Herzen

Coeurs

Frankreich/Italien 2006 · 125 min. · FSK: ab 12
Regie: Alain Resnais
Drehbuchvorlage: Alan Ayckbourn
Drehbuch:
Kamera: Eric Gautier
Darsteller: Sabine Azéma, Lambert Wilson, André Dussollier, Pierre Arditi, Laura Morante u.a.
Trutschige Frivolität

Gemeinsam einsam

In der vierten Jahres­zeit: Alain Resnais' Winter­reise Herzen

Ein Reigen, inmitten eines winter­li­chen Paris: Eine Gruppe von sieben Menschen ist sich durch Liebes­händel, versteckte Begehren, indi­vi­du­elle Leiden­schaften und gemein­same Einsam­keit verbunden: Makler Thierry (André Dussolier) flirtet mit seiner Mitar­bei­terin Charlotte (Sabine Azéma) und sucht für Nicole (Laura Morante in undank­barer Rolle) eine neue Wohnung. Thierrys hyste­ri­sche Schwester Gaëlle (Isabelle Carré) verliebt sich mit Hilfe des Barmanns Lionel (Pierre Arditi) in den uneh­ren­haft aus dem Militär entlas­senen Säufer Dan (Lambert Wilson). Dann sieht sie ihn mit seiner Verlobten Nicole

Liebe und Tod, Sehnsucht und Melan­cholie stehen im Zentrum dieses Films, dessen Schönheit zwar eine zeitlose ist, aber doch am Nächsten der Synthetik einer Fern­seh­revue aus den 70ern oder der einer Boule­vard­komödie, aus deren Klischees Insze­nie­rungs­ar­senal Resnais hemmungslos zitiert.

Zu den Schau­spie­lern ist aller­dings zu bemerken: Sabine Azéma ist Resnais' Frau, die er liebt, wogegen nichts zu sagen ist, die er aber zu gefällig und süßlich insze­niert. Die Verruchte unter der Spießer­maske mit reli­giösem Tick und selbst­ge­machten Mastur­ba­ti­ons­vi­deos nimmt man ihr aber nie ab. Was bleibt ist trut­schige »Frivo­lität à la française«. Nur behauptet. Isabelle Carré ist fast immer süßlich, ein Kitsch­püpp­chen, das als solche perfekt in diesen porzel­la­nigen Film passt. Wie diese beiden sind auch alle anderen Figuren über­zeichnet, und im Kern ziemlich banal.

Nach Smoking/No Smoking (1995) arbeitet der inzwi­schen 84-jährige fran­zö­si­sche Altmeister Alain Resnais (Nacht und Nebel; Letztes Jahr in Marienbad) in Coers/Herzen erneut mit dem engli­schen Drama­tiker Alan Ayckburn zusammen. Wie in Ayckburns Roman Private Fears in Public Places (Verbor­gene Ängste an öffent­li­chen Orten) den Resnais hier verfilmt, ist der Winter in diesem Fall vor allem ein Seelen­zu­stand. Und darum stört es auch nicht, dass die Flöckchen hier allzuweiß und sichtbar künstlich sind, und gele­gent­lich auch innerhalb der Räume rieseln.

Seinen Hang zur Künst­lich­keit hat Herzen mit früheren Filmen Resnais' gemeinsam. Was hinzu­kommt, und das Exal­tierte mancher Szenen wieder abbremst, ist aller­dings eine gewisse Gefäl­lig­keit, eine Lang­at­mig­keit, mit der sich der Film in den Details und Decors suhlt, und dem Zuschauer immer zuzurufen scheint, wie schön, wie bezau­bernd und herrlich skurril das doch alles ist, was man hier sehen kann. Im hohen Alter ist Resnais, einst einer der großen Forma­listen des Kinos und Haupt­ver­treter der fran­zö­si­schen Nouvelle Vague, also selber konven­tio­nell geworden, hat seine frühere Viel­schich­tig­keit verloren. Der einstige Vorkämpfer gegen das gediegene Studio­kino dreht bereits seit On connaît la chanson (1997) selbst nur noch im Studio, in Innen­räumen, beschränkt sich auf thea­ter­hafte Sets, betont die Bühnen­haf­tig­keit des Gesche­hens. Filmisch ist es nur in Momenten, wenn etwa die Wohnungs­be­sich­ti­gungen von oben durch eine gläserne Decke gezeigt werden.

Der Rebell gegen Opas Kino ist bei dem ange­kommen, was er einst bekämpfte. Das immerhin macht er noch inter­es­santer, perfekter und viel genauer, als die meisten seiner jüngeren Kollegen – lang­at­miges Senio­ren­kino, eine Art Daily Soap für die Gene­ra­tion-50-plus ist dies trotzdem.