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Kino-Kapitalismus

  02.10.1997
 
 
 
  Man glaubt, der Film fängt schon an, und dann war's doch nur der Mercedes Webespot. Dann glaubt man, es käme der zweite Teil des Spots, und plötzlich ist man mitten im Film. LOST WORLD: JURASSIC PARK war in erster Linie ein riesiger Werbefilm für Mercedes, Nikon und die Spezialeffekte der Industrial Lights and Magic, der irrtümlicherweise nicht als zweiter Teil der diesjährigen Cannes Rolle, sondern als Spielfilm angepriesen wurde. MEN IN BLACK ist das vorerst letzte Beispiel für die totale Vermarktung eines Holywood-Films: der Film war ein großer Erfolg, aber das aufdringliche Marketing ging vielen auf die Nerven.

Zunehmend dominieren die Finanzen die Filmindustrie, mehr und mehr -und dieser Text ist selbst ein Symptom dafür- überlagern auch in der Kritik die finanziellen Aspekte eines Films die künstlerischen. Natürlich war Film immer zuallererst ein Mittel, mit dem wenige Leute ziemlich viele andere dazu bewegen wollten, ihren Geldbeutel zu öffnen und den Kinoeintritt zu zahlen. Es soll auch darüber nicht weltfremd geklagt werden. Nur weil sehr viel Geld mitspielt, können wir so viele schöne Filme sehen, und darauf wollen wir ja auch nicht verzichten. Aber in Zeiten der Globalisierung der Märkte ist auch das Kino ganz vom Marktgedanken beherrscht. Das trifft das Umfeld, etwa das Aussterben des kleinen feinen Kinos um die Ecke, das auch ungewöhnliche Filme zeigt und dadurch fördert, und dessen Verwandlung in ein Multiplex, wo der selbe Blockbuster möglicherweise in zwei oder drei Sälen gleichzeitig gezeigt wird.

Mittlerweile sind bereits durchschnittliche Hollywood-Filme so teuer geworden, daß die Studions das Geld irgendwie reinschaufeln müssen. Selbst dort, wo es nur um große Fragen geht, benötigt man offenbar ein großes Budget: $90 Millionen soll DEVIL’S OWN gekostet haben, ohne das auch nur einziger Dinosaurier auftaucht, oder wenigsten ein Wolkenkratzer in die Luft gesprengt wird. Verständlich, daß bei solchen Kosten die Kinoeinspielergebnisse allein selten ausreichen, um die Investition rentabel zu machen.

Dabei gehört es zur Dialektik des Kino-Kapitalismus, daß das totalisierende Blockbuster-Marketing die Wirkung des Films selbst beschädigt: wenn einem die immergleichen Motive von jedem zweiten Schaufenster entgegenglotzen - von der Burgerverpackung über die Bettwäsche bis zum Videospiel - dann wird der Film nicht nur finanziell zur Nebensache, auch das Publikum beginnt schon Anzeichen der Übersättigung zu zeigen, bevor selbiger überhaupt in die Kinos kommt.
Denn wenn jeder Film zum Event hochstilisiert werden muß, gräbt man sich selbst das Wasser ab: ein Großereignis definiert sich eben dadurch, daß es sich vom Alltagsgeschehen abhebt. Jedes Wochenende kann sich kein Event ereignen.
Vor allem, wenn dank der unablässigen Wiederholung eines einmal gefundenen Erfolgsrezepts viele dieser „Event-Movies“ sich immer ähnlicher werden, und es zunehmend schwer wird, eine Explosions- und Special-Effects-Orgie von der anderen zu unterscheiden.

So ist abzusehen, daß sich das System irgendwann totlaufen wird. Und eigentlich wäre dies eine gute Chance für den einheimischen Film, um mit klugen Ideen die Schwächen der Amerikaner in eigene Stärke zu verwandeln. Aber da sich dieser derzeit selbst entweder im endlosen Recycling von Beziehungskomödien auf Fernsehniveau oder im unerfüllten Traum vom Hollywood-Blockbuster à la PRINZ EISENHERZ übt, darf man es als recht fraglich ansehen, ob er die Kraft aufbringen wird, diese Chance zu nutzen.

Ruediger Suchsland

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