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Alle Jahre wieder ... - das gleiche Thema: der deutsche Film.
Man mag es für überflüssig halten, immer über die gleichen
Phänomene zu reden, solange da nicht wirklich etwas Neues am
Horizont des deutschen Filmschaffens auftaucht. Aber andererseits
gibt es auch viermal im Jahr eine Krise beim FC Bayern, über die
man dann gerne etwas in der Zeitung liest; und in der nächsten
Woche haben wir unser Münchner Lieblings-Filmfest, in dem wieder
viele, viele kunterbunte, waaahnsinnig lustige deutsche Filme zu
sehen sein werden. Grund genug also, vor dem Genuß jener sicherlich
berauschenden, atemberaubenden Werke von Dominik Graf, Katja von
Garnier, und anderen, einmal die Landschaft zu betrachten, die da
mit frischer Blütenpracht geschmückt werden wird. Allein schon,
damit wir diesmal gewappnet sind, falls sich Katja Riemann wieder
-wie vor zwei Jahren im BR-Interview- mit Marlene Dietrich
vergleichen sollte.
Deutsche Filme sind schon seit langem ein schwieriges Thema. Vor
allem deutsche Komödien. Meist waren es ja mehr Klamotten als
Komödien. Die Unfähigkeit zum Witz scheint wie manch anderes eine
Eigenschaft von uns Deutschen zu sein, unser Humor ist fast immer
grob und derb, selten geistreich, nie so fein und klug, wie in
Frankreich, und Selbstironie ist hierzulande sowieso ein Fremdwort.
Insofern darf uns das Niveau der allermeisten deutschen
Produktionen auch nicht überraschen. Schaut man nüchtern auf die
diesjährigen Bundesfilmpreisträger, dann stimmt es zwar, daß mit
„Rossini", „Das Leben ist eine Baustelle" und „Jenseits der Stille"
die besten deutschen Filme des vergangenen Jahres prämiert wurden,
aber so richtig gut waren doch die beiden letzteren auch nicht, und
Dietl’s gelungene Komödie, mal ganz ehrlich, funktioniert auch nur
in Deutschland. Im internationalen Vergleich bewegt sich der
deutsche Gegenwartsfilm im untersten Mittelfeld, abstiegsgefährdet,
und insofern war der Vergleich mit dem FC Bayern eigentlich eine
Unverschämtheit gegenüber der Trappatoni-Truppe. Trotz
Ausnahmen: thematisch reiht sich in den Produktionen eine
Beziehungskiste an die nächste, fast alle erzählen glatte,
spießige, rein private und im Grunde pubertäre Geschichten nach dem
Vorbild des "bewegten Mann". Oder nicht minder pubertäre
Gangsterstorys, die dermaßen an den Haaren herbeigezogen sind, daß
sie noch nicht mal als Metapher taugen. Der Blick auf soziale
Zustände, kulturelle Entwicklungen, gar auf Politisches fehlt.
Verständlich, und nur konsequent, daß die deutschen Filmemacher
fast alle für die A-Festivals von Berlin und Cannes zu feige oder
einfach zu schlecht sind, und sich offenbar lieber vor das
nachsichtige Münchner Publikum trauen. Was immer man von Wim
Wenders halten mag, so bleibt er doch der einzige Regisseur, der
sich überhaupt dem Vergleich mit ausländischen Produktionen stellt.
Und dann gibt es da noch Bernd Eichinger. Die
Ausnahmeerscheinung. Für den deutschen Film zugleich ein Glücksfall
und sein größtes Übel. Als er Ende der 70er Jahre, noch zu den
Hochzeiten des Neuen Deutschen Film der oft kopflastigen,
unsinnlichen und sozialpädagogisch geprägten Filmszene die
Sehnsucht nach „Glamour", „großen Stoffen" und kommerziellen
Mainstream-Produktionen entgegenhielt, wirkte das zunächst als
frischer Wind, und war von manchen Ideen eines Faßbinder gar nicht
so weit entfernt. Aber was hieß das dann ? Schon Eichingers
erster Erfolg, "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" (1981) war eine
Buchverfilmung. Und so ging es weiter: die nach der einmal
entwickelten Masche verfilmten Stoffe "Die unendliche Geschichte"
(1984) und "Der Name der Rose" (1986) sind ebenso wie „Das
Geisterhaus" und „Fräulein Smillas Gespür für Schnee" samt und
sonders Verfilmungen erfolgreicher Bücher (Bemerkenswert ist dabei,
wie es Eichinger gelang, so unterschiedliche Regisseure wie
Jean-Jacques Annaud, Wolfgang Petersen und Bille August derart
gleichzuschalten und ihres eigenen Stils zu berauben, daß am Ende
immer ein Eichinger-Film herauskam). Eigenständige Filmstoffe
fehlen dagegen fast ganz, „keine Experimente" lautete das
Adenauer-hafte Motto Eichingers, der fast immer auf Nummer Sicher
ging. Was sich als Buch gut verkauft hat, das wird im Kino kein
Reinfall werden. Nun ist es kein Verbrechen, wenn jemand Geld
verdienen möchte, und Eichinger hatte Zeiten, in denen er viel
riskierte, und hohes persönliches Engagement zeigte. Nie war er ein
Abzocker. Aber die Folgen für den deutschen Film waren fatal. Denn
Eichinger gab das Muster vor. Nun sind Eichinger-Filme durchaus
keine schlechten Filme. Manchmal sind sie sogar ziemlich gut. Aber
zugleich wirken sie -viel mehr als jeder Hollywood-Streifen- wie
aus der Retorte. Es fehlt eben das ganz große Geld, und wenn man
dann nicht über eigene Ideen, Stoffe und Bilder verfügt, dann kommt
so ein James Bond für Arme heraus, wie Mitte Februar „Fräulein
Smilla’s Gespür für Schnee". Der letzte Film aus Eichingers
Werkstatt, der in die Kinos kam, war die Adaption des
Komödienklassikers „Die Drei von der Tankstelle", mit Wigald Boning
in der Hauptrolle („Die drei Mädels von der Tankstelle"). Schon
Wilhelm Thieles Film von 1930 kam auf dem Höhepunkt der
Weltwirtschaftskrise in die Kinos und beschwor unmittelbare
Solidarität („Ein Freund, ein guter Freund, das ist das beste, was
es gibt auf der Welt") in Zeiten des Staatsversagens („Drum sei
doch nicht betrübt, wenn Dein Schatz Dich nicht mehr liebt"). Aber
um platte Parallelen geht es gar nicht. Auch nicht um
Verschwörungstheorien, denn Eichinger ist manches, aber kein
schlichter Propagandist der Regierungspolitik.
Vielmehr ist Eichinger einfach nur der wichtigste Repräsentant
einer allgemeinen Tendenz: auch das Kino ist von dem erfaßt worden,
was wir hier einmal den 89er-Virus nennen wollen: unter dem Motto
„wir wollen wieder Filme machen wie die UfA" wird die Restauration
einer vergangenen oft vor-bundesrepublikanischen, jedenfalls aber
vor-demokratischen Kinotradition betrieben. Dazu passen dann auch
perfekt jene „German Classics", die Eichinger im Verein mit SAT 1
produzierte, ein Wiederaufschäumen der 50er-Jahre-Stimmungen, aber
auch deren Flucht ins Privatistische. Die platte, stumpfe und
spießige Klamotte "Die drei Mädels von der Tankstelle" ist nichts
anderes, als ein weiterer German Classic aus der Retro-Maschiene
des Bernd Eichinger. Heute wie damals dienen Melo („Das Mädchen
Rosemarie") und Komödie („Charlies Tante") dazu, wenigstens
ästhetisch zu faszinieren, wo politische und ökonomische Wünsche
unerfüllt bleiben müssen. Denn das scheint der gemeinsame
Nenner jenes neuen deutschen Filmbooms zu sein: Komödie,
Unterhaltung, Glamour - wieder einmal tauchen sie justamente in dem
Augenblick auf, wo es gesellschaftlich und politisch bergab geht.
Wenigstens im Kino ist die Bundesrepublik tatsächlich jener
„kollektive Freizeitpark", den Kanzler Helmut Kohl vor Jahr und Tag
vorwurfsvoll beschworen hat.
Rüdiger
Suchsland
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