Ein Kuriosum der alljährlichen Oscarverleihung ist der Preis
für den besten Film. Nachdem in den diversen Kategorien ein Star
nach dem anderen über die Bühne getrieben wurde, treten in der
"Königsklasse" Jahr für Jahr einige vollkommen Unbekannte an das
Rednerpult und stammeln in Ermangelung jeglichen schauspielerischen
Talents ein paar dankende Worte. "Wie kann man, an einem solch
schillernden Abend, nur so absolut uninteressante Menschen vor eine
Milliarde Zuschauer lassen !" möchte man aus Verbitterung über den
versauten Abend rufen. Doch halt ! Diese unbekannten Langweiler sind
Produzenten.
Der Umkehrschluß, daß Produzenten generell unbekannte Langweiler
sind, ist dagegen faktisch falsch, da sie im täglichen Leben in
vielen verschiedenen Variationen auftreten können, wobei wir aus
Raum- und Zeitgründen die folgenden Arten nur kurz erwähnen, um die
Unterschiede zum eigentlichen Objekt unserer Betrachtung zu
zeigen.
Es geht uns heute also nicht: - um die sagenumwobenen
Hollywoodlegenden, die die großen Studios mit aufgebaut haben,
deren Charisma, Besessenheit und zupackende Art heute viele
vermissen und die damals Probleme lösen mußten, die über das sture
Beschaffen von Geld weit hinaus gingen - siehe z.B. DER LETZTE
TYCOON oder der großartige Michael Lerner in BARTON FINK. - um
die Liebhaber, Kenner und Visionäre, die (wie oft auch in der
Musik, siehe z.B. BLUE NOTE) das Paradox vollbringen, einen
originären Stil zu prägen, ohne dabei groß in Erscheinung zu treten
und es den Schauspielern und Regisseuren überlassen, in die
Filmgeschichte einzugehen - siehe z.B. die Miramax - Brüder Bob und
Harvey Weinstein. - um die Kongenialen, die mit ihren
Regisseuren wie siamesische Zwillinge verwachsen sind und die nur
im Doppelpack wahrgenommen werden - siehe z.B. die Coen - Brüder
oder Danny Boyle und Andrew McDonald, auch bekannt als "die Macher
von TRAINSPOTTING" - um die Revolutionäre, die die Filmindustrie
umkrempeln wollen und trotzdem permanent in der Zwickmühle zwischen
Kommerz und Anspruch stecken - siehe das Leben des Robert Evans
oder STADT DER ILLUSIONEN - oder um all die anderen, die es
nicht verdient haben, viel über sie nachzudenken, die ihren Job als
einen Job erledigen und nicht als Berufung oder die einfach nur
unfähig sind - siehe den großartigen Martin Landau in MISTRESS
Nein, es soll uns heute um die Alchimisten der Filmindustrie
gehen, die täglich mit Millionenbeträgen hantieren, die Regisseure
zur Verzweiflung treiben können, die zu wissen glauben, was die
Menschheit im Kino sehen will und, die, im Gegensatz zu den echten
Alchimisten, nicht aus Eisen Gold, sondern oft genug aus Geld
Schrott machen - siehe THE PLAYER
Der Grund für das Scheitern sowohl der Alchimisten wie auch der
Produzenten ist dabei identisch, da die Erfolgsrezepte aus
Hollywood um keinen Deut fundierter und seriöser sind als die
Zaubersprüche eines Druiden. Betrachten wir einige dieser
Erfolgsgarantien und ihre schönsten Gegenbeweise. Da sind die
Fortsetzungen von Blockbustern: SPEED 2 war bereits einer
zuviel. Da sind die 20 Millionen Dollar Schauspielstars: In
TITANIC und MEN IN BLACK ging es auch ohne. Da sind
Comicverfilmungen: Erinnert sich noch jemand an die Filme SPAWN
oder THE SHADOW ? Da sind Bestsellerverfilmungen: Gebt mir 1
Mark für jede mittelmäßige Stephen King-Verfilmung. Da sind die
Mega-Riesen-100+x Millionen Dollar Filme: Nur ein Wort -
WATERWORLD Da sind spektakuläre Monster- und Katastrophenfilme
mit tollen Computertricks: Nur zwei Worte - STARSHIP
TROOPERS Soll ich weiter machen ? Gut, lassen wir das.
Nun gibt es aber (in der Regel sehr gut bezahlte) Produzenten,
die sich nicht einmal für diese absolut primitiven Erfolgsgarantien
entscheiden können, sondern deren Verdienst darin besteht,
mangelnde filmische Qualität mit Werbekampagnen, die dasselbe wie
der eigentliche Film kosten, auszugleichen oder die unreflektiert
dasselbe tun, was die anderen Studios auch tun (d.h. machen die
einen Vulkan - Film, machen wir auch einen) und versuchen einen
Monat vor der Konkurrenz am Markt zu sein oder die alte Filme aus
dem Archiv umschneiden bzw. in Dolby Surround neu abmischen und
dann wieder ins Kino bringen oder die, in der letzten geistigen
Not, die Neuverfilmung eines Klassikers bzw. eines erfolgreichen,
ausländischen Films (vorzugsweise aus Frankreich) veranlassen.
Diese Produzenten, die, wie eben gezeigt, also nicht die
geringste Ahnung haben, wie man einen Erfolg produziert (was
wahrscheinlich kein Mensch der Welt hat), nehmen sich aber das
Recht heraus, besser als wir selbst zu wissen, was wir sehen wollen
und greifen dementsprechend in den Produktionsprozeß eines Filmes
ein. Da werden plötzlich aus Geschäftsleuten Künstler, die hier
ein Happy-End einfügen, dort einige Kanten abschleifen, diese und
jene Probleme herausnehmen und das Ganze mit einem schmissigen
Soundtrack überziehen. Wen interessiert dabei schon, daß der
Regisseur und der Drehbuchautor geniale Künstler sind? Was wissen
Künstler ohnehin davon, was die Leute sehen wollen ? Wen
interessiert, daß sich kleine Filme, die ohne große Einflußnahme
der Produzenten gemacht wurden, und die jeder ihrer
Erfolgsgarantien widersprechen, immer wieder als veritabele Erfolge
etablieren können ? Wie kann es mit einem 100 Millionen Dollar
Budget, Stars vor und hinter der Kamera, Test-Screenings und
immensen Werbeaktionen überhaupt noch passieren, daß ein Film
floppt wie z.B. CUTTHROAT ISLAND ?
Fragen über Fragen. Wer kann diese Fragen beantworten ? Oder wer
kann mir einen Job als Hollywoodproduzent verschaffen ? Ich hätte
da schon eine Idee für einen Megaerfolg: Ein genialer
Wissenschaftler baut auf einer kleinen Insel einen Vergnügungspark,
in dem die neu erbaute Titanic, einschließlich geklonter
Originalbesatzung und Passagiere, zu bewundern ist. Einmal
wöchentlich wird der Untergang zur Belustigung der Zuschauer
wiederholt. Als es die Klone leid sind, jede Woche zu ersaufen,
nimmt das Unheil seinen Lauf. Titel des Films: TITANIC PARK.
Michael Haberlander
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