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18.02.1999
 
 
   
 

Audienz bei Harvey

 
Mr. Keitel
     
 
 
 
 

Notizen von der Berlinale, Zwischenbericht: 18.2.99

Allein schon sein federleichter Gang läßt Harvey Keitel 10 Jahre jünger erscheinen, als er ist. Die Lederjacke und der Schnurrbart tun ein Übriges, um den fast Sechzigjährigen auf der diesjährigen Berlinale wie ein großen Jungen wirken zu lassen. Und wenn sich Keitel nach wenigen Minuten in kurzen, ruppigen Bewegungen die Kravatte vom Hemd reißt, glaubt man nie an eine jener Posen mit denen manche Schauspieler sich interessant machen.

Das hätte Keitel auch nicht nötig. "Mich interessieren persönliche, tief empfundene Geschichten. Es ist wichtig, so etwas im Kino zu schildern" erzählt Keitel, der seit Jahren zu den Top-Schauspielern des US-Films gehört. Jetzt spielt er eine Hauptrolle in THREE SEASONS, mit dem er auch am Montag im diesjährigen Wettbewerb um den "Goldenen Bären" vertreten war. Der von Tony Bui inszenierte Film ist ein Paukenschlag. Das liegt nicht primär an Stil und Inhalt (in einem anekdotischen Reigen wird das Schicksal von fünf Menschen im ehemaligen Saigon erzählt; Keitel spielt einen GI-Veteran auf der Suche nach seiner Tochter), sondern daran, daß es ihn überhaupt gibt. Als erster amerikanischer Film, der je im Land de ehemaligen Kriegsgegners Vietnam gedreht wurde, war ihm breite Aufmerksamkeit von Anfang an sicher, und der 25jährige Regisseur konnte gleich die beiden wichtigsten Preise beim Independent-Festival von Sundance einheimsen.

Harvey Keitel spielt nicht nur in THREE SEASONS, er hat ihn auch mitproduziert, und dadurch überhaupt möglich gemacht. Immer wieder fördert Keitel solche riskanten Produktionen unbekannter Talente. Schon mit Quentin Tarantinos erstem Film RESERVOIR DOGS bewies Keitel dabei sein ausgezeichnetes Gespür. "Auf jedem Level gibt es Talent. Und wir haben die Verpflichtung, es zu fördern." Der Vollblutschauspieler erinnert sich daran, daß auch er es lange Zeit schwer hatte, und erst Anfang der 90er Jahre der wirkliche Durchbruch gelang: "Warum sind wir hier und bemühen uns? Es wird oft vergessen, welche Vielfalt sich in der Independent-Welt finden läßt. Wir wollen diesen persönlichen Storys dabei helfen, daß sie gemacht werden." Stoisch lauernd streift Keitels Blick durch die Reihen der Journalisten, aufmerksam prüft er, ob die Botschaft angekommen ist. Noch ein kurzes Nicken zu dem spanischen Kollegen, dessen "dumme Frage" er eben mit einem "Sie setzen sich jetzt besser wieder und sind still." zurückgewiesen hatte, ein Lächeln mit zugekniffenem Mund dann steht er plötzlich auf und geht: "Good bye fellows !"

Rüdiger Suchsland

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