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16.10.1997
 
 
   
 

Kommt, seht Klick!
Zur Retrospektive Roland Klick im Filmmuseum München

 
Klick dreht DEADLOCK
     
 
 
 
  Also Leute, so geht's ja nun wohl nicht: Wenn die hiesige Filmindustrie kreißt und eine weitere Beziehungskomödie auf Fernsehniveau gebiert, schlängeln sich vor den Kinokassen lange Schlangen; wenn Michael Haneke uns mit ultra-prätentiösen Laienspielen Schuldkomplexe andrehen will, bekommt die Filmkritik vor Begeisterung epileptische Anfälle; wenn die Herren Emmerich oder Petersen biederes Handwerk mit tumb-patriotischen Groschenheft-Plots verquicken, nähert sich die Höhe der Einnahmen der des waigelschen Haushaltsdefizits - und wenn Roland Klick im Filmmuseum eine Retrospektive seiner Filme präsentiert, sind im Saal noch Plätze frei.
Da ich das unflätige Wort Sauerei nicht benutzen möchte, bleibt mir nur, dies einen Skandal zu nennen. Denn hier gibt es cineastische Perlen zu entdecken (oder wiederzusehen), wie sie das deutsche Kino seit mindestens 50 Jahren nur in wenigsten Ausnahmefällen zu bieten hat. Wobei - selbst das ist schon ungerecht formuliert, denn Klick macht, wenn man ihn läßt, Kino auf Weltniveau.

Roland Klick beherrscht noch die seltene Kino-Kunst, alles Wesentliche durch Bilder zu erzählen. Er hat Gespür für Gesten, für Raum, Rhythmus und Musik; Kino ist sein Medium, das er atmet, das er verstanden hat, dessen Eigenheiten er kennt und zu nutzen weiß. Er dreht keine bebilderten Hörspiele, bei ihm stellen sich nicht die Figuren hin und explizieren das Was, Wie, Wo und Warum der Geschichte.
Wie sollten sie das auch: die Filme von Klick kennen keine stereotypen, eindimensionalen Pappcharaktere; Klicks Figuren sind komplex und genau gezeichnet, sie dienen nicht der Fortentwicklung eines abstrakten Plots, sondern die Geschichten entwickeln sich aus ihnen.
Denn Klick denunziert nicht: auch die fiktiven Menschen auf der Leinwand sind für ihn Menschen, und er tut alles, um sie zu ihrem Recht kommen zu lassen. Er läßt sich auf sie ein, gibt ihnen Platz, Atem, Verständnis und Liebe - bis hin zur kleinsten Nebenrolle. Was sich auch an Auswahl und Führung der Schauspieler zeigt: Klick versteht es ebenso gut, optimal die Stärken von Stars zur Geltung zu bringen, wie echte Millieu-Typen wie Heinz Domez oder Charly Wierzejewski für den Film zu entdecken und zu völlig überzeugenden Hauptdarstellern zu machen.
Roland Kilcks Filme sind politisch - im besten Sinne. In ihnen spürt man den Zeitgeist, sie verhandeln die Themen der Stunde, aber sie tun das auf sinnliche Weise, in konkreten Geschichten und Bildern. Hier gibt es keine erhobenen Zeigefinger, keine aufgesetzten Botschaften, kein Dozieren. Die Filme Klicks sind politisch in ihrem ästhetischen Anspruch, in ihrer bedingungslosen Liebe zum Menschen, ihrer Trauer, ihrer Hoffnung, in ihrem künstlerischen Ethos. Sie sperren sich gegen einfache Verurteilungen; sie machen spürbar, wo das simple Denken in Schemata droht, Leben zu ersticken.
"Anarchie ist Ordnung," sagt Roland Klick, und sein Anspruch ist es, der Ordnung nachzuspüren, die den Dingen innewohnt.

Da Roland Klick sich auch zu verweigern weiß, und er nie bereit war, einer steileren Karriere willen seinen Prinzipien untreu zu werden, ist der Umfang seines Werks schmal geblieben.Nur bei BÜBCHEN, DEADLOCK und SUPERMARKT, sowie den frühen Kurzfilmen, war es ihm vergönnt, ganz nach seinen Wünschen zu arbeiten, und dort kommen die angesprochenen Tugenden zur vollsten Entfaltung.
Aber auch jene Filme, deren Genese sich nicht ursprünglich Klick verdankt, wie die Simmel-Verfilmung LIEB VATERLAND, MAGST RUHIG SEIN und die Dokumentation DERBY FEVER U.S.A., sind absolut sehenswert, und selbst aus einer produktionsgeschichtlichen Havarie wie WHITE STAR zaubert Klick noch ein delirierendes Spektakel, dessen stärkste Momente nicht mit dem kombinierten Gesamtwerk Katja Riemanns und Till Schweigers aufzuwiegen sind.

Aufgrund der teils haarsträubenden Erfahrungen bei der Produktion seiner späteren Projekte hat Roland Klick sich seit einigen Jahren selbst eine längere Abstinenz vom Film verordnet, und er ist nicht bereit, diese zu beenden, solange ihm das nicht ganz zu seinen Konditionen möglich ist. Wir können nur hoffen, daß ihm dies bald einmal ein kluger Produzent gestatten wird. Denn wenn die deutsche Kinolandschaft derzeit etwas dringend gebrauchen könnte, dann wäre es ein Film von Roland Klick.

Bis dahin gibt es wenigstens Gelegenheit, im Filmmuseum sein bisheriges Werk zu bewundern. Zwar konnte man nur letztes Wochenende erleben, wie der ebenso mitteilungsfreudige wie sympathische Regisseur persönlich seine Filmen präsentierte, doch noch straft das Leben die Spätkommer nich zu hart. Alle Filme außer dem in Co-Regie entstandenen, experimentierfreudigen Frühwerk MÜNCHEN - TAGEBUCH EINES STUDENTEN und dem zugegebenermaßen großartigen SUPERMARKT kann man in diesen Wochen jeweils donnerstags noch sehen. Wer Spaß am Kino und Lust auf gute Filme hat, sollte sich nicht die Chance entgehen lassen zu sehen, was auch in diesem Land an cineastischen Glanzleistungen möglich ist. Da ja die Fans von Artechock gewiß zu dieser Kategorie gehören, treffen wir uns alle hoffentlich demnächst im Filmmuseum. Und da will ich dann niemanden sehen, der nicht da ist!

Thomas Willmann

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