etwa für AMERICAN PIE noch spaßeshalber mit dem Satz "Der Beste Film des neuen Jahrtausends" geworben wurde, meint es die Werbekampagne von AMERICAN BEAUTY wohl ziemlich ernst, wenn sie auf den Plakaten die Tagesthemen mit dem Satz "Der beste Film der letzen 5 Jahre" zitiert. Nun wäre es grundsätzlich interessant zu erfahren, welcher Film die Tagesthemenredaktion zuletzt vor fünf Jahren so bewegt hat, dass sie eine halbe Dekade Filmgeschichte seither unter den Tisch fallen lassen konnte. Doch eigentlich besagt dieser abwegige Superlativ genau so viel (bzw. so wenig) wie das zweifelhafte Motto des Fernsehsenders Kabel 1, der uns regelmäßig "Die besten Filme aller Zeiten" verspricht.

Ich war immer schon befremdet, wenn man im kulturellen Bereich Bestenlisten aufstellte und der seit Jahrzehnten auf CITIZEN KANE abonnierte Titel des "Besten Films aller Zeiten" ist zwar einerseits die Würdigung eines Kinoklassikers aber zugleich auch eine Herabsetzung für Dutzende nicht minder brillanter Filme. Das CITIZEN KANE vermutlich niemals aus diesem Pantheon gestoßen werden wird, egal welch geniale Filme uns noch bevorstehen, läßt eine solche Aufstellung noch zweifelhafter erscheinen.
Gewiss wurden in der Werbung schon immer Superlative inflationär gebraucht, neu ist vielmehr die weitere Verbreitung der Werbung in einer beständig gewachsenen Anzahl von Medien. Dies alles ist sicher auch ein Ergebnis eines wieder härteren Konkurrenzkampfes im Medienbereich, der keinen Platz mehr läßt für Filme, die "nur" gut sind.
Die Gefahren, die in diesem Übertreibungstrend liegen, sind tückisch.

So weicht man den Superlativ durch seine ständige Verwendung immer weiter auf. Kommt schließlich tatsächlich ein Film, dem man zugesteht, er sei einer der Besten (in welcher Hinsicht auch immer), so wird diese Einschätzung irgendwann nur mehr mit einem müde "Schon wieder einer!" abgetan werden.

Nicht weniger bedenklich ist der Superlativ als Selbstzweck.
Ein Film muß noch nicht einmal der Beste sein. Es reicht, wenn er der angeblich Lustigste, der Gruseligste, der Teuerste oder Spannendste ist. Selbst ein Prädikat als schlechtester Film seit Jahren, bürgt für eine sichere Anhängerschaft, die den Film schnell zum Kult erheben und ihm damit einen Platz einräumen, den er nicht verdient hat.
Immer wieder wird auch die schlichte Gleichung aufgestellt ‘Der am besten besuchte Film = der beste Film’ was zur Folge hat, dass noch mehr Leute ins Kino rennen, was das Einspielergebnis wieder erhöht, was weitere Leute ins Kino lockt, usw. usf.

Der augenfälligste Aspekt dieses Schneller - Weiter - Höher - Wahns im Kino ist aber der aus dem Sport bekannte Umstand des undankbaren zweiten Platzes. Während die wenigen von den Medien erkorenen Ersten und Besten alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, interessiert sich für die Filme auf den hinteren Plätzen kein Mensch mehr. Um so ungerechter ist diese Benachteiligung, da man nicht alle Filme in einen Topf werfen kann, um sie zu vergleichen. AMERICAN BEAUTY hat eine ganz andere Zielsetzung als etwa GHOST DOG oder THE SIXTH SENSE (vom Einspielergebnis einmal abgesehen) und mit SOUTH PARK verbindet sie alle eigentlich nur das Material, auf dem sie gedreht wurden.

Geht man offenen Auges durch die Kinolandschaft und schaut auch einmal auf die unbekannteren Film, die keine Superlative aufweisen, so findet man immer wieder solche, die einen begeistern und die die Suche nach DEM Besten schnell als Unsinn entlarven.
Denn gäbe es Filme wie AMERICAN BEAUTY tatsächlich nur alle fünf Jahre, wäre dies für alle Cineasten die größte Tragödie aller Zeiten.

Michael Haberlander

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