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Leni wollte immer nur, daß auf der Leinwand
alles so schön wie möglich aussieht - und sei es ein kleiner,
häßlicher Mann namens Adolf, der immer sehr gerne herumbrüllte.
Leni, mittlerweile stolze 93 Jahre, ist nach wie vor fest davon
überzeugt, daß Ästhetik ausschließlich etwas mit Form, und Politik
nur etwas mit Inhalt zu tun hat, und daß zwischen beiden kein
Zusammenhang besteht. Weshalb ihre Filme nichts mit Faschismus am
Hut hätten, hätte sie nur einen anderen Gegenstand gehabt.
Bevor Leni selbst zur Herrin hinter der Kamera wurde, spielte sie
mehrmals die leading lady für Arnold Fanck - der in mancher
Hinsicht ihr filmischer Lehrmeister war. 1929 hat Fanck, der große
Pionier des deutschen Bergfilms (dem gerade im Münchener
Stadtmuseum und Filmmuseum eine Ausstellung und eine Retrospektive
gewidmet waren), mit Leni Riefenstahl einen Klassiker des Genres
gedreht, DIE WEIßE HÖLLE VOM PIZ PALÜ. Der ist noch kein
faschistischer Film, aber er ist in vieler Hinsicht verdammt nah
dran. Bestimmt wollte Arnold Fanck sich 1929 mit seinem Werk
keiner politischen Ideologie verschreiben, und mit Sicherheit hat
er noch viel weniger geahnt, welche Katastrophe sich innerhalb
weniger Jahre in Deutschland ereignen würde. Aber in DIE WEIßE
HÖLLE VOM PIZ PALÜ wird jener Zeitgeist offenbar, der binne Kurzem
solch schreckliche Blüten nähren sollte. Das Bild von Natur und dem
Erhabenen; das Opfer und die Kameradschaft; der Glaube an die
Technik und die Begeisterung für den heldenhaften
Weltkriegs-Piloten; die Abscheu vor der Zivilisation und die
einsamen Männer, die in eisigen Höhen suchen, was hart macht:
Etliches wirkt, als hätte sich's Klaus Theweleit für seine
Faschismus-Studien so bestellt.
Diesen Sonntag um 11.00 Uhr gibt es im Gärtnerplatztheater die
Uraufführung der restaurierten Fassung von DIE WEIßE HÖLLE VOM PIZ
PALÜ zu sehen, live vom Deutschen Filmorchester Babelsberg
begleitet mit einer neukomponierten Musik. Der - rechter
Umtriebe nun wirklich gänzlich unverdächtige - Kulturkanal
arte (der den Film am 16. April ausstrahlt) hat sich dabei
auf ein Experiment eingelassen: Nachdem bei ähnlichen Projekten
bisher fast ausschließlich zeitgenössische europäische Komponisten
für die Musik sorgen durften, deren Ansatz eher reflektiert und
distanziert ausfiel, hat man diesmal Ashley Irwin (THE EXPERT) aus
Hollywood ans Werk gehen lassen, der Fancks Gipfeldrama mit satter
Symphonik untermalt, als wäre es der nächste STAR WARS-Film. (Was
schon deswegen sehr passend ist, weil George Lucas bekanntlich das
Finale von STAR WARS direkt aus Leni Riefenstahls TRIUMPH DES
WILLENS übernommen hat.) Und dabei wird sicher vieles emotional
zu funktionieren anfangen, was wir - mit unserer ach so
aufgeklärten Sicht - uns sicher waren, uns vom Leib halten zu
können. Das mag jetzt mancher verwerflich und böse finden, aber es
könnte auch ganz heilsam werden - vor allem, wenn dadurch
unmittelbar sinnlich klar wird, wie modern und wirkungsvoll gewisse
Mechanismen nach wie vor sind.
Womit wir bei Paul wären. Paul will vor allem, daß auf der
Leinwand viel Sex und noch viel mehr Gewalt zu sehen ist, und
deswegen dreht er mit Vorliebe große, amerikanische Action-Filme.
Gerade ist sein jüngstes Werk STARSHIP TROOPERS in den Kinos zu
bewundern - in dem sich Paul nach Leibeskräften beim Nazi-Film
bedient. Paul Verhoeven (der als Kind in Holland die Invasion
der Deutschen miterlebt hat) weiß natürlich sehr genau, was Adolf
in Deutschland angerichtet hat, und er erwartet dies auch von
seinen Zuschauern. (Vielleicht sein größter Fehler: er vertraut auf
ein mündiges Publikum, das ohne erhobenen Zeigefinger und lange
Lektionen selbst erkennt, welche Distanz zum Geschehen auf der
Leinwand angebracht ist. Der ständige Szenenapplaus an den flaschen
Stellen gibt seiner Hoffnung unrecht.) STARSHIP TROOPERS ist
deshalb als Parodie angelegt, die durch das simple Mittel der
Übertreibung funktioniert. Verhoeven besetzt seine Helden mit
hyper-attraktiven US-Soap-opera Teenies, die allesamt der
Zahnweiß-Reklame entsprungen scheinen, jedem Rassehygeniker zu
Spontanorgasmen verholfen hätten, und wahrhaft begnadete
Un-Schauspieler sind. Und dann wird jedes Genre-Klischee vom Kampf
der Herrenmenschen gegen das Böse dermaßen übererfüllt, jede
Gelegenheit zu Kitsch und Pathos dermaßen weidlich ausgekostet, daß
es kracht.
Wer STARSHIP TROOPERS vorwirft, der Film sei faschistisch, weil
er seine Helden in Nazi-Uniformen auftreten läßt, hat nicht ganz
verstanden, um was es geht. Denn Verhoeven macht dadurch nur völlig
offensichtlich, von welchem Geist die Taten seiner Charaktere sind.
Und auch hier werden dann Verbindungen offenbar zu so manch
ur-amerikanischem Genre, dem in nicht wenigen Fällen recht ist, was
den Nazis billig war. Schließlich zitiert STARSHIP TROOPERS nicht
nur HITLERJUNGE QUEX und TRIUMPH DES WILLENS, sondern auch Western,
Kriegsfilme und selbstverständlich Science-fiction, was das Zeug
hält. Und wo da noch eine klare Grenze verläuft zwischen bösem
Faschismus und ach so gesundem amerikanischem Heroismus, ist
meistens nicht mehr erkennbar.
Das ist es, was STARSHIP TROOPERS und die musikalisch neu
untermalte Fassung von DIE WEIßE HÖLLE VON PIZ PALÜ äußerst
interessant macht (noch nicht zwangsläufig gut, aber auf jeden Fall
interessant): sie machen sehr unmittelbar begreifbar, daß
Faschismus im Film nicht ein Phänomen ist, das sich auf
offensichtliche Propagandafilme beschränkt und daran zu erkennen
ist, daß irgendwelche Nazis aufmarschieren. Das Wichtigste, was
sie leisten könnten, wäre, daß wir manches, was uns heute an
aktuellen Filmen beeindruckt und begeistert, mit einem gewissen
Unbehagen zu sehen lernen. Und daß ein paar mehr Leuten klar wird,
daß Politik und Ästhetik sich eben nicht so einfach in Inhalt und
Form aufteilen lassen.
Thomas
Willmann
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