Die unsichtbare Falle

The Spanish Prisoner

USA 1997 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: David Mamet
Drehbuch:
Kamera: Gabriel Beristain
Darsteller: Campbell Scott, Steve Martin, Rebecca Pidgeon, Ben Gazzara u.a.
Campbell Scott und Rebecca Pidgeon

Im spanischen Gefängnis

Ich traue niemandem, am wenigsten mir selbst. sagte schon Groucho Marx. Es ist ja auch nichts, wie es scheint. Das sieht man schon an der fröhlich herum­krähenden Susan. Ich bin ein Sekre­tä­rinnen-Typ behaup­tete sie von sich, und als sie den ahnungs­losen Joe zu sich einlädt, stellt sich bald heraus, daß das Mädel, das ihre Wohnung so opti­mis­tisch als die über der Sunshine-Bakery ange­kün­digt hat, eine Video-Wach­an­lage und zwei Vorhän­ge­schlösser besitzt und auch sonst nicht alle Tassen im Schranken hat.

Der Wissen­schaftler Joe Ross hat auf einer Geschäfts­reise ganz zufällig den freund­li­chen Jetsetter Jimmy Dell kennen­ge­lernt. Von da an wider­fahren Joe, der eine exklusive Erfindung zu hüten und verkaufen hat, die merk­wür­digsten Dinge, Verab­re­dungen werden nicht einge­halten, die Geschäfts­partner geben sich plötzlich höchst illoyal und Joes Freund und Komapgnon wird erstochen aufge­funden. Die Tatwaffe ist Joes eigenes Messer. Dreh- und Angel­punkt all dieser Wirrnisse ist der ominöse Jimmy Dell, der mal spurlos verschwindet, mal als helfender Kumpel wieder auftaucht.

Joe Ross ist eine Rolle, die dem jungen Henry Fonda einen glän­zenden Auftritt verschafft hätte: Der zu nette, ein bißchen doofe Junge, der sich tief ins Schla­massel verrennt und schließ­lich allen Grund hat paranoid zu werden. Statt dem aus nahe­lie­genden Gründen verhin­derten Fonda muß der etwas blasse Campbell Scott sie ausfüllen, indem er nur die Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur für den stau­nenden Zuschauer abgibt. Zu staunen gibt es aber wirklich genug, nicht etwa lose Balle­reien, sondern eine Geschichte mit dutzenden Finten, Fall­stellen und Bumerangs, wobei alle kurz zuvor gemachten Erkennt­nissen im Nu wieder über den Haufen geworfen werden. Drum sei an dieser Stelle die komplexe Story nur andeu­tungs­weise verraten. Die erste Täuschung ist schon die Besetzung von Steve Martin als Dell. Nichts erinnert hier an Martins komö­di­an­ti­sche Vergan­gen­heit. Als Hauptfinte wurde von der deutschen Kritik schon der Origi­nal­titel The Spanish Prisoner gewertet, wohl im Gedenken an Henscheids Mätresse des Bischofs. Mit einem spani­schen Gefängnis ist aller­dings eines gemeint, dessen Gitter man nicht bemerkt, insofern ist der Titel für diesen geist­rei­chen Mystery-Thriller höchst zutref­fend, denn Joe versteht darin wirklich nur spanisch.

Bei den Action­szenen hingegen zeigt sich, daß ein Thea­ter­mann dahin­ter­steckt. Der Drama­tiker David Mamet ist als Film­re­gis­seur nicht fähig, Knarren span­nungs­stei­gernd ins Bild zu bringen. Sobald eine Pistole gezückt wird und die Bewe­gungen der Schau­spieler schneller werden müßten, wirds lahm. Auch das etwas zügellose Geschwätz verweist auf den Autoren, der dem Wort mehr vertraut als seinen Bildern. Mamet liebt Kammer­spiel­kon­stel­la­tionen. Für sein Buch zu Wag the Dog, wo kaum mehr als ein kleiner Präsi­den­ten­be­ra­ter­stab zu sehen ist, hat er schon den Lewinsky-Skandal voraus­ge­ahnt, und im Exis­ten­zia­listen-Thriller The Edge wanken meist nur zwei Männer durch die Wildnis, bereit sich jeden Moment zu zerflei­schen. Wirkten diese beiden Bücher noch wie Versuchs­an­ord­nungen, so belebt der Autor als sein eigener Regisseur mit feinem Sinn und manchmal Hitchcock-artiger Eleganz die wüste Konstruk­tion seines Krimi-Gewirrs und sorgt für gehörige Zweifel an der Harm­lo­sig­keit unseres Alltags. Wie oft wird man zum Beispiel von japa­ni­schen Touristen foto­gra­fiert, und wieviel Beweis­mittel, Verdäch­tige, Vermisste mögen auf solchen Bildern zu sehen?

Nach diesem Film weiß man, daß niemandem zu trauen ist, jeder harmlose Passant ist verdächtig. Ist der Straßen­feger ein Verbün­deter? Gehören der Typ, der im Park sein Fahrrad repariert, und der Jogger auch zum FBI, oder sind sie alle nur Schufte, die uns unsere Erfin­dungen wegnehmen wollen? Ich jeden­falls kauf mir jetzt eine Videoüber­wa­chung.

Katz und Maus

Der unsicht­bare Hitchcock

In North by Northwest (Der unsicht­bare Dritte) erzählt Alfred Hitchcock die Geschichte eines Mannes, dem plötzlich sein geord­netes Leben aus den Fugen gerät. Obwohl er versucht, zu igno­rieren, wird er in den Sog einer Verschwö­rung gezogen, und es bleibt ihm nichts übrig, als den aussichtslos schei­nenden Kampf mit einem über­mäch­tigen Gegner aufzu­nehmen. Weil sich das alles im Kino abspielt, geht es – anders als im Leben – gut aus, und der alte Jung­ge­selle Cary Grant bekommt auch noch eine schöne junge Frau, wie sie sich seine Mutter schon lange für ihn gewünscht hat.

Eine etwas pessi­mis­ti­schere Variante der gleichen Geschichte erzählt nun David Mamet. An Abgrün­dig­keit, Verwor­ren­heit und Intel­li­genz steht Die unsicht­bare Falle dem großen Vorbild kaum nach, es ist ein atmo­s­phä­risch dichter, über weite Strecken span­nender Thriller geworden. Was ein wenig fehlt, sind die großen spek­ta­ku­lären Szenen, und auch die Poesie des Augen­blicks. Mamet inter­es­siert sich deutlich mehr für Milieu und Charak­ter­stu­dien, für Unschein­bares, und wer diesen Film sieht, mag gar nicht glauben, daß Mamet, als Dreh­buch­autor etwa für einen so filmisch komplexen Reißer verant­wort­lich war wie Brian de Palmas The Untoucha­bles.

Was hier besticht, ist außer der Atmo­s­phäre vor allem die Leistung der Schau­spieler: Campbell Scott als passiver Held, der sich immer weiter in eine aussichts­lose Lage verstrickt, und erst am Ende wirklich begreift, für welch' perfide Spiel man ihn mißbraucht hat, ist großartig. Steve Martin als sein Gegen­spieler darf endlich all der Dämonie freien Lauf lassen, die man seinen vielen Komö­di­en­auf­tritten unter­gründig immer schon angemerkt hat. Und Ben Gazzara, der im Augen­blick seinen dritten Hollywood-Frühling erlebt, ist auch in einer Neben­rolle eine Augen­weide.
Gründe genug, um diesen Film zu schätzen.

Der einzige, leider schwer­wie­gende Wermuts­tropfen ist die allzu schlichte Auflösung der komplexen Geschichte. Viel­leicht hat das Mamet einfach nicht mehr inter­es­siert, viel­leicht wollte er nur zeigen, wie es einem ergeht, dem alles, wirklich alles aus den Fugen gerät, bis das Leben mit ihm Katz und Maus spielt? Aber mit diesem Ende macht er es sich zu leicht.