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Alchimisten 2000
Über Produzenten

  18.06.1998
 
 
 
 


Ein Kuriosum der alljährlichen Oscarverleihung ist der Preis für den besten Film. Nachdem in den diversen Kategorien ein Star nach dem anderen über die Bühne getrieben wurde, treten in der "Königsklasse" Jahr für Jahr einige vollkommen Unbekannte an das Rednerpult und stammeln in Ermangelung jeglichen schauspielerischen Talents ein paar dankende Worte.
"Wie kann man, an einem solch schillernden Abend, nur so absolut uninteressante Menschen vor eine Milliarde Zuschauer lassen !" möchte man aus Verbitterung über den versauten Abend rufen. Doch halt ! Diese unbekannten Langweiler sind Produzenten.

Der Umkehrschluß, daß Produzenten generell unbekannte Langweiler sind, ist dagegen faktisch falsch, da sie im täglichen Leben in vielen verschiedenen Variationen auftreten können, wobei wir aus Raum- und Zeitgründen die folgenden Arten nur kurz erwähnen, um die Unterschiede zum eigentlichen Objekt unserer Betrachtung zu zeigen.

Es geht uns heute also nicht:
- um die sagenumwobenen Hollywoodlegenden, die die großen Studios mit aufgebaut haben, deren Charisma, Besessenheit und zupackende Art heute viele vermissen und die damals Probleme lösen mußten, die über das sture Beschaffen von Geld weit hinaus gingen - siehe z.B. DER LETZTE TYCOON oder der großartige Michael Lerner in BARTON FINK.
- um die Liebhaber, Kenner und Visionäre, die (wie oft auch in der Musik, siehe z.B. BLUE NOTE) das Paradox vollbringen, einen originären Stil zu prägen, ohne dabei groß in Erscheinung zu treten und es den Schauspielern und Regisseuren überlassen, in die Filmgeschichte einzugehen - siehe z.B. die Miramax - Brüder Bob und Harvey Weinstein.
- um die Kongenialen, die mit ihren Regisseuren wie siamesische Zwillinge verwachsen sind und die nur im Doppelpack wahrgenommen werden - siehe z.B. die Coen - Brüder oder Danny Boyle und Andrew McDonald, auch bekannt als "die Macher von TRAINSPOTTING"
- um die Revolutionäre, die die Filmindustrie umkrempeln wollen und trotzdem permanent in der Zwickmühle zwischen Kommerz und Anspruch stecken - siehe das Leben des Robert Evans oder STADT DER ILLUSIONEN
- oder um all die anderen, die es nicht verdient haben, viel über sie nachzudenken, die ihren Job als einen Job erledigen und nicht als Berufung oder die einfach nur unfähig sind - siehe den großartigen Martin Landau in MISTRESS

Nein, es soll uns heute um die Alchimisten der Filmindustrie gehen, die täglich mit Millionenbeträgen hantieren, die Regisseure zur Verzweiflung treiben können, die zu wissen glauben, was die Menschheit im Kino sehen will und, die, im Gegensatz zu den echten Alchimisten, nicht aus Eisen Gold, sondern oft genug aus Geld Schrott machen - siehe THE PLAYER

Der Grund für das Scheitern sowohl der Alchimisten wie auch der Produzenten ist dabei identisch, da die Erfolgsrezepte aus Hollywood um keinen Deut fundierter und seriöser sind als die Zaubersprüche eines Druiden. Betrachten wir einige dieser Erfolgsgarantien und ihre schönsten Gegenbeweise.
Da sind die Fortsetzungen von Blockbustern: SPEED 2 war bereits einer zuviel.
Da sind die 20 Millionen Dollar Schauspielstars: In TITANIC und MEN IN BLACK ging es auch ohne.
Da sind Comicverfilmungen: Erinnert sich noch jemand an die Filme SPAWN oder THE SHADOW ?
Da sind Bestsellerverfilmungen: Gebt mir 1 Mark für jede mittelmäßige Stephen King-Verfilmung.
Da sind die Mega-Riesen-100+x Millionen Dollar Filme: Nur ein Wort - WATERWORLD
Da sind spektakuläre Monster- und Katastrophenfilme mit tollen Computertricks: Nur zwei Worte - STARSHIP TROOPERS
Soll ich weiter machen ? Gut, lassen wir das.

Nun gibt es aber (in der Regel sehr gut bezahlte) Produzenten, die sich nicht einmal für diese absolut primitiven Erfolgsgarantien entscheiden können, sondern deren Verdienst darin besteht, mangelnde filmische Qualität mit Werbekampagnen, die dasselbe wie der eigentliche Film kosten, auszugleichen oder die unreflektiert dasselbe tun, was die anderen Studios auch tun (d.h. machen die einen Vulkan - Film, machen wir auch einen) und versuchen einen Monat vor der Konkurrenz am Markt zu sein oder die alte Filme aus dem Archiv umschneiden bzw. in Dolby Surround neu abmischen und dann wieder ins Kino bringen oder die, in der letzten geistigen Not, die Neuverfilmung eines Klassikers bzw. eines erfolgreichen, ausländischen Films (vorzugsweise aus Frankreich) veranlassen.

Diese Produzenten, die, wie eben gezeigt, also nicht die geringste Ahnung haben, wie man einen Erfolg produziert (was wahrscheinlich kein Mensch der Welt hat), nehmen sich aber das Recht heraus, besser als wir selbst zu wissen, was wir sehen wollen und greifen dementsprechend in den Produktionsprozeß eines Filmes ein.
Da werden plötzlich aus Geschäftsleuten Künstler, die hier ein Happy-End einfügen, dort einige Kanten abschleifen, diese und jene Probleme herausnehmen und das Ganze mit einem schmissigen Soundtrack überziehen.
Wen interessiert dabei schon, daß der Regisseur und der Drehbuchautor geniale Künstler sind? Was wissen Künstler ohnehin davon, was die Leute sehen wollen ? Wen interessiert, daß sich kleine Filme, die ohne große Einflußnahme der Produzenten gemacht wurden, und die jeder ihrer Erfolgsgarantien widersprechen, immer wieder als veritabele Erfolge etablieren können ?
Wie kann es mit einem 100 Millionen Dollar Budget, Stars vor und hinter der Kamera, Test-Screenings und immensen Werbeaktionen überhaupt noch passieren, daß ein Film floppt wie z.B. CUTTHROAT ISLAND ?

Fragen über Fragen. Wer kann diese Fragen beantworten ? Oder wer kann mir einen Job als Hollywoodproduzent verschaffen ? Ich hätte da schon eine Idee für einen Megaerfolg:
Ein genialer Wissenschaftler baut auf einer kleinen Insel einen Vergnügungspark, in dem die neu erbaute Titanic, einschließlich geklonter Originalbesatzung und Passagiere, zu bewundern ist. Einmal wöchentlich wird der Untergang zur Belustigung der Zuschauer wiederholt. Als es die Klone leid sind, jede Woche zu ersaufen, nimmt das Unheil seinen Lauf. Titel des Films: TITANIC PARK.

Michael Haberlander
 

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