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ZWEI AMERIKANER NAMENS DETLEV UND KURT
Zwei Emigranten berichten von ihrem Leben - Douglas Sirk und Curt Siodmak

  11.12.1997
 
 
 
  Die Namen der beiden Herrn mußten jeweils eine Wandlung durchmachen, der eine war als Detlef geboren und wurde in Amerika zu Douglas, der andere mußte nur sein K mit einem C vertauschen: Detlev Sierck alias Douglas Sirk und Kurt oder Curt Siodmak. Beide waren sie deutsche Filmschaffende, die in den dreißiger Jahren Deutschland verließen. Der Jude Siodmak mußte 1933 fliehen, und Sirk kehrte 1937 trotz seiner Erfolge als Regisseur von einer Italienreise nicht mehr zurück. Zwei neue Buchveröffentlichungen geben Gelegenheit, mehr über ihr Leben zu erfahren.

"ICH BIN KEIN AMERIKANER." sagt Douglas Sirk.

"Imitation of Life" heißt die Neuauflage eines von Jon Halliday herausgegebenen Buches, das ein ausgedehntes, durch bisher unveröffentlichte Passagen ergänztes Gespräch mit dem Sirk enthält. Sirk, der in Hollywood vor allem durch tränenreiche Melodramen erfolgreich war, erfuhr in den Siebziger Jahren eine späte Würdigung, unter anderem durch Rainer Werner Fassbinder, der Sirk einen großen Einfluß auf sein Werk bescheinigte. Ausgangspunkt dieser Wiederentdeckung war eben dieses Interview-Buch von 1970, in dem der Filmemacher ausführlich über seine Arbeit erzählt. Sirk, Jahrgang 1897, gestorben 1987, aus Schleswig-Holstein stammender Lehrerssohn, konnte schon zum Zeitpunkt seiner Emigration auf eine stattliche Karriere bei Theater und Film zurückblicken. Als Höhepunkt seiner Theaterlaufbahn nennt Sirk seine Inszenierung des Stückes "Der Silbersee" von Georg Kaiser und Kurt Weill aus dem Jahre 1933, das der Regisseur in seiner damaligen Position als Oberspielleiter am Leipziger Theater trotz der Proteste der Nazis auf die Bühne brachte, was ihm erheblichen Ärger einbrachte. Sirk gibt dabei zu, die Nazis lange unterschätzt zu haben, und auch wenn er von weniger bewegten Zeiten erzählt, etwa von seinen Jahren als Top-Regisseur, der mit Rock-Hudson-Schnulzen die Kinos belieferte, läßt er immer seinen poltischen Hintergrund durchscheinen. So schildert Sirk in unbeirrbar differenzierter Art seine Erlebnisse bei der bayrischen Räterepublik oder bei der Ausbreitung der Nazis, sowie seine Begegnungen mit deutschen und amerikanischen Kulturschaffenden, wobei er häufig Parallelen knüpft, die kaum ein anderer wagen würde, wenn er etwa einem Sam-Fuller-Drehbuch Ähnlichkeit zu Horvaths "Glaube, Liebe, Hoffnung" bescheinigt. "Ich bin zur Tradition des amerikanischen Melodrams gekommen aus einer Welt, die davon himmelweit entfernt war." Umso mehr überrascht Sirk, ein hochgebildeter Intellektueller, wenn er die Melodramen mit den Stücken von Euripides vergleicht, sowie mit seiner Bewunderung für den amerikanischen Western und den konservativen Filmemacher John Ford; John Waynes Filmgestalten werden dabei kurzerhand mit Odysseus verglichen. Seine Distanz zu Amerika markiert Sirk dennoch immer wieder auf's Neue. "Es gab mal eine Zeit, in der ich Amerika heiß geliebt habe, eine Liebe, die aber durch Krieg und Hiroshima erschüttert wurde und durch die Dinge, die danach passierten." Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn hat er Hollywood den Rücken gekehrt und ist in die Schweiz übergesiedelt. Zweimal hat Sirk also seine Karriere unterbrochen und ein Land verlassen, weil es ihm zu dumm wurde. Sein Bericht davon ist eine Fundgrube für Kulturgeschichtler.

"WIR AMERIKANER" sagt Curt Siodmak.

1902 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Dresden geboren, ist Siodmak nach Hitlers Machtergreifung geflohen und über diverse europäische Zwischenstationen schließlich in die USA gelangt. Dort hat er sich ziemlich rasch als Drehbuchautor etabliert, sein Bruder Robert wurde gleichzeitig zum Starregisseur. Curt Siodmaks Filmographie weist eine lange Reihe von B-Filmen auf, ganz Pragmatiker hat er sich ohne allzu große Berührungsängste auf die Mechanismen Hollywoods eingelassen und Ideen am Fließband geliefert. Im ersten Teil seiner Biographie "Unter Wolfsmenschen", der letztes Jahr erschien, beschrieb er noch sein Leben in der alten Welt, wobei er einzelne Schlenzer zu späteren Begebenheiten nicht vermeiden wollte. Der nun veröffentlichte zweite Teil mit dem Untertitel "Amerika" widmet sich verstärkt seiner Karriere im Hollywood-Business. Siodmak, mittlerweile 95 Jahre alt, ist ein unterhaltsamer Erzähler, letztes Jahr waren er und seine Frau Henrietta, mit der er nun bald siebzig Jahre zusammen ist, als Gäste beim Münchner Filmmuseum geladen und vor den Vorführungen von Filmen wie "The Invisible Man returns", "The Wolfman" oder "I walked with a Zombie" gab Siodmak ein paar kurzweilige Geschichten zum Besten.
In Buchform sind diese Anekdoten auf die Dauer leider nicht immer besonders erhellend. Siodmak behauptet von sich, die Biographie geschrieben zu haben, um vor allem "meine eigenen Fehlschläge zu verstehen, wobei ich versuche sie rückblickend zu bewältigen". In Wahrheit mogelt er sich gerade darüber stets kunstvoll hinweg. In weiten Teilen ist "Unter Wolfsmenschen" genau jene Art Altstar-Biographie, die der Autor spöttisch schmäht. Heiter bis geistreich quatscht er sich von Story zu Story, hakt dabei noch die obligatorischen Begegnungen mit Marilyn Monroe und Humphrey Bogart ab, und streut, ehe er's noch vergißt, ein paar seiner Lebensweisheiten dazwischen. Manchmal versteigt er sich dabei zu rätselhaft pauschalen Behauptungen über Welt und Weiber wie "Eine Frau verfügt über ein inneres Gleichgewicht,", die getrost als dämlich bezeichnet werden können. Erstaunlich ist, daß dieses seltsam strukturierte Buch von einem Mann stammt, der besonders für seine Drehbuchkonstruktionen bekannt war. Anders als Sirk ist Siodmak eingestandenermaßen "kein politischer Mensch", auch nur bedingt intellektuell, und scheint seine Filmarbeit nicht besonders wichtig genommen zu haben. Sporadisch betont er daher die Kraft und Unvergänglichkeit des gedruckten Wortes, "nicht jene Sätze, die von Schauspielern oft schlecht artikuliert werden", im Vergleich zu Regiearbeiten, und verweist mehrfach mit Stolz auf seine Romanveröffentlichungen, doch warum er überhaupt so ein Mitteilungsbedürfnis in sich trägt, teilt er uns nicht mit. "Unter Wolfsmenschen" gibt zudem kaum Einblick in das Handwerk des Drehbuchautors, funktioniert hauptsächlich als Sammelsurium von spannenden, bitteren oder skurrilen Erinnerungen. Für Cineasten hat da der sachlich analysierende, dezente Herr Sirk einiges mehr zu bieten.
Die Berlinale '98 wird Siodmak und dessen bereits 1976 verstorbenen Bruder Robert eine Retrospektive widmen, und vielleicht kommt der steinalte Curt, der immer noch in Kalifornien lebt, ja noch mal rüber und bringt ein paar seiner Geschichten mit. Wenn er sie selbst erzählt, ist der Genuß sicher noch größer.

Douglas Sirk
"Imitation of Life"
herausgegeben von Jon Halliday
Verlag der Autoren, Frankfurt

Curt Siodmak
"Unter Wolfsmenschen. Band 2: Amerika"
Weidle Verlag, Bonn

Richard Oehmann

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