Notizen von der
Berlinale, 2.Folge: 17.2.99
Eröffnungsempfang am Mittwochabend letzter Woche: Die beiden
Katjas, von Garnier und Riemann kommen gemeinsam, Arm in Arm, wie
Freundinnen eben. Susanne findet auch, daß beide ganz gut
zusammenpassen. Ob das aber als Kompliment gemeint ist ? Ich freue
mich zumindest, daß Jasmin Tabatabai und Heike Makatsch hier
nirgendwo gesehen werden. Das ist als Kompliment gemeint.
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Ghandi, äh Ben Kingsley ist auch wieder da. Letztes Jahr war er
Jurypräsident. Diesmal geht er zwar nicht einfach Filme angucken,
in Berlin ist er aber trotzdem, weil am Eröffnungsabend der
Berlinale auch die Shoah-Foundation ein Gala-Event abhielt. Und
weil Kingsley in "Schindlers List" mitgespielt hat, darf er
natürlich nicht fehlen.
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Gefehlt hat gottseidank dafür Peter Maffay. Der spielte
stattdessen bei der Shoah-Foundation israelische Lieder und
afrikanische Musik, vielleicht auch umgekehrt. Nur für
Schröder war es kein so gemütlicher Abend. Das hat aber jetzt
wirklich nichts mit der Hessenwahl zu tun, sondern nur damit, daß
er ja als Kanzler natürlich auf beiden Partys sein mußte. Da galt
es –hopphopp, schnellschnell- ins Auto zu steigen, und sich rüber
zum Gendarmenmarkt fahren zu lassen. Ganz schön stressig in
Berlin.
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"Is the Game over ?" – der letzte Satz in David Cronenbergs
bizarrem Biotech-Drama "eXistenZ" provozierte Fragen auf der
Pressekonferenz: "Is the Game over ?" fragt eine Journalistin –
"The Game is definitely not over" antwortet Cronenberg. Was soll er
auch sonst sagen ?
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Kurz vor dem nächsten Film auf jenem Ort, wohin auch Jurymitglied
Karasek zu Fuß geht: Da kommen sie einem entgegen, die Stoffel von
den Münchner Pressevorführungen, die einen genau kennen, aber auch
dann noch übersehen, wenn man sich Aug' in Aug' gegenübersteht. Na
gut: Auf der Toilette. Es gibt Betriebe, die die Vorschrift
eingeführt haben, daß man sich auf der Toilette nicht die Hand
geben darf. Zumindest hat Horst Karasek das in seinem
SPIEGEL-Schlüsselroman "Das Magazin" über selbiges behauptet.
Plötzlich geht die Tür auf, und da kommt er hinein. Und
tatsächlich: Keine Hand wird uns entgegengestreckt. Hätte er aber
auch woanders nicht getan.
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Das Schönste an der Berlinale ist, daß man hier immer irgendetwas
Neues über fremde Völker lernt, und am Ende so ganz nebenbei ein
Semester Ethnologie für den Rest des Jahres mit auf den Weg
bekommt. Zum Beispiel die Erkenntnis der französischen Kollegin
Jacqueline auf der Pressekonferenz zu "Three Seasons": "Die
Vietnamesen brauchen immer ganz lange, um ganz wenig zu sagen."
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Ethnologie II.: "Schwedisch ist, glaube ich eine Mischung aus
Dänisch und Holländisch." Meinte jedenfalls ein unbekannter
Zuschauer vor dem schwedischen Film "Fucking Amal", einem der
allerbesten Beiträge bisher. Warum, dazu demnächst mehr.
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Ethnologie III.: "Gegen griechische Kurzfilme sind tiebetanische
Experimentalfilme Mainstream-Kino", meint zumindest Richard
Oehmann. Die Frage, was er eigentlich in griechischen Kurzfilmen zu
suchen hat, vergaßen wir vor lauter Schreck zu stellen.
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Das Timing saß: Pünktlich zur Aufführung des türkischen
Wettbewerbsbetrages am Dienstag entführte die Türkei den
Kurdenführer Öcalan. Schon vor 9 war daraufhin der Wittenbergplatz
gesperrt, und man kam nur auf Umwegen ins Zoo-Kino zur
Pressevorführung. Auch dort Polizei. Ausweiskontrollen, das
Übliche. Der Film war langatmig und sehr prokurdisch, dürfte also
in der Türkei wahrscheinlich nie aufgeführt werden. Und vielleicht
bekommt er jetzt nur deswegen irgendeinen Preis, weil die Jury
meint, sie müsse ein politisches Statement abgeben. Jede
Preisvergabe wird jetzt so gesehen werden, auch wo sie künstlerisch
gemeint ist. Und wenn "Reise zur Sonne" leer ausgeht, wird man das
ebenfalls politisch betrachten.
(Fortsetzung folgt) Rüdiger Suchsland
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