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Früher war es besser, weil anders. WIR KÖNNEN AUCH ANDERS war
1994 einer der ganz seltenen Lichtblicke der neuen deutschen
Komödie, mit anderen Worten: er war tatsächlich eine Komödie, und
zwar eine hervorragende. Dabei schien sich der Titel nicht nur auf
die fürchterliche Drohung Joachim Króls alias Kipp zu beziehen,
sondern eben auch auf die deutsche Filmproduktion, die in den
letzten Jahren immer wieder sehr erfolgreiche, aber ganz und gar
unwitzige Filme in die Kinos brachte. Also schien es, daß es da
mit Detlef Buck einen gab, der es anders machen wollte und konnte,
zumal seine ersten beiden Filme ERST DIE ARBEIT UND DANN!? und
KARNIGGELS von der gleichen lakonischen Haltung des Regisseurs
zeugten, wenn sie auch noch nicht die erzählerische Eleganz und
das Timing ihres Nachfolgers besaßen. Es ging in den Filmen immer
um widerspenstige Außenseiter: einmal war es ein Landwirt, dann
ein Landpolizist und schließlich zwei einfältige Dorfdeppen. Dabei
wurden diese tragikomischen Helden aber nie der Lächerlichkeit
preisgegeben, sondern von Buck mit einer spürbaren Wärme
inszeniert.
Dann kam MÄNNERPENSION und gewisse Zweifel begannen sich
einzustellen. Mit deutlich größerem Budget wurde wieder von
Außenseitern erzählt; diesmal waren es zwei Knackis, die auf gar
wunderliche Weise Hafturlaub bekamen. Jedoch konnte man mit den
beiden nicht wirklich fühlen, zu oberflächlich waren die
Charaktere gezeichnet. Buck gibt zwar selbst eine schön trockene
Vorstellung als Sträfling, jedoch ist die Erzählhaltung des
Regisseurs Buck alles andere als trocken; die aufgebretzelten
Bilder, gut geeignet für einen Werbespot, scheinen vielmehr immer
sagen zu wollen: da schaut her, jetzt kommt wieder ein
„Super-Hammer-Witz“ - und dann sieht man Jenny Elvers (oder war es
eine andere blonde Dame?) wie sie ihr Röckchen lüftet und uns, wie
den grölenden Häftlingen, ihre Muschi präsentiert. Nichts gegen
die Darstellung primärer Geschlechtsmerkmale, auch nichts gegen
sexistische Witze, das aber war eine Altmännerzote schlimmsten
Kalibers, und es war nicht die einzige im Film. Von der gleichen
Witzgüte war auch die Ankündigung des Films, in der klar wurde,
daß Buck jetzt nicht mehr Detlef heißt, sondern D.W. - ja genau,
wie der alte Meister D.W. Griffith. Allerdings war der Film ein
finanzieller Erfolg, der größte den die Produzenten Boje/Buck
bisher hatten und man wird dem ewigen Kritisierer wieder sein Tun
vorwerfen, mit dem Verweis auf die Massen, die den Film gemocht
haben. Aber haben sie das wirklich, und wenn ja, wirft das nicht
ein denkbar schlechtes Licht auf diese Massen?
Nun gut, es ist Weihnachten 1998 und der neue Buck LIEBE DEINE
NÄCHSTE kommt in die Kinos. In der Hoffnung, Buck wieder in alter
Form zu erleben, sollte man sich den Film allerdings nicht
ansehen, denn man wird enttäuscht werden. Bereits der Titel,
dieses schülerhafte Wortspiel mit dem Gebot der Nächstenliebe,
verrät viel von der Art des Humors, die der Film zu Markte trägt.
Die Geschichte handelt wieder von Außenseitern, diesmal sind es
weltfremde Idealisten und alles beginnt mit einer eigentlich
schönen Ausgangssituation: Josephine und Isolde (Lea Mornar und
Heike Makatsch), zwei junge Damen der Heilsarmee, sollen in Berlin
einen heruntergekommenen Posten ihres Vereins wieder auf den
rechten Weg bringen. Parallel dazu hat der durch und durch kalte
Unternehmenssanierer Tristan Müller (Moritz Bleibtreu) den
Auftrag, eine ineffiziente Firma zu „verschlanken“; die
Heilsarmistinnen und das Yuppie-Arschloch haben also die gleiche
Mission: marode Organisationen wieder zum Funktionieren zu bringen
- die einen tun dies im Namen Gottes, der andere im Namen des
Geldes. Das ganze ergäbe im konventionellen Sinne noch keine
Geschichte, wenn sie nicht immer wieder aufeinandertreffen würden,
und bald wird klar, daß Engelchen Josephine vom teuflischen Müller
in Versuchung geführt wird. Hier klingt das NINOTSCHKA-Motiv an,
auf das sich Buck bezieht: die Kostverächterin soll vom süßen,
sündigen Leben überzeugt werden, koste es was es wolle. Die Wege
bis zum Ziel nehmen dann jedoch sehr verschlungene Pfade an, die
sich auch nicht immer an einen klar nachvollziehbaren
Spannungsbogen halten und selten witzig sind. Ein Prachtexemplar
von Chauvinistenzote befindet sich auch wieder darunter: Isolde,
das besonders verklemmte, ein wenig hysterisches Exemplar der
Gattung Heilsarmee-Weibchen, wird im besinnungslosen Zustand des
Vollrauschs einmal so richtig von einem Penner durchgevögelt - und
siehe da, am nächsten Morgen ist sie wie ausgewechselt; fröhlich
und ausgeglichen verrichtet sie nun ihr Tagwerk. Poppen für eine
bessere Welt ist sicherlich O.K., aber die Art des Vortrags
erreicht nicht einmal Stammtischniveau und dann hilft es auch
nicht mehr, sich auf die Vorlage „Die Marquise von O.“ von Kleist
zu berufen, wie Buck es in einem Interview getan hat, um die
hochkulturelle Absolution erteilt zu bekommen.
Letztendlich hat LIEBE DEINE NÄCHSTE die gleichen Probleme wie
MÄNNERPENSION, sie sind nur noch etwas schlimmer geworden. Man hat
den Eindruck Buck hätte sich zum Ziel gesetzt, schlechte
Männerwitze mit möglichst viel ästhetischem Aufwand auf die
Leinwand zu bringen. Die Hochglanzbilder erzeugen eine
unangenehme, seelenlose Distanz zu den als liebenswürdig
verschroben angelegten Charakteren, und mit den Verweisen auf
Griffith, Lubitsch oder Kleist schafft Buck eine enorme Fallhöhe
zu seinen letzten Werken, aber keine Fallhöhe mit der man Witze
erzeugen kann, sondern nur auf die Schnauze fällt. Doch möchte man
nicht den Glauben verlieren, daß Buck ein guter Filmemacher ist.
Vielmehr möchte man hoffen, daß er nur zwei schlechte Filme
gedreht hat und als nächstes wieder einen richtig guten machen
wird, einen mit viel Selbstironie.
Hoffentlich.
Frohe Weihnachten!
Max Herrmann
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