15.02.2016
66. Berlinale 2016

»1929 waren die Nazis eine baye­ri­sche Spin­ner­truppe ...«

Jeder Stirbt für sich allein
Brendan Gleeson und Emma Thompson in Jeder stirbt für sich allein
(Foto: X Verleih AG / Warner Bros. Entertainment GmbH)

Achim von Borries über Jeder stirbt für sich allein, die Kunst des Drehbuchschreibens und »Berlin Babylon« – Berlinale-Tagebuch, 10. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Mit Spannung wartet man hier zu Lande auf die Serie »Babylon Berlin«, an der Dreh­buch­autor und Regisseur Achim von Borries derzeit zusammen mit Tom Tykwer und Hendrik Hand­loegten arbeitet. Deutsche Geschichte, Berlin und dessen Mythos – das sind Themen, die dem 1968 in München geborenen Filme­ma­cher, der seit 1989 in Berlin lebt, extrem wichtig sind. Im Wett­be­werb der »Berlinale« 2016 läuft jetzt die Hans-Fallada-Adaption Jeder stirbt für sich allein, zu der von Borries das Drehbuch verfasste.

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Sie führen selbst Regie, nach eigenen wie fremden Dreh­büchern, Sie schreiben aber auch Bücher für andere Regis­seure. Was machen Sie am liebsten, wo liegen die Unter­schiede, und wie sehen Sie Ihre Rolle, wenn Sie nicht Regie führen?

Achim von Borries: Natürlich ist es am schönsten, selber zu drehen, und nach eigenen Büchern und Ideen, auch wenn der Austausch im Team – der ja dann auch statt­findet – immer inspi­riert.
Dreh­bücher für andere sind meist Auftrags­ar­beiten. Ich kenne ja beide Perspek­tiven: die des Regis­seurs, der fremde Dreh­bücher verfilmt, und die des Autors für andere Regis­seure. Es ist eine schmerz­liche Erfahrung, wenn man als Autor dann irgend­wann verab­schiedet wird. Auf der anderen Seite ist es ganz richtig: Die Arbeit ist getan, und für den Regisseur ist auch aus einem noch so schönen Buch nicht alles umsetzbar. Diese konkrete Umsetzung muss aber dann der Regisseur machen und er muss Entschei­dungen treffen, mitunter schmerz­hafte. Wie ich die dann als Autor immer finde, steht auf einem anderen Blatt.
Was mich viel­leicht in eine besondere Rolle stellt, ist, dass ich beide Seiten kenne. Wenn man nur schreibt, und die qual­vollen Stunden im Schnei­de­raum nicht erlebt hat, in dem das Wesen einer Szene oft erst entsteht, dann hat man einen einsei­tigen Eindruck. Als Autor muss man irgend­wann abgeben – natürlich denkt man manchmal: Hättest Du das besser selbst gemacht. Aber umgekehrt bin ich auch als Regisseur sehr kritisch, und mag eigene Filme meist erst nach einigen Jahren.

Auf der Berlinale läuft die von Ihnen geschrie­bene Adaption des Hans-Fallada-Romans Jeder stirbt für sich allein. Regie führt Vincent Perez. Sehen Sie sich in diesem Fall mehr als gleich­be­rech­tigten Partner? Oder als Dienst­leister?

Borries: In der Regel wird der Autor ja vom Produ­zenten beauf­tragt, nicht vom Regisseur. Da bin ich nicht nur gleich­wer­tiger Partner des Regis­seurs, sondern allein der Ausfüh­rende. Es war ande­rer­seits noch nie so, dass ich ein eigenes Drehbuch Anderen angeboten hätte. Die Drehbuch-Arbeit selbst unter­scheidet sich nicht von eigenen Projekten. Im Fall von Fallada war Vincent Perez zwar schon invol­viert. Aber ich konnte ihn von einer komplett neuen Heran­ge­hens­weise über­zeugen.

Was ist so spannend an Jeder stirbt für sich allein?

Borries: Fallada beschreibt einen Fall von Wider­stand, der im Grunde genommen unglaub­lich klein ist und fast lächer­lich: Zwei alte Leute verlieren ihren Sohn und fangen an, Post­karten gegen das Regime zu schreiben. Sie bauen keine Bombe, um Hitler zu töten, sie legen noch nicht mal Flug­blätter aus. Sie hoffen, dass eine Saat aufgeht durch die Kraft des Wortes und der Wahrheit.
Die Geschichte rührt, und weil Fallada so genau beschreibt und toll erzählt, hat sie etwas unglaub­lich Faszi­nie­rendes. Fallada erzählt das Haus, in dem die Leute wohnen, wie einen Körper. Da wohnen verschie­dene Organe. Wie dieser Mikro­kosmos sich verändert, das ist ganz toll beschrieben. Ich habe es noch nirgendwo so gelesen. Fallada guckt hinein in den Alltag: Wie der Haus­meister plötzlich zum Gewinner wurde, wie die Wohnung einer jüdischen Frau besetzt und geplün­dert wurde, ihre Kleidung verteilt, wie der Volks­körper Deutsch­land reich und fett wurde. Das Buch beschreibt eine Defor­ma­tion: Wie manche sich treu bleiben, wie man sich in manchen täuscht – im Grunde ist das auch ein Seri­en­stoff, weil Fallada einen langen Zeitraum beschreibt. Zugleich ist alles mit einem gigan­ti­schen Furor geschrieben. Fallada war ja vor 1945 in der »inneren Emigra­tion«. Er war im Prinzip ein Autor, von dem die Nazis den »großen braunen Roman« erhofften, weil er für die kleinen Leute und über sie schreibt, und ein richtiger Best­sel­ler­autor war. Fallada hat das aber verwei­gert, sich zurück­ge­zogen und Kinder­bücher geschrieben. Nach dem Krieg war Fallada drogen­süchtig, er war krank, er wusste, er würde nicht mehr lange leben, seine Ehe war kaputt, dann kam zu ihm dieser reale Stoff und er hat ihn in sechs Wochen 'runter­ge­schrieben und ist gestorben.
Das Buch ist ein spätes Wunder des Buch­markts. Ich kannte es vorher nicht – und obwohl ich Geschichte studiert habe, war ich extrem faszi­niert. Es hat mir noch einmal eine andere Perspek­tive eröffnet: Den Blick der kleinen Leute auf einen Unrechts­staat. Zugleich handelt es sich um ein Dokument des Schre­ckens: Ein Großteil der über 600 Seiten spielt in den Folter­ker­kern der »Gestapo«. Zu überlegen, wie man das im Spielfilm zeigen kann, dafür brauchte es einen neuen Ansatz. Den habe ich, glaube ich, gefunden.

Warum wurde dies dann ein inter­na­tio­naler Film? Es ist ein deutscher Stoff, ein deutsch­spra­chiges Buch. Kann das nicht in Deutsch­land von einem Deutschen verfilmt werden, mit deutschen Darstel­lern?

Borries: Die Antwort ist sehr einfach: Weil Vincent Perez fünf Jahre, bevor es zur Fallada-Renais­sance kam, diesen Stoff entdeckt und optio­niert hat. Da wird sein Gespür belohnt. Zweitens lockt eine solche Über­set­zung ins Inter­na­tio­nale den Zuschauer eher an. Ich liebe deutsche Filme, aber eine deutsche Verfil­mung hätte es schwer.

Sie haben schon immer ein Faible für histo­ri­sche Stoffe: Ihre eigenen Filme Was nützt die Liebe in Gedanken (2003) und Vier Tage im Mai (2011) greifen Episoden aus der Geschichte des 20. Jahr­hun­derts auf, und bald werden Sie als einer von drei Filme­ma­chern »Babylon Berlin« drehen, eine große Krimi­nal­serie, die in der Weimarer Republik spielt. Worin liegt der besondere Reiz des Histo­ri­schen?

Borries: Ich tue mich leichter, etwas das mich inter­es­siert, zu erzählen, wenn ich es in die Vergan­gen­heit übersetze. Ich spüre eine große, fast roman­ti­sche Hinwen­dung zur Vergan­gen­heit. Ich liebe es, im Kino eine Reise zu unter­nehmen, die in andere Welten führt, sich in die Vergan­gen­heit hinein­zu­fühlen und -zuphan­ta­sieren. Das Schwie­rigste ist es aber, dass solche Filme gleich­zeitig etwas über die Vergan­gen­heit erzählen sollen und auch über unsere Gegenwart. Und das man als Zuschauer den histo­ri­schen Kontext nicht die ganze Zeit mitguckt. Dass man ihn sieht, aber vergisst. Ich will alles entfernen, was den Zuschauer zu sehr an das Gestern erinnert.
Für mich ist das Wich­tigste, Authen­ti­zität zu erzeugen, Glaub­wür­dig­keit. Auch sprach­lich: Wenn man alte Ton-Aufnahmen hört, begreift man, dass die Leute sich aus heutiger Sicht unmöglich ausge­drückt haben. Zum Beispiel hat man früher im Film ganz furchtbar berlinert – das tut heute keiner mehr. Wenn man da authen­tisch wird, denken alle an Opas Motten­kiste. Also sollte man besser die Sprach­me­lodie von heute mit den Worten von gestern verbinden.
Zum Beispiel versuche ich auch, mich vor zu viel Psycho­lo­gi­sie­rung zu hüten.

Jetzt kommt »Babylon Berlin«, eine Serie nach den Roman­vor­lagen von Volker Kutscher. Was haben wir uns darunter vorzu­stellen?

Borries: Ich darf noch nicht über alle Details reden, und manches ist auch noch nicht entschieden. Aber was klar ist: es wird eine Serie auf hohem Niveau, gemeinsam produ­ziert von X-Filme, für die ARD und Sky. Entwi­ckelt und geschrieben wurde sie von Tom Tykwer, Hendrik Hand­loegten und mir. Seit drei Jahren arbeiten wir an dem Stoff. Wir drei werden dann auch Regie führen. Wir werden im Frühjahr beginnen, zu drehen.

Ende letzten Jahres sah der WDR-Intendant das Projekt öffent­lich gefährdet. Stand die Serie auf der Kippe?

Borries: Nicht das ich wüsste. Es war eine aufwän­dige Finan­zie­rung, und es gab ein paar kleinere Irri­ta­tionen. Viel­leicht waren nicht alle Betei­ligten immer auf der Höhe des Infor­ma­ti­ons­stands. Grund­sätz­lich ist die Aufmerk­sam­keit, die es vorher schon gibt aus meiner Sicht bizarr. Der Erwar­tungs­druck ist enorm hoch.

Wie teilen Sie drei sich die Arbeit auf?

Borries: Wir drehen alles zusammen. Wir haben es zusammen entwi­ckelt und geschrieben, »created, written and directed by«. Die Vorlagen von Volker Kutscher waren super Ausgangs­ma­te­rial, das uns die Figuren-Skizzen geschenkt hat. Aber wir machen zwölf Stunden Film und hoffen, dass wir viele Staffeln drehen und das bis 1936 erzählen können. Wir haben es daher natürlich zu unserem Stoff gemacht. Volker Kutscher hat uns dabei große Freiheit gelassen und wir haben das best­mög­lich ausge­nutzt. Ich glaube, die Leser der Romane werden vieles wieder­erkennen und trotzdem fort­wäh­rend über­rascht. Volker Kutscher war generös und toll. Er hatte ein paar Anmer­kungen, die uns geholfen haben, aber war generell glücklich und begeis­tert mit dem Ergebnis.

Wie wird der Stoff aufge­teilt?

Borries: Die erste Staffel erstreckt sich über den Sommer 1929, vor dem »Schwarzen Freitag«. Wir beginnen im Mai 1929 mit dem »Blutmai«, in dem die Polizei mit brutaler Härte gegen die Kommu­nisten vorge­gangen ist, und Arbei­ter­auf­stände nieder­ge­schlagen hat, mit über 30 Toten. Die Nazis spielten noch keine große Rolle, aber es gab die heimliche Aufrüs­tung der Reichs­wehr und die schlei­chende Aushe­be­lung der Versailler Verträge durch die alten Eliten. Unfassbar, was da für Komplotte geschmiedet wurden!
Eine Staffel besteht aus acht Folgen à 45 bis 50 Minuten, zwei Staffeln sind jetzt erstmal geplant. Wie sie die ausstrahlen, wissen die Sender vermut­lich selber noch nicht. Viel­leicht zwei an einem Abend. Das Schwie­rige bei der Ausstrah­lung und überhaupt bei diesen Serien ist ja, dass es in unserer so zerklüf­teten Arbeits-und Lebens­welt immer schwie­riger wird, einen festen Termin einzu­halten.

Inter­es­san­ter­weise klappt das ja bei Fußball-Groß­ereig­nissen immer gut...

Borries: Absolut richtig. Aber es gibt leider nur weniges, das man heute kollektiv erleben will, und unbedingt nicht erst vier Stunden später erfahren möchte, was passiert ist. Diese Art von reinem Fernsehen mit Straßen­feger-Quali­täten gibt es heute leider nur noch im Sport und dann gibt es noch den »Tatort«, weil der Sonn­tag­abend in der Lebens­wirk­lich­keit der Menschen wirklich ein freier Abend ist, an dem man nicht ausgeht. Die Frage ist, ob die Leute es sich leisten können, zu einem festen Termin zuhause zu sein. Aber dafür gibt es ein Heer von gut bezahlten Fach­leuten, die müssen es wissen. Ich kann es ja nur machen. Fakt ist, dass junge Leute kein Fernsehen mehr gucken. Dass sie sich Serien über Stream anschauen.

Glauben Sie eigent­lich auch, dass »Serien das neue Kino« sind?

Borries: Ich weiß, was das Kino kann. Meine bisherige Fern­seh­ar­beit waren Auftrags­ar­beiten. Aber »Babylon Berlin« ist etwas anderes. Da sehe ich überhaupt keinen quali­ta­tiven Unter­schied in meiner Arbeit. Mit »Babylon Berlin« haben wir einen Zwölf-Stunden-Film gemacht, wenn man so will. Die Möglich­keit, Charak­tere über einen so langen Zeitraum zu erzählen, ist phan­tas­tisch. Man kann in Serien eine roman­hafte Tiefe erreichen, man kann mit Figuren in Abgründe, in Sack­gassen laufen, wie im richtigen Leben – und sie trotzdem nicht verlieren. Damit sind Serien eine neue, andere Form filmi­schen Erzählens. Zugleich verlagert sich das Kino leider gerade zunehmend auf Block­buster und Event­filme, konzen­triert sich auf die unmit­tel­bare physische Erleb­bar­keit von Gefühlen. Selbst beim jetzt so gehypden »The Revenant« ist die Story, wenn man aus dem Kino geht, schnell vergessen.
Da können Serien im Vergleich in seiner Breite viel intel­li­genter erzählen. Also gibt es Film einer­seits und Abspiel­me­dien ande­rer­seits. Und das Kino ist das beste Abspiel­me­dium, aber Serien können natürlich nur wenige Auser­wählte im Kino sehen, die sich einen Tag Zeit nehmen können.

Was können wir von den Ameri­ka­nern heute lernen?

Borries: Vertrauen und Geduld. Der Seri­en­boom kam durch einige wenige Sender wie HBO. Die mit ihren Serien nicht sofort schwarze Zahlen geschrieben haben. Aber Sie haben daran geglaubt: Die Leute werden das verstehen. Bei uns dagegen haben öffent­lich-recht­liche Sender wie Privat­sender über zwanzig Jahre syste­ma­tisch daran gear­beitet, ihr Publikum zu verdummen. Indem man immer flacher, immer einfacher, immer simpli­fi­zierter erzählt, möglichst so, dass es wirklich keinerlei Latenz mehr gibt, keinerlei Fragen. Indem man alles, was Film inter­es­sant macht, elimi­niert. Wenn man guckt, wie da auf Quote geschielt wird. Es gibt natürlich Ausnahmen: Mit dem HR habe ich drei tolle Arbeiten gemacht. Weil da eine Leitung war, vom Inten­danten bis zu den Redak­teuren Liane Jessen und Jörg Himstedt, die gesagt haben: »Tatort« guckt sowieso jeder, also macht mal etwas anderes.
Die Quote ist sowieso nicht das Maß, an dem sich ein öffent­lich finan­ziertes System messen lassen soll. Wenn es wirklich nur um Quote geht, dann soll man es doch den Privaten über­lassen.

Es gibt heute einen inter­na­tio­nalen Mythos um Berlin, der Hand in Hand geht mit dem Stadt­mar­ke­ting des Senats. Da wird immer wieder auf extrem die angeblich so »goldenen« Zwanziger Jahre zurück­ge­griffen. Inwieweit bedient »Babylon Berlin« auch diese Berlin-Mytho­logie?

Borries: Wir bedienen den Mythos natürlich auf unsere Art. Aber Berlin war tatsäch­lich ein faszi­nie­render Ort, und unglaub­li­cher Magnet: Die Inter­na­tio­na­lität von damals haben wir erst heute wieder. Berlin war eine Boomtown, attraktiv für junge Leute, es gab massive Vertei­lungs­kämpfe, eine extreme Dichte.
Einer­seits Kriegs­folgen und wie heute eine massive Finanz­krise, gleich­zeitig die Kabaretts, die Ball­häuser, die Kinos, die Bordelle – Berlin hatte extrem frei­zü­gige Vergnü­gungs­mög­lich­keiten damals. Tanz­paläste, Sport­paläste, Film­paläste, das alles wollen wir wieder aufleben lassen. Ein unglaub­li­ches Unter­fangen, wenn man die Stadt Berlin mit ihrer Bausub­stanz heute anguckt.
Berlin war immer der böse Zwilling von New York oder Paris. Es war immer schmut­ziger, immer etwas ärmer und vulgärer als das feinere Paris. Das ist übrigens das Tolle an den früheren Fallada-Büchern: Die Atmo­sphäre der normalen Leute, etwa von einer Familie, die zu fünft in einem Zimmer lebte, hat er aufge­griffen.

Was ist spannend am Berlin von heute?

Borries: Natürlich wird es irgend­wann zum Disney­land. Aber wenn ich meine Berlin-Erfahrung nehme: Ich bin 1989 nach Berlin gekommen. Das war bis zur Jahr­tau­send­wende ein fast rechts­freier Raum. Es gab eine enorme Freiheit: illegale Bars, Aufbruch aller­orten, Chaos. So stelle ich mir das auch nach der Revo­lu­tion und der Kata­strophe des Ersten Welt­kriegs vor. Nur ungelenkt, arm und noch weniger demo­kra­tisch aufge­fangen.
Unsere Serie wird natürlich diesen Mythos des Zwanziger-Jahre-Berlin wieder beleben. Es gibt außer »Cabaret« kaum Filme, die davon erzählen. Und wenn dann aufgrund der Serie alle Inves­toren kommen, und die Mieten noch teurer werden, dann entschul­dige ich mich jetzt schon bei allen.

Gibt es auch eine poli­ti­sche Aktua­lität der Weimarer Republik?

Borries: Ja, in der Flücht­lings­de­batte. Es gibt gerade wieder eine Angst vor dem Fremden. Es gibt gewisse Paral­lelen: Damals war Deutsch­land auch ein Einwan­de­rungs­land. Die jungen Männer kamen aus Osteuropa und wollen alle das Gleiche: Arbeit, ein Dach überm Kopf und viel­leicht eine Frau. Die Weimarer Republik zeigt uns, wie fragil alles ist. Das sieht man in Syrien, einem extrem zivi­li­sierten Land, das gerade in Blut und Chaos versinkt.
Und 1929 waren die Nazis eine baye­ri­sche Spin­ner­truppe, in der man keine Gefahr erkennen wollte.

Gibt es hier auch eine Verant­wor­tung des Künstlers – muss man als Filme­ma­cher auch politisch Stellung beziehen, über Unter­hal­tung hinaus­gehen und dann im Unter­hal­tungs­ge­wand noch etwas anderes erzählen, was dann politisch bildend ist?

Borries: Ich finde, man hat als Künstler eine große Verant­wor­tung. Ich will die aber nicht dauernd bedenken müssen. Es muss einen Grund geben, warum ein Film gemacht wird. Aber mit poli­ti­schen Bekennt­nissen tue ich mich schwer, weil ich als Zuschauer auch nicht politisch korrekte austa­rierte Kommen­tare sehen will.
Ich will kein Publikum erziehen. Aber ich will es gewinnen. Ich will einen Film so machen, dass ich selber ihn gut finde.