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04.11.1999
 
 
   
 

Hofbericht

 
Robert De Niro in der Diskussion mit unserem Redakteur Rüdiger Suchsland, der gerade noch eine Wurscht verdrückt ;-)
     
 
 
 
 


Bratwürste, Fußball, Pickel und der deutsche Film
Ein höchst subjektiver Bericht von den Hofer Filmtagen 1999

Beginnen wir mit den Bratwürsten. Alle zwanzig Meter gibt es auf der Hauptstraße von Hof ein Würschtelpfanderl, oder Ähnliches, und der Besucher der Hofer Filmtage kommt einfach - bitte glaubt es, es geht nicht anders - nicht um einen täglich mehrmaligen Besuch eine dieser Freilichtbratereien herum. Da kauft man dann für lächerliche 2,50 bis 3,10 DM ein derartiges Rostbratprodukt, und glaubt, jetzt hat man sich schnell zwischen zwei Filmen eine Sättigungsbeilage verschafft. Von wegen! Kaum eine halbe Stunde sitzt man im Kino, da knurrt schon wieder der Magen, schrecklicher als zuvor. Kaum draußen stürzt man wieder zur Bude, ißt wieder, so geht es hin und her. Immerhin hat man jetzt verstanden, warum die Leute hier so aussehen, wie sie aussehen.

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Der erste Film war gar nicht untypisch: GANGSTER von Volker Einrauch. Ganz nett denkt man, witzig mitunter, aber nach einer Stunde ist der Film wieder vergessen. Und - mal ganz ehrlich: Einem Amerikaner, Engländer oder Franzosen würde man so etwas nie und nimmer durchgehen lassen. Eine pubertäre Phantasie, die irgendetwas mit Freiheit und Abenteuer zu tun hat, und die der - durchaus nette Regisseur - dann im Gespräch begründet, er wollte etwas zeigen, das sich "jenseits des zivilisierten Lebens" abspielt. Schon klar: Gangsterstories sind immer eine Chiffre, um Wildheit darzustellen. Aber bei den deutschen Gegenwartsfilmen, die ja derzeit zu 87,3 Prozent Gangsterstories erzählen, hat man immer das Gefühl, daß es sich um Fluchtbewegungen handelt. Offenbar gucken deutsche Filmemacher außer den RTL-Movies nur US-Filme, die Realität kennen sie gar nicht. Deswegen können sie von der Realität nichts erzählen, und deswegen sehen ihre Filme auch so aus wie eine Mischung aus (sauschlechten) Amifilmen und RTL. Im Übrigen kann man den Abschied von irgendetwas (z.B. Zivilisiertheit) auch nur darstellen, wenn man dieses Etwas kennt. Natürlich ist das alles jetzt ein bißchen ungerecht gegenüber Volker Einrauch, dessen Film - leider - noch zu den besseren Beispielen gehört. Aber es mußte mal gesagt werden.

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Hof ist ja bekanntlich so eine Art Klassentreffen aller ehemaligen Schüler aller deutschen Filmhochschulen. Ein Familienfest vor allem, aber auch ein Schaulaufen, Schwanzvergleich oder meinetwegen Panorama des deutschen Gegenwartsfilms. Man trifft da alle, viele nette Leute ohne Frage, und tatsächlich geht es sehr familiär zu. Was natürlich einschließt, daß man manche Verwandte gar nicht so gern sieht, ihnen lieber aus dem Weg geht, sich dafür freut, andere zu treffen, oder sogar kennenzulernen. Insofern geht es auch in Hof nicht so sehr um Filme, sondern um das Drumherum.

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Den besten Film wollen wir trotzdem erwähnen. Das war tatsächlich auch einer aus Deutschland, Franziska Buchs VERSCHWINDE VON HIER, bezeichnenderweise ein TV-Movie, der irgendwann zumindest auf Arte laufen wird. Eine einfühlsame Familienstory, gut gespielt und bewegend, mit recht viel Authentizität und endlich mal einem guten Drehbuch. Das beste an dem Film war, daß hier ein Ton beibehalten wurde: nicht dieses immer wieder anzutreffende Hin und Her zwischen Komödie und Ernst, das man so oft findet, und an dem man merkt, daß die Macher ihrem eigenen Film nicht über den Weg trauen. Und auch nicht das oft zu findende Vielzuviel, wo immer wieder noch irgendetwas auf eine an sich vollkommen ausreichende Geschichte draufgepfropft wird.

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"Das ist ein Fußballfestival hier" begrüßt einen Kollege Oehmann am Bratwurststand. Was er damit meint, ist nicht das obligatorische Match zwischen Regisseuren und Franken. Das wird rituell immer am Festivalsamstag ausgetragen, sehr machomäßig, weil hier die deutschen Männer endlich wieder richtige Kerls werden dürfen, und die Männerbünde, die sie sonst immer nur in ihren Filmen zelebrieren, jetzt endlich einmal im wirklichen Leben austragen dürfen. Obwohl das Spiel ja mit wirklichem Leben genaugenommen wenig zu tun hat, denn Frauen dürfen nicht mitspielen. Überraschend daran ist aber nur, dass die sich das Gefallen lassen, und jubelnd am Spielfeldrand stehen.

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Dabei hat hier natürlich niemand was gegen Fußball. Im Gegenteil. Und ohne das erwähnte Hin und Her zwischen Komödie und Ernst wäre FUßBALL IST UNSER LEBEN ein absolutes Highlight der Filmtage geworden. Ein Film über debile Schalke-Fans (obwohl man - Olé hier kommt der BVB!!! - "debil" auch hätte weglassen können) die einen Star entführen, um ihn auf ihre Art auf Vordermann zu bringen. Uwe Ochsenknecht so gut wie lange nicht. Überhaupt wurde er einer der Stars der Filmtage, denn auch in einem weiteren der wenigen sehenswerten deutschen Filme spielte er die Hauptrolle: ERLEUCHTUNG GARANTIERT von Doris Dörrie.

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Ein Fußballfestival ist es, weil in Hof diesmal insgesamt vier Fußballfilme liefen. Für einen von ihnen warben Plakate mit Fußballerweisheiten, zum Beispiel die von Hans Krankl: "Es kommt nicht auf die Form an, sondern auf die Einstellung." Wer dächte da nicht spontan an den deutschen Film?

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Abends, genaugenommen schon am späten Nachmittag fangen dann die Partys an. Bei denen gibt es immer das gleiche Essen, eine Art "Frankenplatte", sprich Fleisch-(vor allem Wurst-)Berge, die auf alle überflüssigen Vitamine und Verdauungshilfen wie Obst und Gemüse verzichten. Nach drei Tagen leidet man dann unter Skorbut, und kann, auch wenn man Fleisch gern mag, und Vegetarier doof findet, das ganze Zeug nicht mehr sehen. Außerdem bekommt man schon nach zwei Tagen Pickel.

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"Was meine Frisur betrifft, da bin ich Realist" soll angeblich Rudi Völler in einem philosophischen Augenblick formuliert haben. Das sagt wahrscheinlich auch Heinz Badewitz von sich, der Festivalleiter und gute Geist der Filmtage, dessen unnachahmliche Ansagen - z.B. für ‚Dom Dickwa' - immer ein Vergnügen sind, genau wie die vorhersehbaren Mikrophon-Pannen bei den Regisseursvorstellungen. Mit seiner Prinz-Eisenherz-Frisur hat er hier in Hof etwas aufgezogen, das sich sehen lassen kann, auch in schwachen Jahrgängen wie dem diesjährigen. Um das zu würdigen, muß man gar nicht einmal Hof kennen.

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Der Hauptsinn der Filmtage sind wie gesagt nicht die Filme. Vielmehr handelt es sich bei nüchterner Betrachtung um ein Meeting der Berliner und der Münchner, auf halbem Weg, sozusagen neutralem Grund. Darum muß auch keiner lästern über die anderen, sondern alle dürfen sich zwischen den vielen Bratwürsten so liebhaben, wie sie sich eigentlich gern das ganze Jahr über liebhätten. Und sind wir nicht eh alle eine große Familie?

Rüdiger Suchsland

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