Nun ist Artechock ja vor allem ein lokales
Magazin, das aufmerksam machen soll auf bedeutende Münchner
Kinoereignisse. Heute möchte ich drum mit einer besonders
staunenswerten Begebenheit aufwarten; morgen nämlich startet der
Erstlingsfilm von Dana Vávrová. Er heißt ‘Hunger’ und handelt vom
Fressen und Kotzen. Dies könnte uns freilich allen wurscht sein, das
Aufsehenerregende besteht jedoch darin, daß - man höre und staune -
mein ehemaliges Treppenhaus in der Klenzestraße 105 in eben jenem
Film zu sehen sein wird. Ach, ich erinnere mich noch gut, als ich
eines Tages in aller Herrgottsfrüh um circa elf Uhr zum Semmeln
holen gehen wollte, und plötzlich die Vávrová und ihre Crew saublöd
im Weg rumstanden. Damit nicht genug: Später mußten sogar
meinetwegen die Dreharbeiten unterbrochen werden, damit ich
ungefilmt die Semmeln zu meiner Wohnung hinauftragen konnte. Da
blies er mir also mitten ins müde Antlitz, der frische Wind der
ganz, ganz jungen deutschen Filmgeschichte. Seitdem galt ‘Hunger’
schon vor seiner Entstehung für mich als Musterexemplar des
Heimatfilmes, auch wenn ich mittlerweile in die Fraunhoferstraße
gezogen bin.
Jetzt aber kommt das eigentliche Problem: Der morgige Filmstart
hat mich in eine meiner vielen schweren Entscheidungskrisen
gestürzt. Zum einen würde ich nämlich mein Ex-Treppenhaus liebend
gern im Kino sehen, zum anderen habe ich nicht die geringste Lust
auch nur einen Tropfen Bohnerwachs für einen Dana Vávrová-Film
auszugeben, schon gar nicht, wenn Kai Wiesinger die Hauptrolle
spielt. Was soll ich also tun? Soll ich warten, bis meine Treppe im
Fernsehen kommt? Aber wahrscheinlich entfaltet sie nur auf großer
Leinwand all ihre ästhetischen Reize, denn merke: Das
symptomatische an einer Treppe ist ja, daß sie stufenweise
eskaliert. Und wenn sie nicht in den blöden Siebzigern mit Linoleum
beklebt worden wäre, hätte ich ihr noch eine große Karriere
prophezeit. So, und das nächste Mal erzähl ich euch, wie mein Auto
mal in einem Kurzfilm mitgespielt hat.
Tschüs.
Richard Oehmann
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