Es war einmal, in jener Zeit, als das
Wünschen noch nicht geholfen hat, da war der August ein Monat, in
dem nur Filme in die Kinos kamen, von denen sich die Filmvertreiber
nichts erwarteten. Die guten Filme und die teuren und auch die mit
den bekannten Namen, die hoben sich die großen Zauberer in ihren
Zauberschlössern in Hollywood für den Herbst auf, wenn die Menschen
braungebrannt aus den Ferien zurückkamen, und nach vier Wochen
Ballermann mal wieder ins Kino gehen mochten.
Hierzulande hinter den sieben Bergen, da ist es noch immer so,
daß man uns im Juli und August meist mit leichter billiger
Lückenbüßer-Kost bei der Stange halten will, und im Übrigen glaubt,
uns mit "Kino-Open-Air", "Internationalen Filmkunstwochen" und
ähnlichen Pseudoereignissen für ein paar schöne Stunden vom
Biergarten ins Kino zu locken, und sich selbst ein wenig Umsatz zu
bescheren.
In Amerika aber, wo die Menschen es bekanntlich besser haben,
schon weil sie die meisten Filme früher sehen können, als wir, da
ist der lange Sommer zwischen "Memorial Day" im Mai und "Labour
Day" im September längst zum Hauptschlachtfeld im Kampf der
Verleihgiganten geworden.
Inzwischen gehören die Ferienwochenden in den USA zu den
begehrtesten Eröffnungsdaten für neue Filme. Ein Blockbuster reiht
sich im Sommer an den anderen, nahezu jede Woche startet ein
Filmhighlight, und um die Wochenenden ist ein entsprechend harter
Wettbewerb entbrannt. Man will einerseits sicherstellen, daß ein
Film nicht gleichzeitig mit einem anderen Blockbuster startet, um
den direkten Wettkampf zu vermeiden. Andererseits ist der Erfolg
eines Filmes noch glorreicher, wenn er mit dem Sieg über einen
anderen, mit hohen Erwartungen ins Rennen gegangenen Streifen,
verbunden ist. Im vergangenen Jahr glückte das etwa Roland
Emmerichs "Independence Day": Die Zahlen von "Mission Impossible"
sanken drastisch, als ID4 pünktlich zum 4.Juli in die Kinos
kam. Zwei große Filme an ein und demselben Wochenende - das
funktioniert nur, wenn sich beide an ein unterschiedliches Publikum
richten. "Counterprogramming" nennen die Studios dieses Vorgehen.
So starteten etwa "Batman & Robin", ein Film für die jungen,
vornehmlich männlichen Actionfans gleichzeitig mit "My Best
Friend's Wedding", in dem Julia Roberts die Hauptrolle spielt, und
der sich an die ganze Familie und die romantisch veranlagtere
Gemüter richtet, am selben Tag.
So ist die Taktik der Positionierung und das Aushandeln des
Startdatums eine eigene Wissenschaft. Und die Auseinandersetzung
zwischen den Verleihen wird zunehmend schärfer, schon kommt es zu
nervösen Reaktionen: Im Fall von "Conspiracy Theory" verschoben
Warner Brothers den Filmstart, der ursprünglich für den 25.Juli
vorgesehen war, kurzfristig auf den 8.August. Vorgeblich wegen der
Ankündigung von 20thCentury Fox/Paramount, daß James Camerons
Blockbuster "Titanic" nicht schon im August starten würde. In
Wahrheit wohl auch deswegen, weil er sonst zeitgleich mit Wolfgang
Petersens "Airforce One" gestartet wäre, eine unmittelbare
Konkurrenz, der "Conspiracy Theory" auch nach Ansicht seiner Macher
nicht gewachsen wäre.
Indem die Filme immer teurer werden, vergrößert sich die
Abhängigkeit von einem trendsetzenden guten Start-Wochenende. Trotz
immer höherer Kosten (12 Filme in diesem Jahr übersprangen bereits
die Marke von 80 Millionen $ Produktionkosten, müssen also
-Marketing hinzugerechnet- rund 100 Millionen $ einspielen, um
überhaupt Gewinn zu machen) laufen sie für immer kürzere Zeit,
bevor sie vom nächsten "Supermegaüberhammer" abgelöst werden.
"The Lost World: Jurassic Park" und "Men in Black", der am 4.Juli
eröffnete, wurde amerikaweit gleichzeitig in mehreren tausend Kinos
gespielt. Ungefähr 6000 Kopien sollen eine ganze Nation in die
Filmtheater saugen, oft werden mehrere Kopien in einem einzigen
Multiplex gespielt (eine Unsitte, die wir bereits auch in München
erleben, im Fall von "Lost World"). Schon immer gilt: Filme sind
Güter, die das kürzeste Leben aller Produkte der
Unterhaltungsindustrie besitzen. Trotz der modernen
Nachverwertungsmöglichkeiten im Video und TV-Bereich entscheidet
sich ihr ökonomisches Schicksal in wenigen Tagen oder Wochen.
Dreht sich nun alles nur noch ums Geld ? Vieles schon, aber auch
den profitfixierten Strategen der Studios könnte bald klarwerden,
daß es mit Marketing und Gerangel um Startermine nicht getan ist.
Ein bißchen Film muß auch noch dazukommen. Denn zumindest bisher
gingen die kühlen Rechnungen nicht auf: Bis Mitte August liegen die
Einspielergebnisse dieses amerikanischen Sommers 9 % unter denen
des Vorjahres.
Rüdiger
Suchsland
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