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24.12.1998
 
 
   
 

Where Do We Go Now, D.W.?

 
Lea Mornar und Moritz Bleibtreu
     
 
 
 
 

Früher war es besser, weil anders. WIR KÖNNEN AUCH ANDERS war 1994 einer der ganz seltenen Lichtblicke der neuen deutschen Komödie, mit anderen Worten: er war tatsächlich eine Komödie, und zwar eine hervorragende. Dabei schien sich der Titel nicht nur auf die fürchterliche Drohung Joachim Króls alias Kipp zu beziehen, sondern eben auch auf die deutsche Filmproduktion, die in den letzten Jahren immer wieder sehr erfolgreiche, aber ganz und gar unwitzige Filme in die Kinos brachte. Also schien es, daß es da mit Detlef Buck einen gab, der es anders machen wollte und konnte, zumal seine ersten beiden Filme ERST DIE ARBEIT UND DANN!? und KARNIGGELS von der gleichen lakonischen Haltung des Regisseurs zeugten, wenn sie auch noch nicht die erzählerische Eleganz und das Timing ihres Nachfolgers besaßen. Es ging in den Filmen immer um widerspenstige Außenseiter: einmal war es ein Landwirt, dann ein Landpolizist und schließlich zwei einfältige Dorfdeppen. Dabei wurden diese tragikomischen Helden aber nie der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern von Buck mit einer spürbaren Wärme inszeniert.

Dann kam MÄNNERPENSION und gewisse Zweifel begannen sich einzustellen. Mit deutlich größerem Budget wurde wieder von Außenseitern erzählt; diesmal waren es zwei Knackis, die auf gar wunderliche Weise Hafturlaub bekamen. Jedoch konnte man mit den beiden nicht wirklich fühlen, zu oberflächlich waren die Charaktere gezeichnet. Buck gibt zwar selbst eine schön trockene Vorstellung als Sträfling, jedoch ist die Erzählhaltung des Regisseurs Buck alles andere als trocken; die aufgebretzelten Bilder, gut geeignet für einen Werbespot, scheinen vielmehr immer sagen zu wollen: da schaut her, jetzt kommt wieder ein „Super-Hammer-Witz“ - und dann sieht man Jenny Elvers (oder war es eine andere blonde Dame?) wie sie ihr Röckchen lüftet und uns, wie den grölenden Häftlingen, ihre Muschi präsentiert. Nichts gegen die Darstellung primärer Geschlechtsmerkmale, auch nichts gegen sexistische Witze, das aber war eine Altmännerzote schlimmsten Kalibers, und es war nicht die einzige im Film. Von der gleichen Witzgüte war auch die Ankündigung des Films, in der klar wurde, daß Buck jetzt nicht mehr Detlef heißt, sondern D.W. - ja genau, wie der alte Meister D.W. Griffith. Allerdings war der Film ein finanzieller Erfolg, der größte den die Produzenten Boje/Buck bisher hatten und man wird dem ewigen Kritisierer wieder sein Tun vorwerfen, mit dem Verweis auf die Massen, die den Film gemocht haben. Aber haben sie das wirklich, und wenn ja, wirft das nicht ein denkbar schlechtes Licht auf diese Massen?

Nun gut, es ist Weihnachten 1998 und der neue Buck LIEBE DEINE NÄCHSTE kommt in die Kinos. In der Hoffnung, Buck wieder in alter Form zu erleben, sollte man sich den Film allerdings nicht ansehen, denn man wird enttäuscht werden. Bereits der Titel, dieses schülerhafte Wortspiel mit dem Gebot der Nächstenliebe, verrät viel von der Art des Humors, die der Film zu Markte trägt. Die Geschichte handelt wieder von Außenseitern, diesmal sind es weltfremde Idealisten und alles beginnt mit einer eigentlich schönen Ausgangssituation: Josephine und Isolde (Lea Mornar und Heike Makatsch), zwei junge Damen der Heilsarmee, sollen in Berlin einen heruntergekommenen Posten ihres Vereins wieder auf den rechten Weg bringen. Parallel dazu hat der durch und durch kalte Unternehmenssanierer Tristan Müller (Moritz Bleibtreu) den Auftrag, eine ineffiziente Firma zu „verschlanken“; die Heilsarmistinnen und das Yuppie-Arschloch haben also die gleiche Mission: marode Organisationen wieder zum Funktionieren zu bringen - die einen tun dies im Namen Gottes, der andere im Namen des Geldes. Das ganze ergäbe im konventionellen Sinne noch keine Geschichte, wenn sie nicht immer wieder aufeinandertreffen würden, und bald wird klar, daß Engelchen Josephine vom teuflischen Müller in Versuchung geführt wird. Hier klingt das NINOTSCHKA-Motiv an, auf das sich Buck bezieht: die Kostverächterin soll vom süßen, sündigen Leben überzeugt werden, koste es was es wolle. Die Wege bis zum Ziel nehmen dann jedoch sehr verschlungene Pfade an, die sich auch nicht immer an einen klar nachvollziehbaren Spannungsbogen halten und selten witzig sind. Ein Prachtexemplar von Chauvinistenzote befindet sich auch wieder darunter: Isolde, das besonders verklemmte, ein wenig hysterisches Exemplar der Gattung Heilsarmee-Weibchen, wird im besinnungslosen Zustand des Vollrauschs einmal so richtig von einem Penner durchgevögelt - und siehe da, am nächsten Morgen ist sie wie ausgewechselt; fröhlich und ausgeglichen verrichtet sie nun ihr Tagwerk. Poppen für eine bessere Welt ist sicherlich O.K., aber die Art des Vortrags erreicht nicht einmal Stammtischniveau und dann hilft es auch nicht mehr, sich auf die Vorlage „Die Marquise von O.“ von Kleist zu berufen, wie Buck es in einem Interview getan hat, um die hochkulturelle Absolution erteilt zu bekommen.

Letztendlich hat LIEBE DEINE NÄCHSTE die gleichen Probleme wie MÄNNERPENSION, sie sind nur noch etwas schlimmer geworden. Man hat den Eindruck Buck hätte sich zum Ziel gesetzt, schlechte Männerwitze mit möglichst viel ästhetischem Aufwand auf die Leinwand zu bringen. Die Hochglanzbilder erzeugen eine unangenehme, seelenlose Distanz zu den als liebenswürdig verschroben angelegten Charakteren, und mit den Verweisen auf Griffith, Lubitsch oder Kleist schafft Buck eine enorme Fallhöhe zu seinen letzten Werken, aber keine Fallhöhe mit der man Witze erzeugen kann, sondern nur auf die Schnauze fällt. Doch möchte man nicht den Glauben verlieren, daß Buck ein guter Filmemacher ist. Vielmehr möchte man hoffen, daß er nur zwei schlechte Filme gedreht hat und als nächstes wieder einen richtig guten machen wird, einen mit viel Selbstironie.

Hoffentlich.

Frohe Weihnachten!

Max Herrmann

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