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Rückkehr der Phantasie
Am Mittwoch beginnt das 12. Fantasy Filmfest

  23.07.1998
 
 
 
 

"Back to the roots" kann auch ein Aufbruch zu neuen Ufern sein: Zum 12. Mal gibt sich ab nächstem Mittwoch das Fantasy Filmfest in München die Ehre, und nach langer Zeit scheint es seinem Namen wieder gerecht werden zu wollen. Das Phantastische hält endlich wieder Einzug in die Festivalkinos, die zuletzt immer häufiger von mißratenen Tarantino-Clones belagert schienen; üppiges Spritzen von Kunstblut scheint nicht mehr wichtigstes Auswahlkriterium zu sein. Und so präsentiert sich das Angebot um einiges breiter gefächert als die letzten Jahre - und verspricht die Möglichkeit ganz neuer, spannender Entdeckungen.

Zwar tummelt sich nach wie vor manches an amerikanischen Thrillern und Men-with-Guns-Filmen über die Leinwände (BODY COUNT, DEAD MAN'S CURVE). Und für alle naiven Gemüter und im Geiste sehr jung gebliebenen, für alle, die immer noch nicht glauben wollen, daß Peter Jacksons grandioses BRAIN DEAD das letzte Wort zum Thema war, gibt es auch dieses Jahr noch verspätete Ausläufer der fröhlichen Gore- und Splatterwelle, die mal aktuell war, als Milli Vanilli die Charts beherrschten: neben zwei Werken des unermüdlichen Brian Yuzna (PROGENY, THE DENTIST 2) und Sachen wie WISHMASTER und REVENANT darunter auch John Carpenters ebenso altmodischer wie zutiefst unerquicklicher VAMPIRES.
Aber die wirklich interessanten Filme dürften (soweit das vorab zu sagen ist) diesmal aus anderen Genres und/oder Ländern stammen: Das Übernatürliche und Surreale kehrt offenbar verstärkt ins Kino zurück, sei's als romantische Geistergeschichte oder als cineastischer Bilderrausch - das versprechen zumindest Filme wie TOM'S MIDNIGHT GARDEN, THE EIGHTEENTH ANGEL, 99.9, PASSION IN THE DESERT, AN AMBIGUOUS REPORT ABOUT THE END OF THE WORLD, MEMORIAS DEL ANGEL CAIDO oder SOBRENATURAL. Nicht minder Konjunktur haben makabere Komödien - darunter mit dem Eröffnungsfilm SERIAL LOVER und mit SIX WAYS TO SUNDAY zwei kleine, überaus feine Filme, die mindestens so sympathisch sind wie ihr Humor schwarz ist.
Besonders stark vertreten im Programm ist dabei das europäische Kino mit Produktionen von Norwegen über Großbritannien bis Spanien; schade nur, daß ein begrüßenswerter Trend der letzten Fantasy Filmfeste nicht fortgesetzt wurde: Schwer unterrepräsentiert zeigt sich das asiatische Kino mit nur drei Beiträgen (der charmante und leichtfüßige Agententhriller DOWNTOWN TORPEDOS aus Hong Kong; der phänomenal erfolgreiche Anime PRINCESS MONONOKE und CURE aus Japan) - unter denen sich hoffentlich dennoch erneut eines der Festival-Highlights verbirgt.

Ein echter Leckerbissen ist dieses Jahr die Retrospektive: Mit sieben Filmen wird ein kleiner Überblick gegeben über das Schaffen von Jimmy Sangster. Als einer der führenden Drehbuchautoren der legendären britischen Hammer-Studios hat er das Horror-Revival der späten '50er, frühen '60er Jahre wesentlich mit in Gang gebracht; hat (meist in Symbiose mit Regisseur Terence Fisher) Frankenstein und Dracula für eine neue Generation wieder auferstehen lassen und für Seth Holt zwei wunderbare psychologische Thriller geschrieben; und hat, obwohl er sich frei von jeglichen Prätentionen stets als rein kommerziellen Autor ansah, nie weniger als bestes Handwerk, manchmal aber beste Populärkunst geschaffen.
Damals schon vom Publikum heiß und innig geliebt, von der Kritik aber noch als Trivialfilme abgetan, sind diese Werke längst auf dem Weg, als gelungenes, innovatives und einflußreiches Kino anerkannt zu werden - und dürfen zu ihren großen Bewunderern Leute wie Martin Scorcese zählen.
Zwei Gründe zur besonderen Freude: Erstens hat Veranstalter Rosebud Entertainment angekündigt, daß diese Genre-Perlen in perfekten Kopien direkt aus den Hammer-Archiven zur Aufführung kommen (also für alle, die sie bisher nur von Video her kennen, eine Chance, sie zum ersten Mal wirklich zu sehen). Und zweitens wird Jimmy Sangster persönlich anwesend sein, um Fragen zu beantworten, Memorabilia zu signieren und vor der Vorführung von THE CURSE OF FRANKENSTEIN am Sonntag, den 2. August, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Egal, welch Interesse am übrigen Programm des Festivals vorhanden ist: Wem Kino etwas bedeutet, darf sich zumindest das auf keinen Fall entgehen lassen.

Thomas Willmann

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