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20.05.1999
 
 
   
 

Star Wars Nostalgien

 
Damals, '78...
     
 
 
 
 

Endlich! STAR WARS: EPISODE 1 - THE PHANTOM MENACE ist in den USA angelaufen. Und selbstverständlich haben etliche negative Kritiken die Menschenmassen nicht davor abgehalten ihn anzusehen: "den besten Film aller Zeiten - wenn man zehn Jahre alt ist", wie ein amerikanischer Autor es formulierte (eine Presseschau der amerikanischen Rezensionen finden Sie bei Rotten Tomatoes). Für jeden hierzulande, dem ein Flugticket nach USA, England, Trinidad oder Tobago zu teuer ist, heißt es aber weiterwarten und zwar bis zum 19. August. Jedoch sollte man seine Erwartungen wohl nicht zu hoch schrauben, denn eins ist klar: die Naivität, die insbesondere den ersten Teil (also jetzt den vierten) auszeichnete, ist unwiederruflich verloren.

Und da früher sowieso alles besser war, dachten wir, könnte man sich die Zeit des großen Wartens mit ein wenig nostalgischen Gefühlen versüßen. Also, dachten wir, schreiben wir über unsere wunderbaren Erinnerungen an die Zeit der späten Siebziger, in der sich Han Solo mit dem Millenium Falcon zum ersten Mal ins All schwang, um all die anderen immer wieder so richtig aus der Scheiße zu hauen. Aber dann mußte ich plötzlich feststellen, daß ich 1978 mit neun Jahren noch zu jung war, um mir derartig gewalttätige Filme im Kino anzusehen - zumindest war das der Standpunkt meiner Eltern. Also blieb mir in den nächsten Jahren nichts als eine grundsolide Fernsehsozialisation, die vor allem dann stattfand, wenn die alten Herrschaften schliefen. Und erst etliche Jahre später machte ich per Video mit dem Krieg der Sterne Bekanntschaft, was - durch das Medium bedingt - leider keinen so starken emotionalen Eindruck hinterließ, daß man sich in Nostalgie suhlen könnte. Also beim besten Willen nicht.

Aber Herr Willmann kann Ihnen dazu noch einiges mehr erzählen.
Max Herrmann

Auf die Gefahr hin, mal wieder als griesgrämiger Kulturpessimist dazustehen: Aber meine Vorfreude auf STAR WARS: EPISODE I - THE PHANTOM MENACE hält sich in Grenzen. Es gab vor ein paar Wochen einen Moment, da hatte ich beschlossen, mich bedingungslos auf das Ereignis zu freuen, wieder aufgeregt zu sein wie ein Kind zwei Wochen vor Weihnachten, dem Film mit glänzenden Augen entgegenzufiebern. Das habe ich nicht lange durchgehalten.
Klar würde ich mich maßlos freuen, wenn der neue STAR WARS mir das bedeuten könnte, was die alten dereinst waren. But you can't go home again. Zu skeptisch und distanziert macht mich ein Blick auf die generalstabsmäßig geplante Werbekampagne, zu sehr kalkuliert sehen schon die ersten Ausschnitte aus: Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß da wohl der Film den Videospielen zum Film mit vorauseilendem Gehorsam davonprescht.
Ähnlich ging's mir schon unlängst, als die Special-Editions der Episoden 4 - 6 in die Kinos kamen. Den plastikhaften RETURN OF THE JEDI kann ich heute nur noch schwer ertragen; die ersten beiden Teile funktionieren noch, aber vielleicht nur aus Nostalgie und nur mit etwas Verdrängungsarbeit. Ich muß vergessen, daß ich im Finale von STAR WARS bewußte Leni Riefenstahl-Zitate erkenne, daß die Raumschlachten von Luftkämpfen des Zweiten Weltkriegs kopiert sind, daß da jemand einen Mythen-Eintopf aus Zutaten aus dem Multi-Kulti-Selbstbedienungssupermarkt zusammenbraut, mit Hilfe von etwas Joseph Campbell. Und dieser Held! Wie ich Mark Hammill als Luke Skywalker jemals bewundern konnte, ist mir jedesmal wieder ein Rätsel, wenn ich den weinerlichen Hanswurst mit penetrantem Trotz sagen höre: "But I just wanted to go to Tashi Station to pick up some power-converters..."

Wie anders war das noch vor zwanzig Jahren: In einer Zeitschrift hatte ich erste Bilder aus STAR WARS gesehen (oder besser: KRIEG DER STERNE - das mit den Originaltiteln fing später an), ich erinnere mich noch sehr genau an C-3PO und R2-D2 in der Wüste. Und ich wußte sofort eines: Diesen Film mußte ich sehen. Damals hat's ja noch immer sehr lange gedauert, bis amerikanische Filme den Weg in deutsche Kinos gefunden haben, Dezember 1978 ist er erst bei uns gestartet. Lange genug Zeit, die Helden des Films schon als Plastikfiguren im Spielwarengeschäft zu bestaunen - und bald auch alle zu kaufen. Zeit, den Roman zum Film zu lesen, mehrfach. Zeit, das Album mit den Sammelbildchen vollzukriegen (die letzten paar Bilder mußte man immer bestellen, die waren in den Tütchen einfach nicht zu finden, während man andere schon zehnfach hatte - wer erinnert sich?). Zeit, die Sammelbilder abzumalen, mit Bleistift und mit Tusche und Wasserfarben. Ich hatte den Film in meinem Kopf schon etliche Male in meiner eigenen Version ablaufen lassen, bevor ich ihn wirklich gesehen habe.
Aber das war auch so eine Sache: Ich war zehn, der Film war freigegeben ab zwölf. Und das war damals wirklich noch ein Thema. Wochenlang habe ich an meine Eltern hingearbeitet, habe jene Klassenkameraden, die das Glück hatten, ihn schon sehen zu dürfen, über jedes Detail befragt, habe halbe Aufstände daheim inszeniert, war in schwersten Seelennöten bei der Vorstellung, vielleicht tatsächlich nicht in KRIEG DER STERNE zu dürfen! Irgendwann war's dann soweit, aus den großen Kinos war der Film da schon draußen. Im alten Atlantis-Kino war's, wo mich meine Mutter dann endlich eines wunderbaren Nachmittags hineinbegleitete. (Ich bin nicht sicher - die Erinnerung, die man nur mit einer rekonstruierten Chronologie in eine sichere zeitliche Reihenfolge zwingen kann, ist da oft trügerisch: Aber es könnte sein, daß es der letzte Film war, den ich mit ihr gesehen habe, bevor sie gestorben ist.) Bei den ganz gruseligen Szenen - dem abgehackten Arm in der Bar auf Tatooine, der schwarzen, schwebenden Kugel mit den Folterwerkzeugen, die sich Prinzessin Leia nähert - hat meine Mutter mir die Augen zugehalten. Aber sonst habe ich jedes Bild geradezu aufgesogen - Kino war noch pure Magie, und nie zuvor hatte ich etwas Magischeres gesehen als dieses galaktische Märchen, das noch viel toller war, als meine Einbildung es sich zusammenfantasiert hatte (oder daß sich meine Einbildung vielleicht beim Sehen viel toller zusammenfantasierte, als es war).
Die Begeisterung hielt Jahre an. Bei jeder Wiederaufführung habe ich den Film wieder ein paarmal gesehen (und habe mich natürlich auch maßlos über die Schnitte in der FSK ab 6-Fassung geärgert - wie kam so eine blöde Filmbewertungsstelle dazu, mir jetzt, wo ich über zwölf war, gleichsam immer noch die Augen zuzuhalten!), später dem zweiten und dritten Teil wieder ähnlich entgegengefiebert - und sie dann gleich in der ersten Woche gesehen (Was für ein Schock das Ende von DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK! Wie erschütternd die Enthüllungen in RETURN OF THE JEDI!), die Soundtracks gehört, mich für die Special-Effects interessiert, die Triple-Features im Cinema regelmäßig wie Gottesdienste besucht. Nur einmal hat mich der Film enttäuscht - als ich ihn das erste (und letzte!) Mal auf Video angeschaut habe - in dem kleinen Fernsehkasten konnte sich das mythische Universum einfach nicht gebührend entfalten.

But the times, they're a-changing. Ich kann, wie gesagt, zumindest die ersten zwei STAR WARS-Teile noch immer recht gut genießen, und ich kann anerkennen, was George Lucas mit seiner Vision (und seinem genialen Gespür für Marketing) für das Kino der letzten zwanzig Jahre Grundlegendes geleistet hat - zum Guten wie zum Bösen. Aber es sind, bei aller Nostalgie, die mich bei den ersten Fanfarenklängen und den Worten "A long time ago, in a galaxy far away..." überkommt, nur Filme unter zahllosen anderen. Heute gefällt mir THX-1138 um einiges besser, und die Dinge, die mich im Kino wirklich berühren, sind ganz andere.
Die Welt ist keine schlechtere geworden, in den vergangenen zwei Jahrzehnten, sie ist höchstens schlecht geblieben - die verlorene Unschuld, der wir nostalgisch nachtrauern, war immer nur ein kindlicher Zustand des Nichts-Wissens von der Verdorbenheit, die schon immer auch die eigene war. Es ist ein angenehmer Zustand, einer, der frei von Verantwortung ist.
Aber da ist auch das Problem. Jetzt, beim Schreiben, fällt mir wieder ein, daß ich den Roman zum ersten KRIEG DER STERNE-Film einmal im Jugoslawien-Urlaub gelesen habe. Eine der prägenden Institution der '60er und '70er-Jahre: Im Sommer fuhren deutsche Familien nach Jugoslawien, in die Landschaft der Winnetou-Filme. Auch so ein Stück verlorene Kindheit, auch so eine Filmmusik, bei der mich die Wehmut überfällt. Heute, wenn man die serbischen und kroatischen Statisten sieht, die sich in den Karl May-Leinwand-Epen mit Indianerperücken auf dem Kopf und Schminke im Gesicht gegenseitig auf dem Kriegspfad bekämpfen, packt einem nur das blanke Gruseln. Und ehrlich gesagt dämpfen die stets präsenten Nachrichten-Bilder vom NATO-Bombardement im Ex-Jugoslawien derzeit meine Begeisterungsfähigkeit für heroische Raumkämpfe im High-Tech-Gewand ganz gehörig.
So traurig ich einerseits sein kann, daß mir heutzutage die Naivität fehlt, mich einfach an der simpel gestrickten Helden-Story zu erfreuen, ohne solche Dinge mitdenken zu müssen - so froh bin ich andererseits darüber, mich bewußter auseinandersetzen zu können mit Filmen, mit der Welt. Es ist anstrengender, gewiß, und bringt einem manchmal um den ein oder anderen Genuß. Aber es ist auch Übernahme von Verantwortung, mit der man sich ein Stück Freiheit erkauft.
Wenn STAR WARS: EPISODE I - THE PHANTOM MENACE tatsächlich so überzeugend ausfallen sollte, daß ich mich für zwei Stunden in ein staunendes Kind zurückverwandeln kann, dann werde ich mir diese Option gerne offenhalten. Aber ich finde es schön zu wissen, daß mir auch andere Möglichkeiten der Reaktion zur Verfügung stehen werden.

Thomas Willmann

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