Man glaubt, der Film fängt schon an, und
dann war's doch nur der Mercedes Webespot. Dann glaubt man, es käme
der zweite Teil des Spots, und plötzlich ist man mitten im Film.
LOST WORLD: JURASSIC PARK war in erster Linie ein riesiger Werbefilm
für Mercedes, Nikon und die Spezialeffekte der Industrial Lights and
Magic, der irrtümlicherweise nicht als zweiter Teil der diesjährigen
Cannes Rolle, sondern als Spielfilm angepriesen wurde. MEN IN BLACK
ist das vorerst letzte Beispiel für die totale Vermarktung eines
Holywood-Films: der Film war ein großer Erfolg, aber das
aufdringliche Marketing ging vielen auf die Nerven.
Zunehmend dominieren die Finanzen die Filmindustrie, mehr und
mehr -und dieser Text ist selbst ein Symptom dafür- überlagern auch
in der Kritik die finanziellen Aspekte eines Films die
künstlerischen. Natürlich war Film immer zuallererst ein Mittel,
mit dem wenige Leute ziemlich viele andere dazu bewegen wollten,
ihren Geldbeutel zu öffnen und den Kinoeintritt zu zahlen. Es soll
auch darüber nicht weltfremd geklagt werden. Nur weil sehr viel
Geld mitspielt, können wir so viele schöne Filme sehen, und darauf
wollen wir ja auch nicht verzichten. Aber in Zeiten der
Globalisierung der Märkte ist auch das Kino ganz vom Marktgedanken
beherrscht. Das trifft das Umfeld, etwa das Aussterben des kleinen
feinen Kinos um die Ecke, das auch ungewöhnliche Filme zeigt und
dadurch fördert, und dessen Verwandlung in ein Multiplex, wo der
selbe Blockbuster möglicherweise in zwei oder drei Sälen
gleichzeitig gezeigt wird.
Mittlerweile sind bereits durchschnittliche Hollywood-Filme so
teuer geworden, daß die Studions das Geld irgendwie reinschaufeln
müssen. Selbst dort, wo es nur um große Fragen geht, benötigt man
offenbar ein großes Budget: $90 Millionen soll DEVIL’S OWN gekostet
haben, ohne das auch nur einziger Dinosaurier auftaucht, oder
wenigsten ein Wolkenkratzer in die Luft gesprengt wird.
Verständlich, daß bei solchen Kosten die Kinoeinspielergebnisse
allein selten ausreichen, um die Investition rentabel zu
machen.
Dabei gehört es zur Dialektik des Kino-Kapitalismus, daß das
totalisierende Blockbuster-Marketing die Wirkung des Films selbst
beschädigt: wenn einem die immergleichen Motive von jedem zweiten
Schaufenster entgegenglotzen - von der Burgerverpackung über die
Bettwäsche bis zum Videospiel - dann wird der Film nicht nur
finanziell zur Nebensache, auch das Publikum beginnt schon
Anzeichen der Übersättigung zu zeigen, bevor selbiger überhaupt in
die Kinos kommt. Denn wenn jeder Film zum Event hochstilisiert
werden muß, gräbt man sich selbst das Wasser ab: ein Großereignis
definiert sich eben dadurch, daß es sich vom Alltagsgeschehen
abhebt. Jedes Wochenende kann sich kein Event ereignen. Vor
allem, wenn dank der unablässigen Wiederholung eines einmal
gefundenen Erfolgsrezepts viele dieser „Event-Movies“ sich immer
ähnlicher werden, und es zunehmend schwer wird, eine Explosions-
und Special-Effects-Orgie von der anderen zu unterscheiden.
So ist abzusehen, daß sich das System irgendwann totlaufen wird.
Und eigentlich wäre dies eine gute Chance für den einheimischen
Film, um mit klugen Ideen die Schwächen der Amerikaner in eigene
Stärke zu verwandeln. Aber da sich dieser derzeit selbst entweder
im endlosen Recycling von Beziehungskomödien auf Fernsehniveau oder
im unerfüllten Traum vom Hollywood-Blockbuster à la PRINZ EISENHERZ
übt, darf man es als recht fraglich ansehen, ob er die Kraft
aufbringen wird, diese Chance zu nutzen.
Ruediger
Suchsland
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