Eine Frage des Charakters:
Jetzt hab ich schon erfolgreich
"Independance Day" verpaßt, obwohl mir die ganze Welt damit
in Augen und Ohren lag, und schon redet auch keiner mehr davon.
Jetzt heißt es, stark sein bei "Evita". Kein Boulevard-Blatt,
keine Feuilleton-Seite ohne Peron- oder Ciccione-Biographisches,
man kommt nicht aus, wenn man nicht grad tot ist. Soll man
nun dem Druck der Tagesaktualität nachgeben und sich diesen
Diskussionsstoff auch noch in die verwüsteten Gehirnzellen
stopfen, damit man mitreden kann am Bistro-Tischlein, wenn
die Themen Astrologie, Wohnungssuche oder Schwangerschaften
erschöpft sind, oder soll man sich bewußt aus der Gesellschaft
der Allesglotzer ausnehmen, weil ja der Film eh voraussichtlich
tumber Stuß ist und mit jeder "Simpsons"-Folge zu ersetzen?
Soll ich oder soll ich nicht? Wohlgemerkt: Es geht dabei nicht
um Qualitätsfragen, sondern nur um's Dabeisein. Hm? Anschauen?
Oder weiterschlafen?
Richard Oehmann
Eine Frage der Ehre:
Natürlich sollst Du Dir "Evita" anschauen und
auch "Independence Day" mußt Du nachholen, denn
schließlich geht's um Massenunterhaltung und damit ist nicht
nur die Unterhaltung der Massen, sondern auch die Unterhaltung
von Massen gemeint; also viele Leute die viel reden. Und als
fleißiger Kinogänger, als den Dich diese Massen kennen, wollen
sie von Deiner Meinungsführerschaft profitieren, wollen hören,
was Du zu sagen weißt und sich gegebenenfalls auch von Dir
abhalten lassen den einen oder anderen Film zu gucken, aber
eben nur, wenn Du ihn gesehen hast. Also, egal ob Cineast,
Allesglotzer oder Moviehead, Du hast einen Ruf zu verlieren
und wenn der erst mal weg ist, steht der Massenware fabrizierenden
Filmindustrie ein kritischer Beobachter weniger im Wege und
Du förderst, was Du vermeiden willst: Evita!
Christian
Rechmann
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