Liebe in jeder Beziehung

The Object of My Affection

USA 1998 · 112 min. · FSK: ab 6
Regie: Nicholas Hynter
Drehbuch: ,
Kamera: Oliver Stapleton
Darsteller: Paul Rudd, Kali Rocha, Jennifer Aniston, Lena Cardwell u.a.

Schwule Charak­tere und schwule Stoffe sind spätes­tens seit dem La cage aux folles-Remake Birdcage endgültig holly­wood­fähig geworden. Zwar findet das Thema zumeist noch vorwie­gend in Komödien (In & Out) oder Melo­dramen (Phil­adel­phia) seinen Raum, doch eine Entkramp­fung ist schon lange unüber­sehbar.
Nun hat sich also Nicholas Hynter (The Madness of King George, Hexenjagd) an die Umsetzung des Romans »Object Of My Affection« von Stephen McCauley gemacht.

Wieder eine Komödie und wieder ist Schwul­sein auf der Leinwand ein Stückchen normaler geworden: Der sympa­thi­sche Grund­schul­lehrer George Hanson zieht nach der Trennung von seinem Freund bei der Sozi­al­päd­agogin Nina Borowoski ein. Sie kennen sich kaum, aber schnell entsteht eine innige Freund­schaft, die Ninas Liebhaber Vince argwöh­nisch beob­achtet. Schließ­lich wird Nina von Vince schwanger, wünscht sich aber, das Kind mit George aufzu­ziehen.
Doch schnell wird deutlich: Sie will mehr, sie will George. Der hat sich aller­dings gerade in den Schau­spieler Paul verliebt. Eine verzwickte Situation, die natürlich ewige Fragen aufwirft wie: »Sind Schwule die besseren Männer?« und »Können Frauen und Männer befreundet sein oder kommt irgend­wann immer der Sex dazwi­schen?« Letzteres wurde ja schon in Chasing Amy mit umge­kehrten Geschlech­tern und sexuellen Vorlieben recht erfolglos durch­dis­ku­tiert, und auch Liebe in jeder Beziehung hat keine sonder­lich orig­nellen Antworten. Denn letztlich wird alles in realtiv gere­gelten Bahnen geleitet und das »Wir-sind-eben-anders« (Zitat George) zu keiner Zeit wirklich umgesetzt. Vorwerfen kann man dem Film das aller­dings nicht, da er nie vorgibt, einen eman­zi­pa­to­ri­schen Anspruch zu verfolgen. Zwar werden gele­gent­lich sehr hübsche kleine Seiten­hiebe verteilt gegen Vertre­terInner pseudo-liberaler Political Correct­ness (»Sie sind doch schwul, sie sollten sich für Minder­heiten einsetzen.«), aber ansonsten bleibt alles schön fami­li­en­taug­lich.

George ist der Normalo-Schwule schlechthin, der ganz selbst­ver­s­tänd­lich in der Gesell­schaft akzep­tiert wird. Eine solche Darstel­lung entspricht sicher dem Wunsch eines nicht kleinen Teils der Gay Community. Viele schwule Zuschauer werden aufatmen und sagen: Endlich mal ein normaler Schwuler im Kino. Kein Freak, keine Transe, kein Verzwei­felter (und das ist wahrlich schon was wert).
Doch auch das Normalo-Schwul­sein beein­haltet so seine Fallen: Das einzige wodurch sich George von den hete­ro­se­xu­ellen Charak­teren unter­scheidet, ist seine Homo­se­xua­lität, und die ist in seinem Fall allein auf die Sexua­lität reduziert (was das Wort Homo­se­xua­lität uns fälsch­li­cher­weise immer vorgau­kelt). Georges Andersein reicht nicht über seine Bett­kannte hinaus, und deshalb macht Nina sich auch so lange Hoff­nungen. Diese gibt sie erst zögernd auf, nachdem George Sex mit einem Mann hatte.

Hinzu kommt, daß Hynter Georges Sexua­lität äußerst dezent visua­li­siert. Ähnlich wie Nina kann das Publikum dadurch vor Georges Schwul­sein das sich ja nur in seinem Sex äußert lange praktisch »die Augen verschließen«. Nichtmal ein längerer Kuß zwischen zwei Männern ist in Liebe in jeder Beziehung zu sehen. George und Paul werden höchstens »danach« im Bett gezeigt. Am stärksten wirkt noch Georges verschwit­zter Rücken bei einem Streit mit Nina – ebenfalls »danach«. Es ist zwar von der ersten Minute an klar, daß George schwul ist, doch wirklich glauben und akzep­tieren müssen es die Zuschau­erInnen gemeinsam mit Nina erst am Ende des Films. Homo­se­xua­lität weich­ge­spült mehr ist in Hollywood-Komödien eben nicht möglich. Trotzdem ist Hynter eine recht unter­halt­samer Film gelungen, der nur gegen Ende etwas zu schwächeln beginnt. Sehr witzig fand ich zudem, daß Jennifer Aniston teilweise der jungen Barbara Streisand (bekannt­lich ein Schwu­len­schwarm) recht ähnlich sieht und dann auch noch Witzchen über ihre Nase gemacht werden.

Sex ist doch wichtig

Nicholas Hytner verfilmt Kalen­der­sprüche

»Eigent­lich mag ich Schwule« irgend­wann fällt dieser Satz, und im Grunde ist es das, was einem Regisseur Nicholas Hytner (der außer durch Theater- und Opern­in­sze­nie­rungen vor 3 Jahren mit dem wunder­baren Film The Madness of King George bekannt wurde) in diesem inter­es­santen, aber nicht guten Film mit auf den weiteren Lebensweg geben möchte. Ein paar andere Dinge kommen noch hinzu, preußi­sche Toleranz im Stil Fried­richs des Großen etwa, daß eben ein jeder nach seiner Facon selig werden solle. Der wich­tigste Kalen­der­spruch Hytners fällt gegen Ende des Films, und lautet »Man muß aufpassen, daß man nicht allein am Tisch sitzt, wenn das Leben am Schönsten ist«.

In diese Gefahr gerät Nina, die allein­ste­hende Haupt­figur aller­dings nie. Im Gegenteil, am Feel-Good-Ende hat sie außer einem Kind sogar vier Männer, sozusagen Sach­be­ar­beiter ihrer Lebens­be­reiche, die nichts anderes darstellen als eine in dieser Dichte selten gesehene Ansamm­lung von ausge­lei­erten PC-Klischees: Da ist vor allem George Hanson (Paul Rudd), der so zuckersüß und kinder­lieb ist, daß er der ideale Gatte für Nina wäre. Nur dummer­weise ist George schwul. Am Ende langt es immerhin noch für eine Rolle als Kinder­be­treuer bei Ninas Tochter.
Dann natürlich Vince, dem als Kinds­vater eine gewisse Bedeutung zukommt, der aber ansonsten ein solch unan­ge­nehmer Depp ist, daß er zuletzt haupt­säch­lich zur Zahlung der Alimente gebraucht wird, die einzige politisch-correkte Funktion, die einem hete­ro­se­xu­ellen weißen Mann noch zukommen kann.
Der sympa­thi­sche Shake­speare-Experte Rodney -ebenfalls gay, und insofern kein poten­ti­eller Kinder­schänder- dürfte die Bildung der Tochter in die Hand nehmen, und an Ninas Teetisch Konver­sa­tion machen. Und dann ist da noch ein Neger, pardon: Afro-Ameri­kaner, dessen Namen man nicht erfährt, und der man kennt ja die Qualitäten von Schwarzen- zu guter Letzt die sexuelle Betreuung Ninas übernimmt.

Bevor dies alles am Ende so fein säuber­lich aufge­reiht wird, ging es knapp zwei Stunden um die Frage, wie wichtig Sex ist. Obwohl Film nur dort gut ist, wo er Tabus bricht oder zumindest in Frage stellt, schlägt sich Regisseur Hytner dabei aber immer auf die sichere Seite: Weder traut er sich, Liebe ohne Sex als ideale Beziehung darzu­stellen, was ja immerhin einmal etwas Neues wäre. Noch wagt er mutig die Schwu­len­be­keh­rung durch Jennifer Aniston, die alle netten PC-Liberalen gegen den Film aufbringen würde (Hätte ja nicht gleich Bekehrung sein müssen, aber wenigs­tens einen kleinen Ausrut­scher hätte man gern gesehen, doch gerade als sie ihm die Levinsky machen will, klingelt das Handy. Pech gehabt. Aber diese Szene illus­triert, wie der Film letztlich feige ist, und auf halbem Weg stehen­bleibt).
Also muß schließ­lich doch getrennt werden, was nicht zusam­men­gehört, muß die irgendwie doch intakte hete­ro­se­xu­elle Main­stream-Familie wieder­her­ge­stellt werden, in der Frauen Männer, Töchter Väter, und Schwule andere Schwule und alle stabile, nicht promis­kui­tive Part­ner­schaften brauchen (»Man muß einen Menschen finden, und in ihm aufgehen« hören wir. MUSS man wirklich? Und gleich »aufgehen« ? Diese persön­liche Frage sei erlaubt), und man erlebt die verlo­genste Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung der letzten Jahre (Wobei wir gerecht bleiben wollen: Man kann Hytner noch nicht einmal vorwerfen, er würde verlogen die Familie verklären und als reinen Glücks­zu­stand darstellen. Das tut er nämlich nicht, er schildert nämlich Ninas Schwester Constanze, ein Horror­weib, aber eine gute Lach­nummer. Was Hytner schon eher tut, ist Familie zu einer Art natür­li­cher Ordnung zu erklären. Und im Kontext seines Film wirkt das reak­ti­onär. Eine echte Alter­na­tive zur Familie läßt Hytner seiner Haupt­figur aller­dings nicht: ein Mann muß her, keine Frage, offen ist nur welcher bzw. wieviele). Was lernen wir daraus ? Kalen­der­sprüche des modernen Lebens natürlich, zum Beispiel: »Besser ein Schwarzer als ein Schwuler«; »Glück gibt’s nur in der Familie«; »Sex ist doch wichtig«. Wie gesagt, eigent­lich mag Hytner Schwule.

Ein wenig erinnert somit alles an eine deutsche Bezie­hungs­komödie, in der ja auch gern Schwule als neue Spießbürger vorkommen, und Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung den Endsieg bedeutet. Auch hier spielt alles in der diesmal eben New Yorker- upper class, unter rich people, die anschei­nend nie arbeiten, und Weißwein schon zum Mittag­essen mengen­weise trinken. Aber man bekommt immerhin partiell mit, was sie alle tun. Alles in allem aber ist er filmisch gesehen zu nett, über weite Strecken lang­weilig insze­niert, lahmar­schig und voller unnötiger Klischees. Und Achter­bahn­fahrten auf Coney Island oder Spazier­gänge zu Klavier-Klim­per­klamper im Central Park machen allein noch keine gelungene Hollywood-Komödie, eben­so­wenig wie die unnötigen Anspie­lungen auf »You'll be my Lucky Star«. Immerhin: Alan Alda und Nigel Hawthorne sind super, Bridget Fonda hat einen lustigen Kurz­kurz­auf­tritt, und es gibt weißgott Schlim­meres.
Als ganz normale Komödie ist Liebe in jeder Beziehung eher besser als der derzei­tige Durch­schnitt, nicht platt, aber auch nicht andauernd witzig, eher melan­cho­lisch, etwa – in seinen wenigen starken Momenten – wie Frühstück bei Tiffany. Was an Liebe in jeder Beziehung aber überhaupt nicht befrie­digt, ist die Art, mit der die Themen dieses Films hier verhan­delt werden, bzw. nicht verhan­delt, wie sie ange­schnitten, dann aber wie gesagt feige hübsch glatt­ge­bü­gelt werden.

Psycho­ana­ly­tisch gesehen wird hier natürlich noch eine Geschichte erzählt, die wir unseren Lesern nicht vorent­halten möchten:
Jennifer Aniston ist Georges Geliebte, aber natürlich nicht so sehr die Frau-Geliebte, wie die Mutter-Geliebte. Platter hätte man diese Mutter-Symbolik kaum darstellen können, als Hytner es tut, indem er sie die Hälfte de Films hoch­schwanger durch die Gegend rennen läßt, indem sie George beher­bergt, nährt, umsorgt, kuschelt, auch kurz mal Sex möchte, und dann doch vor dem Tabubruch zurück­schreckt. Nina ist geradezu eine Über­mutter, was ganz gut zu dem Sex-Appeal Jennifer Anistons paßt, die nämlich keinen hat, der über geschwis­ter­liche Kuschel­wün­sche hinaus­geht.
»Du bist der letzte Mensch auf der Welt, den ich verletzten möchte« sagt sie zu ihrem Bubi, wie jede gute Mutter. Nun, und am Ende muß sich George dann eben abnabeln, und Mami endlich akzep­tieren, daß der Bub doch nicht sie heiraten möchte. Das Kardi­nal­pro­blem aller Schwulen -wie sag ich’s meiner Mutter- ist hier symbo­lisch auf den Punkt gebracht.
Und da ist Hytner in all seiner Feigheit und wohl eher unbewußt als mit Absicht wirklich gut und stark.