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Das Mitternachtsprogramm

  06.01.2000
 
 
 
 

Das Fernsehen ist schlecht. Das Fernsehen ist der Feind des Kinos. Über das Fernsehen sollte man an dieser Stelle eigentlich gar nicht reden.
Da aber jeder Kinofilm irgendwann im Fernsehen endet und die Macht und das Geld der Sendeanstalten sowohl die Produktion neuer Filme, als auch die Vorlieben der Kinobesucher beeinflusst, kann man dieses Medium nicht so ohne weiteres ignorieren.

Sucht man im Fernsehen dann nach echten cineastischen Genüssen, so erlebt man eine wahre Flut von Emotionen. Es sind dies Gefühle wie Hass oder Verachtung, Verzweiflung, Trauer bis hin zur Todessehnsucht, denn die Sender halten ein ganzes Arsenal von Folterwerkzeugen bereit, um selbst die wunderbarsten Kinofilme auf das scheinbar gewünschte Niveau eines billigen Fernsehfilms herabzusetzen.
Reden wir heute aber nicht von Werbepausen, Vollbildversionen, Schnitten, unterschlagenen Abspännen, Gewinnspiellaufbändern während des Films oder ähnlichen Abgründen. Nein, reden wir heute schlicht von Programmgestaltung und nehmen zur Veranschaulichung das "Feiertagsmenü", das uns die Öffentlich Rechtlichen und die Privaten seit Weihnachten präsentierten.

Beginnen wir am Heilig Abend und fassen uns erst einmal kollektiv an den Kopf. Sicher, Weihnachten hat viel von seinem ursprünglichen Sinn verloren, besteht nur noch aus Kommerz und in Zeiten des aufgeklärten Menschen glaubt niemand mehr an ein Fest der Liebe. So weit die Theorie. Grassierende Vorweihnachtsdepressionen bei Alleinstehenden, emotionelle Ausbrüche bei ansonsten sehr vernünftigen Menschen und das allgemeine Bedürfnis nach einem besinnlichen (was immer das Wort bedeuten mag) Weihnachten sprechen Jahr für Jahr eine andere Sprache. Was sich die Programmverantwortlichen von Pro 7 dabei gedacht haben, am Hl. Abend CONAN DER BARBAR zu zeigen, entzieht sich darum vollkommen meiner Vorstellungskraft.
Wem Arnold als Schlächter an diesem Tag zu heftig war, der konnte einfach auf Arte wechseln und sich bei LAUREL & HARDY IM WILDEN WESTEN vergnügen. Dieser Sendeplatz verwundert nun aber fast genau so, wie der von CONAN. Da hat man also einen gewaltfreien, sexfreien, schimpfwortfreien und unterhaltsamen Film, der geradezu prädestiniert für ein junges (natürlich auch für ein erwachsenes) Publikum wäre und man verbannt ihn - wie fast alle Filme der Laurel & Hardy Reihe auf Arte - auf einen Platz nach 22.00 Uhr. Dieses Schicksal trifft nicht nur Laurel & Hardy, auch Charlie Chaplins Filme sind kaum mehr vor Mitternacht zu sehen und die Marx Brothers durften am 1.1.2000 erst um 1.00 Uhr Nachts ihre harmlosen Späße im Kaufhaus treiben (etwa eine Stunde nachdem auf einem anderen Sender Linda Blair in DER EXORZIST der Teufel ausgetrieben wurde).

Und schon sind wir beim verwunderlichen, ärgerlichen und unsinnigen Verstecken von Qualitätsfilmen im Nachtprogramm. Da gibt es UHRWERK ORANGE um 0.00 Uhr, DAS HOCHZEITSBANKETT um 1.05 Uhr, BREAKING THE WAVES um 23.35 Uhr, KOYAANISQATSI um 1.15 Uhr usw. usf. Selbst hochgelobte, im Kino erfolgreiche und mit Stars besetzte Erstausstrahlungen wie NACHT ÜBER MANHATTAN oder DER ENGLISCHE PATIENT schaffen es kaum vor 22.00 Uhr auf den Bildschirm und die Frage, warum die ARD den preisgekrönten EISSTURM von Ang Lee erst um 23.35 Uhr zeigte, gehört für mich zu den großen Rätseln des Jahrtausends. Zur gleichen Zeit liefen auf SAT 1 bzw. RTL 2 Filme mit so schillernden Titeln wie PASSION OVERKILL oder HIGH-LIFE KLINIK (Regie Alan Smithee !!!). Sind das die Gewässer, in denen die ARD nach dem interessierten Filmfreund fischt ?

Auf solche Mißstände angesprochen, verteidigen sich die Verantwortlichen gerne damit, dass zu wenig Leute solch anspruchsvolle Filme sehen wollten, um ihnen einen Platz zur Hauptsendezeit geben zu können. Aussagen wie diese erstaunen dann doch, wenn einem der Sender Vox (der bisher kaum durch künstlerischen Altruismus aufgefallen ist) innerhalb einer Woche jeweils um 20.15 Uhr die Filme CARRINGTON, JANE EYRE und ERKLÄRT PEREIRA präsentiert.
Das die Leute zur Hauptsendezeit nicht nur leichte Unterhaltung sehen wollen, haben dabei die Öffentlichen mit einer Serien wie KLEMPERER ganz gut selber bewiesen.

Während bei den Privaten oft genug ein wirtschaftliches oder quotenorientiertes Verhalten als Erklärung für manche Torheit dienen kann, so entzieht sich die Programmeinteilung der Öffentlichen oft genug jedem logischen Denken.
Als etwa Pro 7 nach großen Vorankündigungen um 20.15 Uhr das Remake von SABRINA mit Harrison Ford ausstrahlt, setzt das ZDF einen TV - Zweiteiler mit dem bezeichnenden Titel DER ARABISCHE PRINZ dagegen. Die geistreiche Feiertagskomödie FAMILIENFEST UND ANDERE SCHWIERIGKEITEN von Jodie Foster, die es mit SABRINA hätte aufnehmen können, verwies das ZDF dagegen in aller Stille ins Nachmittagsprogramm um 17.15 Uhr und ließ es damit gegen STARFIRE (Regie Alan Smithee !!!) auf Pro 7 antreten. Verkehrte Welt.

Warum rege ich mich aber über so etwas auf ? Warum programmiere ich nicht einfach meinen Videorecorder und nehme die guten Filme auf, egal ob um 11.00 Uhr oder 3.00 Uhr ?
Nun, mich stört einfach, wie die Fernsehanstalten mit Filmkunstwerken umgehen, wie sie sie als Lückenfüller missbrauchen, wie sie ihnen einen Platz hinter Talkshows, Volksmusikmist und Sportübertragungen zuweisen, wie man es dem Zuschauer unmöglich macht, beim zappen zufällig bei einen Film wie DER EISSTURM hängen zu bleiben und wie einem durch diese schlechten Sendeplätze zwischen den Zeilen gesagt wird: Jeder der so verrückt ist, sich einen solchen Film anzuschauen, wird ihn sich auch um 1.00 Uhr Nachts nicht entgehen lassen.

Das Fernsehen ist schlecht. Das Fernsehen ist der Feind des Kinos. Über das Fernsehen hätte ich an dieser Stelle eigentlich gar nicht reden sollen.

Michael Haberlander

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