Sicherlich lernt man einiges, wenn man sich täglich stundenlang
ins Kino flüchtet. Ich will ja gar nicht leugnen, daß es z.B. Wim
Wenders gut getan hat, eben dies zu tun, um der grausamen Kälte
seines Pariser Studentenzimmers zu entgehen. Schließlich verhält es
sich mit Filmen wie mit allen anderen Erlebnissen: es gibt keine
schlechten Erfahrungen. Ganz nüchtern betrachtet sieht die Wahrheit
aber doch so aus, daß diese Typen, die die Welt kaum noch in
360°-Version kennen, meistens als Filmkritiker enden. Wollt
Ihr das etwa?
Wollt Ihr all diese unmittelbare Glut, all diese entschlossene
Unbeholfenheit etwa umsonst gewesen sein lassen, mit der Ihr vor
Jahren Euer erstes Drehbuch geschrieben habt? - Wer inzwischen doch
schon einen ersten heimlichen Regieversuch unter Freunden hinter
sich hat, braucht sich nicht mehr zu schämen, daß es nur die
Videokamera war: das ist genau das perfekte Format, um beim
bundesweiten Nachwuchs-Video-Wettbewerb JUGEND UND VIDEO (bis 26 Jahre)
bzw. VIDEO DER GENERATIONEN (der Rest) teilzunehmen, der seit zehn
Jahren vom Ministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
ausgeschrieben wird. Klingt abschreckend, ist aber eine spannende
Sache. Es gibt zwar keine Riesensummen zu gewinnen (4 Hauptpreise
zu DM 1000,- sowie mehrere Förderpreise à DM 500,-), dafür wird man
aber zu einem Preisverleihungswochenende eingeladen, bei dem man an
Diskussionen und Workshops teilnehmen und die anderen Preisträger
kennenlernen kann. Eine Chance, die man nicht unterschätzen sollte:
beim aus gleichem Hause stammenden Deutschen Jugendfotopreis sind
daraus Kontakte & Projekte enstanden, die bis in die Berliner
Szenegalerie berlin-tokyo oder gemeinsame neudeutsche Photobücher
beim Taschenverlag reichen. Allerdings muß man sich beeilen: der
Einsendeschluß ist bereits am 31. August!
Ein Glück ist das Kino ein nicht ganz so schnelles Medium wie das
Internet oder die Lindenstraße, so bleibt uns das
Diana-Gedenk-Drama zu ihrem 1. Todestag zumindest in Leinwandgröße
erspart - das Fernsehen ist natürlich voll von solchen
Fast-Food-Produktionen. Dennoch wäre es ganz nett gewesen, unser
letztes Fünkchen Erstaunen über die eigene kollektive Betroffenheit
mit hilfe von Gesprächsrunden und anderen analgetischen
Erlebnisevents zu kompensieren. Aber nein, nichts dergleichen in
München. Hier gibt es gerademal, ausgerechnet am Sonntag, eine
Stadtführung mit dem Thema "Der Centralfriedhof lebt" - wie
pietätlos, wie zynisch, wie hinterwälderisch! (Stephansplatz, 14
Uhr) Da bleibt einem nur, nach Zürich zu fahren, wo es ein ganzes
DIANA
98-Festival incl. Filmreihe und Ausstellung gibt. Wird
sicherlich spannend, im dazugehörigen Symposium zu erfahren, was
"My Own Privat Idaho" und "Casablanca" mit totgefahrenen
Prinzessinnen zu tun haben. (Falls ihr keins der
Supersommerspartickets zu DM 49,- nach Zürich mehr abbekommen
solltet, kann Euch diese Frage aber sicherlich auch Kollege
Suchsland beantworten, der
schon so manchen Hörsaal mit Vorträgen dieser Art aufgeklärt hat,
wie man hört.)
Man kann es aber auch gleich ein bißchen schicker haben und die
Münchner Super-8-Film-Truppe ABGEDREHT auf ihrer
Diana-Memorial-Tour nach London begleiten. So könnte man
gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: sich ein hippes
Thema als Privaterlebnis einverleiben und Connections zu
Lokalgrößen aufbauen. (Ein noch so intensives Wahrheitsgefühl im
Kinosessel zaubert schließlich noch keine Produktionspolster aus
dem Nichts - da helfen nur knallharte Kontakte!) Es wird zwar
gemunkelt, daß ABGEDREHT diesen Betriebsausflug bloß aus purer
werbetechnischer Schlagwort-Reizwort-Strategie so getauft haben;
schließlich weiß jeder, daß das eigentliche Ziel dieser Reise das
Londoner Underground Film Festival ist, bei dem sie am 30.
9. die Programmgestaltung übernehmen dürfen. Zudem hört man, daß
zwei von ihnen, Rudi Schmidts und Banane, sich nun öffentlich zu
ihrer abnormen Neigung zum Videoformat bekennen und am 3.9. auf dem
free&easy-festival im backstage unangenehm zeitgenössische
Filme zeigen (22h und 24h, Kinozelt). Aber immerhin bleibt Teamchef
Ralf Palandt sich selber treu, zeigt am 2.9. in der backstage-Halle
seine guten alten Schmalspurfilmchen und sorgt zudem am 1.
September im Atomic Café dafür, daß auf der The Avengers Release
Party auch ein paar der echten alten "Schirm, Charme und
Melone"-Folgen zu sehen sein werden. Womit wir wieder bei Diana
wären: ob Uma Thurman das Erbe der übrigens inzwischen 60jährigen
Rigg wird antreten können? Die Masse verlangt schließlich nach
Kultfiguren - und Müttern. Hauptsache sterblich und fotogen.
Aber wer will schon Popstar sein.
Faul und unscheinbar räkelt sich also im Werkstattkinosessel
Nina
Stuhldreher
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