Was ein fulminanter Start! Kaum sind die letzten Kracher
verkracht, die Scherbenhäufen heimgekehrt und der Kater wieder im
Tierheim, überschlagen sich die Münchner Kinos wieder geradezu mit
beachtenswerten Erstaufführungen, gewichtigen Retrospektiven, edlen
Spät- und Nachlesen und knorke Reihen. Und zwar so sehr, dass
selbst uns es schon beinahe schwer fällt, da noch den Überblick zu
behalten - und es uns vollends an die Grenzen unserer (doch
eigentlich beachtlichen) Möglichkeiten treibt, hier noch einen
klaren Weg für Sie, werte Leserschaft, zu bahnen durch dieses
cineastische Gestrüpp und Ihnen simple Weisung zu geben. Aber
wir versuchen's.
Also eins wär' eigentlich klar und sollte die erste Empfehlung
hier sein - aber dass Sie sich Jim Jarmuschs neuen Film GHOST DOG: THE WAY OF THE
SAMURAI anschauen sollten, das brauchen wir Ihnen ja wohl
nicht extra zu sagen. Eben. Tasten wir uns also in etwas
unsichereres Terrain vor - und stossen dort erstmal auf die
99er-Nachlese im Neuen Arena. Da gäb' es dies und jenes,
ausdrücklich erwähnt und empfohlen sei hier aber nur eins, nämlich
Warren Beattys nicht gänzlich unproblematische, aber absolut
sehenswerte, finstre Politsatire BULWORTH. Die haben viel
zu viele von Ihnen beim Kinostart mit Missachtung gestraft - das
hat sie keinesfalls verdient, und jetzt heißst's also
nachsitzen! (NEUES ARENA: BULWORTH (OmU), Do./Fr.
22:30) So, schon einen Schritt weiter. Und auch der
nächste fällt noch nicht so schwer. Denn zu der
Science-fiction-Reihe im Werkstattkino haben wir ja letzte Woche
schon so einiges gesagt, was weiter Gültigkeit hat, und dürfen uns
diesmal also beschränken auf: A) Die läuft noch bis zum 20. Januar;
und B) Da ist auch ein Dokumentarfilm dabei, nämlich OUT OF THE PRESENT, in
dem es um den sowjetischen Kosmonauten Krikaljow geht, der 1991 in
die MIR aufbrach, um dann nach 10 Monaten (wesentlich länger als
geplant) in eine völlig veränderte Heimat zurückzukehren. Wie
Polizeihund Vincent sagen würde: Intressaaaant!!!
Ach ja, bevor wir's vergessen: Werkstattkino, Samstag 23:00
Uhr, Pflichttermin. Internationaler Super8-Tag. Nachdem dieses
Ereignis selbst dem SPIEGEL eine ganze Seite wert war, müssen
wir aber wohl nicht viel dazu sagen.
(WERKSTATTKINO: OUT OF THE PRESENT (OmU), Sa.-Di.
21:00; Internationaler Super8-Tag, Sa. 23:00)
Puh, das wäre auch geschafft. Jetzt aber wird's so richtig
kompliziert. Es würde ja vielleicht alles noch ganz gut gehen, wenn
gegen die Tarkowskij-Retrospektive im Maxim das Filmmuseum einfach
brav seine Robert Bresson-Retro spielen würde. Dann könnte man
recht einfach z.B. nach Länder-Präferenzen entscheiden: Wem
Frankreich näher liegt, der oder die kann nach den hymnischen
Nachrufen allüberall selbst nachprüfen, was dran ist am grand père
des französischen Kinos und kann vor oder nach dem Film im
Stadtcafé bei einer Schale Milchkaffee und einer Schachtel Gauloise
darüber diskutieren. Und in wessen Brust eine eher dem Osten
zutendierende Seele beherbergt ist, kann deren (der Seele, nicht
der Brust) NOSTALGHIA
beim Anblick der Werke eines der größten Kino-Söhne von Mütterchen
Russland etwas lindern (oder auch mehren, je nach Geschmack). Und
sich dabei freuen, dass das Maxim wirklich ganze und gute Arbeit zu
leisten scheint mit dieser Retro und auch so selten zu Sehendes wie
Tarkowskijs Diplom-Film DIE WALZE UND DIE GEIGE zeigt. Jetzt hält aber
ausgerechnet das Filmmuseum diese Woche auch noch eine Konferenz ab
zum Thema "Schauspieler und Macht", in der es um Nikolaj
Tscherkasov geht - einen der bedeutendsten Mimen des russischen
Kinos. Und jetzt steh'n Sie da und müssen sich selbst entscheiden.
Weil da gibt's jetzt doch auch einiges wirklich Wichtiges für alle
am sowjetischen Film (oder am Film überhaupt) Interessierte zu
sehen - zum Beispiel im praktischen Dreierpack die großen Despoten-
und Führerfilme über den großen Peter, den schrecklichen Iwan und
den Nevskijs ihren Alexander. (MAXIM: Restrospektive Andrej
Tarkovskij, tgl. 19:00, 21:00;
FILMMUSEUM: Retrospektive Robert Bresson; Genaue Titel und
Zeiten siehe Programm)
Sie sehen, warum wir anfangs gestöhnt haben. Aber es ist dann
doch alles halb so wild. Denn inmitten der verwirrenden Vielfalt,
im Herzen dieses wuchernden Zelluloid-Dschungels (na ja, eigentlich
eher an seinem Eingang...), unter diesem hypertrophen
Angebots-Wildwuchs findet sich dann doch wenigstens EIN fester
Ankerpunkt, ein Termin, der vor allen anderen gilt, eine
Empfehlung, die wir so richtig gradraus und ohne wenn und aber
geben können: Am Drei-Königs-Tag geht's in THREE GODFATHERS. No
doubt about it - besser kann man diesen Tag nicht begehen als mit
John Wayne in der Rolle eines quasi-Heiligen-Drei-Königs im Wilden
Westen in diesem John Ford-Klassiker. Weil's zum Tag passt, aber
auch weil generell gilt: Western sind wichtig. Hugh, ich habe
gesprochen. (FILMMUSEUM: THREE GODFATHERS (OF), Do.
19:00)
Tja, und ausgerechnet dieser Fix- und Ankerpunkt, dieser
Grundstein droht jetzt, einen anderen Monolithen in's Wanken zu
bringen. Denn wir verraten Ihnen ein Geheimnis (aber vorsichtig, so
dass er's nicht merkt...!): Bei diesem letzten Tip stimmt uns der
Herr Oehmann eigentlich voll und ganz zu und würde Sie seiner
selbst auch dorthin schicken. Das kann er freilich jetzt
öffentlich nicht zugeben, auf dass nicht Wirrnis herrsche im Lande
und Heulen und Zähneklappern unter den verstörten Menschen. Nein,
nein, nach Außen hin muss er jetzt wieder in der Brandung
herumfelsen und seine Richtlinienkompetenz pfeilgrad so wie immer
nutzen. Um in dieser wandelhaften Welt ein letztes Quentlein an
tröstender Kontinuität zu stiften. Mit seiner Empfehlung:
"Samstags Fußball, Sonntag Lindenstraße."
Viel Spaß dabei wünscht Ihnen
Die Artechock-Redaktion
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