Ocean's 13

Ocean's Thirteen

USA 2007 · 122 min. · FSK: ab 0
Regie: Steven Soderbergh
Drehbuch: ,
Kamera: Peter Andrews
Darsteller: George Clooney, Brad Pitt, Matt Damon, Al Pacino, Ellen Barkin u.a.
…wenn schöne Männer böse Dinge tun

Schöne Männer, schöne Dinge

Flat pack: Ein filmi­sches Anti­de­pres­sivum, aber auch ein wenig lang­weilig

Ein Split­screen teilt die Leinwand entzwei, so, wie er es vor allem in den 60er Jahren gerne tat, als in Hollywood das berüch­tigte »Ratpack« um Frankie Sinatra und seine Spieß­ge­sellen sein Unwesen trieb, es erklingt cool-weiche Jazzmusik, und man sieht maskierte Safe­kna­cker bei der Arbeit. Gerade als der Boss der Räuber den Code der letzten Stahltür fast entschlüs­selt ist, klingelt das Handy, der Boss geht ran, zieht die Maske ab, und Brad Pitt verschwindet, ohne noch auch nur einen letzten Blick auf die entgan­gene Beute zu werfen: »Gotta go!« – »Muss weg!«

So geht es los in Ocean’s Thirteen, zum dritten Mal nach Ocean’s Eleven und Ocean’s Twelve trommelt Danny Ocean (George Clooney) seine Kumpel zusammen, zum dritten Mal winkt eine große Beute, und zum dritten Mal ist das Drumherum, sind Drinks, Klamotten, Frauen und die Form des schönen Lebens wichtiger, als der Inhalt aller Geschichten und aller Safes der Welt. Am Anfang begegnet man diesmal dem egoma­ni­schen Casi­no­boss Willy Bank – was für ein Name für einen Tycoon des Glück­spiels! –, verkör­pert von Al Pacino. Der zieht Dannys Freund Reuben Tishkoff (Elliott Gould) mit einem Trick über den Tisch. Mitten in Las Vegas baut er ein Luxus-Casino mit ange­schlos­senem Hotel, und auf dies hat es Ocean nun abgesehen – er will sich an Bank rächen.

Die Ausfüh­rung dieses Raubes ist so kompli­ziert und absurd wie das Szenario eines Science-Fiction-Films. Unter anderem wird ein künst­li­ches Erdbeben ausgelöst, um das Sicher­heits­system außer Kraft zu setzen, Hubschrauber, Viren, mit Magneten mani­pu­lierte Würfel, ein Arbei­ter­streik und Erpres­sung kommen ebenso zum Einsatz wie die Chuzpe von Rusty Ryan (Brad Pitt), die Verfüh­rungs­kraft von Linus Caldwell (Matt Damon) und der Charme von Ocean.

Dasein als Super-Constel­la­tion

Man kann wirklich nicht viel falsch machen, wenn man für seinen Film George Clooney, Brad Pitt und Matt Damon als Haupt­dar­steller gewinnt. Wenn Al Pacino und Ellen Barkin Neben­rollen spielen. Zu schweigen von Andy Garcia, Vincent Cassel, Elliott Gould und Carl Reiner, die auch noch mitmachen. Wenn es aller­dings dabei bleibt, und nicht noch irgend­etwas anderes dazukommt, dann macht man auch nicht alles richtig.

Ocean’s Thirteen, der neueste Film von Steven Soder­bergh, knüpft an Ocean’s Eleven und Ocean’s Twelve an, mit denen der Regisseur, nach wie vor einer der wenigen Auto­ren­filmer in den USA, das Geld verdiente, das er brauchte, um die Filme zu machen, die ihn wirklich inter­es­sieren. Nicht, dass ihm die beiden Vorgänger völlig egal waren – im Gegenteil ist Soder­bergh ja kein Feind des Genre­kinos – aber hinter aller schicken Ober­fläche des Films nahm doch irgend­wann im Kino das Gefühl überhand, dass hier mehr Gele­gen­heiten verschenkt, als genutzt wurden. Soder­bergh hatte offenbar gerade ganz andere Dinge im Kopf, als einen »Heist«-Film, was er zwischen­durch mit den sehr unter­schied­li­chen, aber glei­cher­maßen bril­lanten bis hoch­in­ter­es­santen Solaris, Full Frontal, Bubble und The Good German ebenso bewies, wie mit seiner Produ­zen­ten­tä­tig­keit, der unter anderem Syriana und A Scanner Darkly entsprangen.

Jackpot & Mallorca

Im Unter­schied zu diesen, wo Form und Inhalt zusam­men­fielen, und etwas Drittes, Inno­va­tives ergaben, waren Ocean’s Eleven und Ocean’s Twelve nur Form. Klar, »Der Film selbst ist der Coup...«, da hatte die »Süddeut­sche Zeitung« nicht unrecht. Aber um ein bisschen mehr ging es dann dabei doch: Ganz beiläufig, lässig eben, sollte die Geld­ma­schine auch eine Ästhetik der Coolness formu­lierren, knapp hinter dem Höhepunkt der New Economy kurz über­prüfen, wie dauerhaft tauglich die Posen der jugend­li­chen Spaß­ge­sell­schaft sein können, ob als Technik alltäg­li­cher Selbst­be­haup­tung oder sogar als post­m­e­ta­phy­si­scher Sinn­er­satz. Der Erfolg von Ocean’s Eleven – allein in Deutsch­land sahen ihn Anfang 2002 vier­ein­halb Millionen Zuschauer – bestä­tigte das utopische Potential, das schlichter Hedo­nismus eben hat. Gut aussehen und genug Geld haben ist genau dass, was sich das Publikum für sich selber wünscht – in profaner Form als Lotto-Jackpot und Mallorca natürlich; ein Casino ausrauben würden dafür dann doch nur die wenigsten – und darum erträgt der Durch­schnitts­bürger gern zwei Stunden lang im Kino ein Dutzend Figuren, die ihm im »wahren Leben« oder in den Feuille­tons der Tages­zei­tungen sofort als blasierte Schnösel aufstoßen und den Tag verderben würden. Oder er merkt gar nicht, wie ihm Soder­bergh in George Clooney und Brad Pitt nicht eine Stei­ge­rung, sondern das Gegenteil seiner selbst vor Augen hält.

Ästhetik des Coolen

Zur erwähnten Ästhetik des Coolen gehört für Soder­bergh auch der Bruch mit der Vorstel­lung bruch­loser, also jugend­li­cher Schönheit. In dem Sinn kann man die Ocean’s-Filme auch als Gegen­ent­wurf zum Spiel­berg­schen, eher dem Peter-Pan-Muster ewiger Jugend verpflich­teten Modell verstehen. Nicht zufällig bildete Frank Sinatra die gemein­same Refe­renz­fläche beider Regis­seure. Sein Lied Come fly with me feiert in Spiel­bergs Catch Me If You Can ähnlich wie bei Soder­bergh die unend­liche Leich­tig­keit eines Daseins als relaxter perma­nenter Super-Constel­la­tion: Ein gutaus­se­hender junger Mann hält unter blauem Himmel immer neue schöne Frauen im Arm, trägt Mass­an­züge und wohnt in den Prinzen-Suiten der Luxus­ho­tels.
Catch Me If You Can ist auch cool – im Gegensatz zu vielen Spielberg-Filmen. Aber es ist der bessere Film als Soder­berghs, weil die Coolness für die von Leonardo DiCarpio gespielte Haupt­figur des Betrügers Frank W. Abagnale eben etwas ist, was diese sich erst erkämpfen und aneignen muss, keine Selbst­ver­s­tänd­lich­keit. Spielberg zeigte eine Leich­tig­keit, die weniger leicht ist, als sie scheint – und zerstörte das Ganze um ein Haar mit einem mora­li­sie­renden Schluß, wo Abagnale dann enttarnt und in den Dienst des FBI gestellt wird. Aber sie war doch immer auch als Coolness glaub­wür­diger, weil sie nicht so rotzig selbst­be­weih­räu­chernd, nicht so behauptet daherkam wie bei Soder­bergh. Denn, auch das gehört zur Ästhetik der Coolness: das Spie­le­ri­sche hat erst Wert, wenn es dem Ernst abge­trotzt ist, wenn es gute Gründe dafür gäbe, Angst zu haben, ange­spannt zu sein, sich alles andere, als spie­le­risch zu betragen. Coolness provo­ziert erst, wo sie nicht selbst­ver­s­tänd­lich zum guten Ton gehört.

…wenn schöne Männer böse Dinge tun

Leonardo di Carpio und Tom Hanks könnte man sich unter der Regie des pessi­mis­ti­schen Realisten Soder­bergh genauso wenig vorstellen, wie George Clooney in einem Film des Opti­misten und Pathe­ti­kers Spielberg. Zwei grund­ver­schie­dene Tempe­ra­mente. Wo Spielberg nicht alt werden kann und jeden Stoff wieder mit der Unschuld eines Kindes insze­niert – wenn auch in Filmen wie Minority Report und Catch Me If You Can deutlich gereift –, sagt Soder­bergh dem Jugend­wahn im Kino den Kampf an. Ein vers­tänd­li­ches Projekt, nach­voll­ziehbar für einen Regisseur, der die 40 schon über­schritten hat. Und richtig: Auch wenn der immer ernst­hafte Bubi Matt Damon einen Leonardo DiCarpio in einem Wett­be­werb der Milch­ge­sichter mit links besiegen würde, gibt es eben einen essen­ti­ellen Unter­schied zwischen hübschen Männern und gut ausse­henden. Das Anliegen, mit der Coolness der Älteren die weichere Haut der Jüngeren und nebenbei noch alle Compu­ter­tricks zu schlagen, ist jeden­falls zunächst einmal sehr sympa­thisch.
Das war schon das Prinzip des »Rat Pack« um Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davies Jr., das 1960 die Urfassung von Ocean’s Eleven inspi­rierte (auf deutsch: Frankie und seine Spieß­ge­sellen), die sich Soder­bergh dann vor drei Jahren für ein Remake vornahm: Kino, das soll eben nicht nur sein, »wenn schöne Frauen schöne Dinge tun« (Truffaut), es dürfen auch mal schöne Männer böse Dinge tun, erst recht, wenn sie über 40 sind – und um so besser, wenn man nebenbei noch ein bisschen erklären kann, was männliche Coolness heute ausmacht.

Lächeln, Charme, Augen­zwin­kern – die Form und das Drumherum

In Ocean’s Twelve erprobte Soder­bergh zum ersten Mal die Trag­fähig­keit dieses Konzepts für eine Fort­set­zung. Das alles sah erst einmal gut aus: Kein zweiter kann wie George Clooney ein Lächeln anstelle einer Handlung setzen, Charme anstelle von Härte, augen­zwin­kernde Unfähig­keit anstelle von Ambi­tionen. Nicht anders Brad Pitt, dem man die Erfahrung als Achilles in Petersens Troja – in jeder Hinsicht das Gegenteil eines Soder­bergh-Films – nicht anmerkt. Inzwi­schen hat er gelernt, dass es völlig genügt, seinem Gesicht zu vertrauen, damit die Zuschauer(innen)herzen ihm zufliegen, und wenn er muss, kann er trotzdem auch jederzeit genau das nötige Stück mehr tun. Schließ­lich Andy Garcia, einer der größten Unter­schätzten im US-Film­busi­ness, der wohl einfach zu gut aussieht, um die Rollen zu bekommen, die er verdient hätte. Über­ra­schen konnten nur Catherine Zeta-Jones und Vincent Cassell. Allein ihnen merkte man an, dass sie sich offenbar bewusst waren, gerade einen Film zu drehen – keine Anstren­gung, aber Konzen­tra­tion.
Soder­bergh hat sich schon immer viel mehr für Form und Drumherum seiner Filme inter­es­siert, als für deren Geschichten. Wenn man echte Spannung sucht, war man auch diesmal gewiß im falschen Film. Denn wie im Vorläufer domi­nierten in Ocean’s Twelve eindeutig die Schau­werte. Als Ort des Gesche­hens vers­tärkte »old europe«, der alte Kontinent als Spiel­wiese für ältere US-Gangster noch den nost­al­gi­schen Grundton des Films. Amsterdam, Rom, Comer See hießen die Schau­plätze.
Die Handlung kreiste um zweierlei: als McGuffin dient einmal mehr Andy Garcia, der im Verläu­fer­film beraubte, der nun sein Geld, 160 Millionen Dollar plus Zinsen zurück­haben möchte, und dafür Danny Ocean und seinen Spieß­ge­sellen 14 Tage Zeit gibt. Ande­ren­falls werde er sie umbringen. Warum diese Drohung überhaupt plausibel ist, warum sie nicht mit Flucht, besserem Schutz oder Gegendro­hung beant­wortet wird, erklärt der Film genauso wenig, wie die Tatsache, dass alle so glücklich darüber sind, wieder arbeiten zu müssen. Das hätten sie ja genau genommen auch früher haben können.
Aber egal. Auch später erschien immer dann, wenn die Handlung mal wieder zögerlich in Europas Gassen zu versi­ckern drohte, ein Deus ex machina – durchaus ein alteu­ropäi­sches Konzept. Mal ist es die Mutter von Matt Damon, mal ein allwis­sender Super­rei­cher, der dem Gang des Gesche­hens wieder eine neue Wendung und damit Schub­kraft verleiht. Eine Art Hilf-MacGuffin war dann noch der Wettkampf zu dem der fran­zö­si­sche Einbre­cher­star Toulour (Vincent Cassel). Zwar schlägt sich der Film hier auf die falsche Seite, weil er den Gegensatz zwischen Snobismus und Coolness als Gegensatz zwischen europäi­scher Anstren­gung und ameri­ka­ni­scher Entspannt­heit allzu schlicht und mit den falschen Vorzei­chen insze­nierte. Die Publi­kums­er­zie­hung, die Soder­bergh prak­ti­ziert, ging hier in die falsche, anti­eu­ropäi­sche Richtung.

Schweigen in Zeiten der Krise

Das alles funk­tio­nierte für sich, aber zusam­men­ge­nommen war es zuviel der Zumutung. Insgesamt war Ocean’s Twelve nur zum Teil wirklich so jazzig-elegant, wie der Film gern wäre. Die Musik war schön, aber arg kommen­tie­rend, die Kamera manchmal einfach fahrig und schlecht, blöde hinge­schlurt eben. Das scheint auch Soder­bergh im nach­hinein nicht gefallen zu haben – der sie selber führte. So war die Form des Films keines­wegs so abwechs­lungs­reich, wie sie sein könnte, und selbst die Makel­lo­sig­keit eines Werbe­spots wurde nicht erreicht. Vielmehr artete die relaxte Grund­hal­tung oft in selbst­ge­fäl­lige Schaum­schlä­gerei aus, weil offenbar auch die Macher die Sache nicht ernst genug nahmen.

Trotzdem ist die Leich­tig­keit dieses Films alles andere als einfach herzu­stellen. Um so mehr Respekt verdient die Insze­nie­rung Soder­berghs: Cool und unauf­dring­lich setzt er seine tech­ni­schen Tricks ein, über­blendet, verdop­pelt per Split­screen die Bewe­gungen seiner Stars oder stimmt sie aufein­ander ab, das ist chic, elegant und lässig und außerdem nost­al­gisch. Und am Ende singt Frank Sinatra:

»This town is a lonely town
Not the only town like-a this town,
This town is a make-you town
Or a break-you-town and bring-you-down town…«

»What can I say?« – »Nothing.« – »That’s what I said.«

Wie seine Vorgän­ger­filme zele­briert nun auch Ocean’s Thirteen den Männer­bund: Frauen scheinen diese Welt vor allem zu stören, nur zwei kommen im ganzen Film überhaupt vor: Eine korrupte Hotel­por­tiere und die von Ellen Barkin gespielte, deutlich unbe­frie­digte und Lady-Macbeth-artige Casino-Managerin, deren schwacher Punkt junge Männer sind. Man kann beim besten Willen nicht behaupten, dass die Story für einen guten Film ausreicht, sie ist nur löchrig geknüpft, unaus­ge­goren und vorher­sehbar. Nichts hier ist über­ra­schend, doch auch wenn der Film zwischen­durch unglaub­lich lang­wei­lige, schlechthin öde Passagen hat, und auch in seinen besten nie mehr ist, als Enter­tain­ment um des Enter­tain­ment willen, schaut man gerne zu.

Denn der Verzicht auf eine Story ist gerade die Stärke des Films. Es geht um nichts anderes, als perfektes Timing, gute Klamotten, bessere Sprüche und das Schweigen im richtigen Moment. Wie seine Vorgänger lebt auch Ocean’s Thirteen letztlich vor allem vom guten Aussehen der Darsteller, und von kurz-lässig-sinnlos-hoch­amü­s­anten Dialogen wie »What can I say?« – »Nothing.« – »That’s what I said.« Und davon, wie er das Glück des Gewinnens und die Lust am Leben zele­briert. Elegant und stylish gedreht tun schöne Männern schöne Dinge, umgeben von Luxus­gü­tern und der Kunstwelt von Las Vegas.
Dass Ocean’s Thirteen ganz konse­quent auf dieser Ober­fläche beharrt, auf der schönen Sinn­lo­sig­keit und der Zweck­frei­heit des Schönen, das macht dieses nett anzu­se­hende Nichts in unseren Zeiten, in denen ange­sichts von Depres­sion und Krise aller­orten »Sinn« und »Ernst« einge­for­dert wird, fast schon zu etwas Subver­sivem. Man könnte sich das alles besser gemacht und weniger redundant vorstellen. Aber ein Anti­de­pres­sivum ist Ocean’s Thirteen auf alle Fälle.