Videoclips sind die revolutionärste und derzeit
einflußreichste Inszenierungsform der Popkultur. Hier wuchern die
neuesten Metastasen des Zeitgeists, unsere täglich Gehirnwäsche
steuern wir per Fernbedienung, Freiheit und Kapital gehen innigste
Verbindungen ein... Ein gutes Video klebt nicht eng am Song,
sondern greift dessen textliche und musikalische Vorgaben auf, und
transformiert sie zu etwas ganz Eigenständigem.
Das, was gern als Vorwurf gegen Musikvideos ins Feld geführt hat,
dürfte ihr wichtigster Vorzug sein: Die Errungenschaften der
Avantgarde vermischen sich untrennbar mit den Interessen der
Kulturindustrie, elitäres Kennertum und Massengeschmack treten in
Dialog. Doch keine Angst: Teddy Adorno wird sich nicht im Grab
übergeben, er würde heute Videos gucken und versuchen, auch hier
alle unzweifelhaft enthaltenen Befreiungspotentiale herauszufiltern
und vom Schleim des universalen Verwertungszusammenhangs zu
trennen. So ganz säuberlich -das ist die Pointe aller
Pop-Kultur- sind solche Trennungen freilich nicht vorzunehmen.
Videos verschleifen alle Unterschiede und vermixen elegant Bildende
Kunst, Film, TV, Werbung, Politik und -klar- Musik. Längst haben
Videos eine ganz eigene Sprache ausgebildet.
Was Not tut, ist dieses Phänomen nicht länger nur staunend zu
beobachten, sondern sinnvoll zu beschreiben. Genau das
unternimmt jetzt Andreas Rost vom Münchner Kulturreferat. Die
alljährlichen REDEN ÜBER FILM, die Rost organisiert, drehen sich
diesmal um das Thema "Filmmusik, Musikfilm und Videoclip", also um
die hochinteressante Wechselbeziehung zwischen Film und Musik, die
im Musikfilm und im Videoclip zu Einheiten verschmelzen. Im
Dezember gibt es dann im Deutschen Museum noch eine Ausstellung
namens POP-VIDEO, die einen "Querschnitt durch 30 Jahre Clipkunst"
bieten will.
Das visuell aufregende Material, das schon alleine einen Besuch
wert wäre, wird durch weitere Vorträge und Vorführungen ergänzt.
Auftreten werden dort unter anderem: Dieter Gorny, Tina Bausch und
Asta Baumöller (VIVA ZWEI), Ulf Poschardt (SZ-Magazin) und Udo
Kittelmann (Kölnischer Kunstverein).
Schließlich und endlich, für alle dies nicht lassen können:
Andreas Rost höchstselbst gibt am Kunsthistorischen Institut ein
Blockseminar im Dezember über das gleiche Thema. Ernstgemeinte
Anmeldungen sind -vermutet der Verfasser- auch trotz
stattgefundener Vorbesprechung nach wie vor willkommen.
Wir berichten weiter ...
Rüdiger
Suchsland
P.S.: Wie immer entprechen geäußerte Ansichten natürlich nicht
der Meinung der ganzen Redaktion, diesmal scheint es mir aber
besonders wichtig, darauf hinzuweisen, daß sich nicht alle
Redakteure Theodor Wiesengrund Adorno beim Videogucken vorstellen
können - bzw. wollen. Max
Herrmann
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