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Endlich! STAR WARS: EPISODE 1 - THE PHANTOM MENACE ist in den USA
angelaufen. Und selbstverständlich haben etliche negative Kritiken
die Menschenmassen nicht davor abgehalten ihn anzusehen: "den
besten Film aller Zeiten - wenn man zehn Jahre alt ist", wie ein
amerikanischer Autor es formulierte (eine Presseschau der
amerikanischen Rezensionen finden Sie bei Rotten
Tomatoes). Für jeden hierzulande, dem ein Flugticket nach USA,
England, Trinidad oder Tobago zu teuer ist, heißt es aber
weiterwarten und zwar bis zum 19. August. Jedoch sollte man seine
Erwartungen wohl nicht zu hoch schrauben, denn eins ist klar: die
Naivität, die insbesondere den ersten Teil (also jetzt den vierten)
auszeichnete, ist unwiederruflich verloren.
Und da früher sowieso alles besser war, dachten wir, könnte man
sich die Zeit des großen Wartens mit ein wenig nostalgischen
Gefühlen versüßen. Also, dachten wir, schreiben wir über unsere
wunderbaren Erinnerungen an die Zeit der späten Siebziger, in der
sich Han Solo mit dem Millenium Falcon zum ersten Mal ins All
schwang, um all die anderen immer wieder so richtig aus der Scheiße
zu hauen. Aber dann mußte ich plötzlich feststellen, daß ich 1978
mit neun Jahren noch zu jung war, um mir derartig gewalttätige
Filme im Kino anzusehen - zumindest war das der Standpunkt meiner
Eltern. Also blieb mir in den nächsten Jahren nichts als eine
grundsolide Fernsehsozialisation, die vor allem dann stattfand,
wenn die alten Herrschaften schliefen. Und erst etliche Jahre
später machte ich per Video mit dem Krieg der Sterne Bekanntschaft,
was - durch das Medium bedingt - leider keinen so starken
emotionalen Eindruck hinterließ, daß man sich in Nostalgie suhlen
könnte. Also beim besten Willen nicht.
Aber Herr Willmann kann Ihnen dazu noch einiges mehr
erzählen.
Max Herrmann
Auf die Gefahr hin, mal wieder als griesgrämiger Kulturpessimist
dazustehen: Aber meine Vorfreude auf STAR WARS: EPISODE I - THE
PHANTOM MENACE hält sich in Grenzen. Es gab vor ein paar Wochen
einen Moment, da hatte ich beschlossen, mich bedingungslos auf das
Ereignis zu freuen, wieder aufgeregt zu sein wie ein Kind zwei
Wochen vor Weihnachten, dem Film mit glänzenden Augen
entgegenzufiebern. Das habe ich nicht lange durchgehalten. Klar
würde ich mich maßlos freuen, wenn der neue STAR WARS mir das
bedeuten könnte, was die alten dereinst waren. But you can't go
home again. Zu skeptisch und distanziert macht mich ein Blick auf
die generalstabsmäßig geplante Werbekampagne, zu sehr kalkuliert
sehen schon die ersten Ausschnitte aus: Ich kann mich des Eindrucks
nicht erwehren, daß da wohl der Film den Videospielen zum Film mit
vorauseilendem Gehorsam davonprescht. Ähnlich ging's mir schon
unlängst, als die Special-Editions der Episoden 4 - 6 in die Kinos
kamen. Den plastikhaften RETURN OF THE JEDI kann ich heute nur noch
schwer ertragen; die ersten beiden Teile funktionieren noch, aber
vielleicht nur aus Nostalgie und nur mit etwas Verdrängungsarbeit.
Ich muß vergessen, daß ich im Finale von STAR WARS bewußte Leni
Riefenstahl-Zitate erkenne, daß die Raumschlachten von Luftkämpfen
des Zweiten Weltkriegs kopiert sind, daß da jemand einen
Mythen-Eintopf aus Zutaten aus dem
Multi-Kulti-Selbstbedienungssupermarkt zusammenbraut, mit Hilfe von
etwas Joseph Campbell. Und dieser Held! Wie ich Mark Hammill als
Luke Skywalker jemals bewundern konnte, ist mir jedesmal wieder ein
Rätsel, wenn ich den weinerlichen Hanswurst mit penetrantem Trotz
sagen höre: "But I just wanted to go to Tashi Station to pick up
some power-converters..."
Wie anders war das noch vor zwanzig Jahren: In einer Zeitschrift
hatte ich erste Bilder aus STAR WARS gesehen (oder besser: KRIEG
DER STERNE - das mit den Originaltiteln fing später an), ich
erinnere mich noch sehr genau an C-3PO und R2-D2 in der Wüste. Und
ich wußte sofort eines: Diesen Film mußte ich sehen. Damals hat's
ja noch immer sehr lange gedauert, bis amerikanische Filme den Weg
in deutsche Kinos gefunden haben, Dezember 1978 ist er erst bei uns
gestartet. Lange genug Zeit, die Helden des Films schon als
Plastikfiguren im Spielwarengeschäft zu bestaunen - und bald auch
alle zu kaufen. Zeit, den Roman zum Film zu lesen, mehrfach. Zeit,
das Album mit den Sammelbildchen vollzukriegen (die letzten paar
Bilder mußte man immer bestellen, die waren in den Tütchen einfach
nicht zu finden, während man andere schon zehnfach hatte - wer
erinnert sich?). Zeit, die Sammelbilder abzumalen, mit Bleistift
und mit Tusche und Wasserfarben. Ich hatte den Film in meinem Kopf
schon etliche Male in meiner eigenen Version ablaufen lassen, bevor
ich ihn wirklich gesehen habe. Aber das war auch so eine Sache:
Ich war zehn, der Film war freigegeben ab zwölf. Und das war damals
wirklich noch ein Thema. Wochenlang habe ich an meine Eltern
hingearbeitet, habe jene Klassenkameraden, die das Glück hatten,
ihn schon sehen zu dürfen, über jedes Detail befragt, habe halbe
Aufstände daheim inszeniert, war in schwersten Seelennöten bei der
Vorstellung, vielleicht tatsächlich nicht in KRIEG DER STERNE zu
dürfen! Irgendwann war's dann soweit, aus den großen Kinos war der
Film da schon draußen. Im alten Atlantis-Kino war's, wo mich meine
Mutter dann endlich eines wunderbaren Nachmittags hineinbegleitete.
(Ich bin nicht sicher - die Erinnerung, die man nur mit einer
rekonstruierten Chronologie in eine sichere zeitliche Reihenfolge
zwingen kann, ist da oft trügerisch: Aber es könnte sein, daß es
der letzte Film war, den ich mit ihr gesehen habe, bevor sie
gestorben ist.) Bei den ganz gruseligen Szenen - dem abgehackten
Arm in der Bar auf Tatooine, der schwarzen, schwebenden Kugel mit
den Folterwerkzeugen, die sich Prinzessin Leia nähert - hat meine
Mutter mir die Augen zugehalten. Aber sonst habe ich jedes Bild
geradezu aufgesogen - Kino war noch pure Magie, und nie zuvor hatte
ich etwas Magischeres gesehen als dieses galaktische Märchen, das
noch viel toller war, als meine Einbildung es sich
zusammenfantasiert hatte (oder daß sich meine Einbildung vielleicht
beim Sehen viel toller zusammenfantasierte, als es war). Die
Begeisterung hielt Jahre an. Bei jeder Wiederaufführung habe ich
den Film wieder ein paarmal gesehen (und habe mich natürlich auch
maßlos über die Schnitte in der FSK ab 6-Fassung geärgert - wie kam
so eine blöde Filmbewertungsstelle dazu, mir jetzt, wo ich über
zwölf war, gleichsam immer noch die Augen zuzuhalten!), später dem
zweiten und dritten Teil wieder ähnlich entgegengefiebert - und sie
dann gleich in der ersten Woche gesehen (Was für ein Schock das
Ende von DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK! Wie erschütternd die
Enthüllungen in RETURN OF THE JEDI!), die Soundtracks gehört, mich
für die Special-Effects interessiert, die Triple-Features im Cinema
regelmäßig wie Gottesdienste besucht. Nur einmal hat mich der Film
enttäuscht - als ich ihn das erste (und letzte!) Mal auf Video
angeschaut habe - in dem kleinen Fernsehkasten konnte sich das
mythische Universum einfach nicht gebührend entfalten.
But the times, they're a-changing. Ich kann, wie gesagt,
zumindest die ersten zwei STAR WARS-Teile noch immer recht
gut genießen, und ich kann anerkennen, was George Lucas mit
seiner Vision (und seinem genialen Gespür für Marketing) für
das Kino der letzten zwanzig Jahre Grundlegendes geleistet
hat - zum Guten wie zum Bösen. Aber es sind, bei aller Nostalgie,
die mich bei den ersten Fanfarenklängen und den Worten "A
long time ago, in a galaxy far away..." überkommt, nur Filme
unter zahllosen anderen. Heute gefällt mir THX-1138 um einiges
besser, und die Dinge, die mich im Kino wirklich berühren,
sind ganz andere.
Die Welt ist keine schlechtere geworden, in den vergangenen
zwei Jahrzehnten, sie ist höchstens schlecht geblieben - die
verlorene Unschuld, der wir nostalgisch nachtrauern, war immer
nur ein kindlicher Zustand des Nichts-Wissens von der Verdorbenheit,
die schon immer auch die eigene war. Es ist ein angenehmer
Zustand, einer, der frei von Verantwortung ist.
Aber da ist auch das Problem. Jetzt, beim Schreiben, fällt
mir wieder ein, daß ich den Roman zum ersten KRIEG DER STERNE-Film
einmal im Jugoslawien-Urlaub gelesen habe. Eine der prägenden
Institution der '60er und '70er-Jahre: Im Sommer fuhren deutsche
Familien nach Jugoslawien, in die Landschaft der Winnetou-Filme.
Auch so ein Stück verlorene Kindheit, auch so eine Filmmusik,
bei der mich die Wehmut überfällt. Heute, wenn man die serbischen
und kroatischen Statisten sieht, die sich in den Karl May-Leinwand-Epen
mit Indianerperücken auf dem Kopf und Schminke im Gesicht
gegenseitig auf dem Kriegspfad bekämpfen, packt einem nur
das blanke Gruseln. Und ehrlich gesagt dämpfen die stets präsenten
Nachrichten-Bilder vom NATO-Bombardement im Ex-Jugoslawien
derzeit meine Begeisterungsfähigkeit für heroische Raumkämpfe
im High-Tech-Gewand ganz gehörig.
So traurig ich einerseits sein kann, daß mir heutzutage die
Naivität fehlt, mich einfach an der simpel gestrickten Helden-Story
zu erfreuen, ohne solche Dinge mitdenken zu müssen - so froh
bin ich andererseits darüber, mich bewußter auseinandersetzen
zu können mit Filmen, mit der Welt. Es ist anstrengender,
gewiß, und bringt einem manchmal um den ein oder anderen Genuß.
Aber es ist auch Übernahme von Verantwortung, mit der man
sich ein Stück Freiheit erkauft.
Wenn STAR WARS: EPISODE I - THE PHANTOM MENACE tatsächlich
so überzeugend ausfallen sollte, daß ich mich für zwei Stunden
in ein staunendes Kind zurückverwandeln kann, dann werde ich
mir diese Option gerne offenhalten. Aber ich finde es schön
zu wissen, daß mir auch andere Möglichkeiten der Reaktion
zur Verfügung stehen werden.
Thomas Willmann
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