Looper

USA 2012 · 119 min. · FSK: ab 16
Regie: Rian Johnson
Drehbuch:
Kamera: Steve Yedlin
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Bruce Willis, Emily Blunt, Jeff Daniels, Piper Perabo u.a.
Ein neues Rumpelstilzchen

Heute back ich, morgen brau ich

Science Fiction vom feinsten ist in der Literatur so selten wie im Film. Umso beglü­ckender also die Momente, wenn es wieder einmal so weit ist. Wenn Genre­grenzen gesprengt und die klas­si­schen Erzähl­muster verlassen werden, aber dennoch eine subtile Spannung erzeugt, frap­pie­rend elegant erzählt und mora­li­sche Fragen über­ra­schend anders verhan­delt werden. Duncan Jones Moon war solch ein Moment und zwei Jahre später das DVD-Release des Remakes von Batt­le­star Galactica. Dass derartige Momente auch ohne Raum­schiffe und Weltall möglich sind, hat schon Tarkowski in seinem Stalker gezeigt oder erst vor ein paar Jahren ähnlich dysto­pisch vers­tö­rend Alfonso Cuarón mit seinen Children of Men.

Cuaróns eindring­liche Bilder­welten einer durchaus noch erkenn­baren, aber von sozialen Rissen geprägten Zukunft sind auch in den Stadt­se­quenzen von Rian Jonhsons Looper zu finden, ein wenig variiert und entvöl­kerter, aber das die Welt des Jahres 2044 keine ideale Welt ist, liegt auf der Hand. Einer der noch einträg­lichsten Jobs ist der des Loopers, eine Art Auftrags­killer für Opfer einer Verbre­cher­or­ga­ni­sa­tion, die ihre Opfer aus einer 30 Jahre entfernten Zukunft dem Looper vor die Waffe beamen. Das irgend­wann jedem Looper auch das eigene Ich aus der Zukunft vor die Waffe kommt, gehört zum Geschäft und wird dement­spre­chend höher entlohnt, ist aber unver­meid­lich, um dem Syndikat die nötige Sicher­heit zu gewähr­leisten. Doch als Joseph (Joseph Gordon-Levitt) über­ra­schen­der­weise von seinem 30 Jahre alten Ich (Bruce Willis) über­rum­pelt wird und fortan sich selbst jagen muss, gleich­zeitig aber vom Syndikat für diese Verfeh­lung verfolgt wird, geraten die Struk­turen ins Wanken. Nicht nur die Erin­ne­rung seines älteren Ichs wird ständigen Neuschrei­bungen der eigenen Geschichte unter­worfen, auch, weil der junge Joseph eine nie gekannte Gegenwart/Vergan­gen­heit erlebt. Nicht nur mutiert er vom Jäger zum Gejagten, sondern trifft auch auf Sara (Emily Blunt) und ein Leben auf dem Land, das nicht nur ihn, die Zukunft seines Ichs und die der ganzen Gesell­schaft, sondern auch den Film in ein neues Genre kata­pul­tiert.

Zwar gibt es weiterhin kurze Abstecher in die dysto­pi­schen SF-Stadt­land­schaften, aber eigent­lich führt Johnson Looper nun in filmische und drama­tur­gi­sche Gefilde, die stark an Peter Weirs Der einzige Zeuge erinnern, versetzt mit wohl dosierten Horro­r­ele­menten und einem furiosen, atem­be­rau­benden philo­so­phisch durch­setzten Ende, dass den Film an sich schon wert ist.

Doch Looper über­rascht nicht nur durch sein Ende. Die schier endlosen weiteren Ebenen des Films – sei es die unheim­li­chen Brüche einer Vater/Sohn = junges Ich/altes Ich-Beziehung oder der sublime Subtext zur Entste­hung tota­litärer Gesell­schafts­ein­heiten sind so fein in die hand­lungs­be­tonte Geschichte einge­bettet, dass man immer wieder in ein heilsames Stolpern und Staunen gerät, ganz so wie einst die arme Müller­s­tochter über das aus dem Nichts fein gespon­nene Gold von Rumpel­stilz­chen. Eine Asso­zia­tion, die auch bezüglich anderer inhalt­li­cher Kompo­nenten besticht, so dass Looper u.v.a. auch eine faszi­nie­rende Neuin­sze­nie­rung des alten Grimm­schen Märchens und seines bitteren Kernreims ist:

»Heute back ich, morgen brau ich
Über­morgen hol ich der Königin ihr Kind;
Ach, wie gut ist, dass niemand weiss,
dass ich Rumpel­stilz­chen heiss!«