The Good, the Bad and the Weird

Joheunnom nabbeunnom isanghannom

Südkorea 2008 · 130 min. · FSK: ab 16
Regie: Kim Jee-woon
Drehbuch: ,
Kamera: Lee Mo-gae
Darsteller: Song Kang-ho, Lee Byung-hun, Jung Woo-sung, Jo Kyeong-hun, Kim Kwang-il u.a.
Es reitet sich auch ohne Pferd ganz gut

In Zitatgewittern

Tarantino und die Folgen: Kim Ji-woons The Good, the Bad and the Weird

»Oh Lord, don’t let me be misun­ders­tood« – wenn, so in etwa in der hunder­sten Minute von The Good, the Bad and the Weird, Benny Benjamins Song erklingt, hat man diesen Film längst verstanden: Da befindet man sich gerade in einer öden, pfan­nen­fla­chen Wüsten­land­schaft in der west­li­chen Mand­schurei im Norden Chinas. Ein Mann, den wir mit Hilfe des Titels längst als »The Weird«, den Seltsamen, iden­ti­fi­ziert haben, brettert mit einem Motorrad plus Beiwagen über den Sand. Hinter ihm reitet eine Horde bewaff­neter Banditen. Dahinter folgt, gleich­falls zu Pferde, eine Mörder­bande, komman­diert von einem schwarz ange­zo­genen Schönling, der eine geradezu verblüf­fende Ähnlich­keit mit dem jungen Alain Delon besitzt – »the Bad«, der Böse des Titels. Wiederrum verfolgt werden diese von den größten Schurken des Films, den Japanern, die im asia­ti­schen Kino in etwa eine ähnliche Rolle spielen, wie die Nazis in dem des Westens. Sie beschießen die Wüste mit schwerer Artil­lerie, zugleich haben sie Maschi­nen­ge­wehre, mit denen sie wahllos auf die sich einander Verfol­genden drauf­bal­lern. Und wiederum hinter diesen kreuzt ein einsamer Reiter die Linien, strahlend und heroisch, und bewaffnet mit einem höchst effek­tiven Schnell­feu­er­ge­wehr, das unter den Japanern schwere Verluste anrichtet. Das ist »The Good«, der Gute und dritte Held des Films. Diese Figuren und Elemente zusammen ergeben pures mitreißendes Kino, bei dem alles ständig und nicht nach­las­send in Bewegung bleibt, und das darin durchaus an einige verges­sene Klassiker Holly­woods erinnert. Viele furiose Minuten lang ist diese eine Szene, in der nicht nur der ganze Film kulmi­niert, sondern auch ein bestimmtes Vers­tändnis von Kino seinen adäquaten Ausdruck erhält: Kino als ständige, nie nach­las­sende Bewegung von Körpern im Raum, als möglichst perfekt choreo­gra­phiertes Zusam­men­spiel von eindrucks­voller Artistik und Schau­werten.

Das alles lässt auch an die Anfänge des Mediums denken, an die Action-Sensa­tionen etwa, die den Reiz und Charme von Buster Keatons Stumm­filmen nicht weniger ausmachten, als ihr Humor. Und unter den vielen Gründen, ins Kino zu gehen, ist der Wunsch nach solch über­bor­dender Unter­hal­tung nicht der Schlech­teste. In dieser Hinsicht kommt man in Kim Ji-woons The Good, the Bad and the Weird allemal voll auf seine Kosten.

Kim Ji-woon ist einer der Super­stars des neuen, in den letzten zwei Dekaden konstant boomenden korea­ni­schen Kinos: Der noch eher konven­tio­nelle Horror­film A Tale of Two Sisters war ein inter­na­tio­naler Erfolg, und wurde erst kürzlich durch ein Hollywood-Remake geadelt. 2005 hatte A Bitters­weet Life, ein blutiger Gangs­ter­film, der viele Konven­tionen des Genres hinter sich ließ, auf dem Film­fes­tival von Cannes Premiere – in Deutsch­land, wo sich asia­ti­sches Kino immer noch vergleichs­weise schwer tut, kam der Film aller­dings nur auf DVD heraus.

In The Good, The Bad and the Weird geht ober­fläch­lich betrachtet zwar alles noch eini­ger­maßen realis­tisch in histo­ri­schen Bahnen zu: Ange­sie­delt in der vom Japa­ni­schen Kaiser­reich okku­pierten Mand­schurei der 1930er Jahre erzählt der Film die Geschichte dreier korea­ni­scher Flücht­linge – auch Korea war seiner­zeit unter japa­ni­scher Besatzung – die aus unter­schied­li­chen Gründen zu Outlaws wurden. Eine Schatz­karte fungiert in dieser Story als MacGuffin: Zuerst bei einem Zugüber­fall erobert, wechselt sie ihre Besitzer, um am Ende auf wenig mehr zu verweisen, als auf den Weg, den der Film bis dahin zurück­ge­legt hat.
Überhaupt ist hier nicht die Story das Entschei­dende, sondern ihre Form, die selbst zum eigent­li­chen Inhalt wird. Denn natürlich ist die Idee, mitten in Asien Figuren in der Kleidung und mit den Waffen von Western­helden auftreten zu lassen, reine Fiktion. Auch die Szenen, die hier wie kleine Vignetten lose verbunden anein­ander gereiht werden, und die für sich glänzend und geschlossen funk­tio­nieren, sind reine, wenn auch durchaus klas­si­sche Western-Kino­ge­burten: Der Zugüber­fall, die Wirts­haus­schlä­gerei, die Schießerei in einem Hotel, die erwähnte Verfol­gungs­jagd in der Wüste, schließ­lich der Shoot-Out dreier Revol­ver­helden. Insbe­son­dere diese letzte Szene ist wie der Titel dem Italo­wes­tern, und hier wieder Sergio Leone verpflichtet. Dieser Film ist Fetisch­kino, verliebt in Objekte und Dekors, und noch mehr in die Geschichte des Kinos selbst – insgesamt ein Reich fort­lau­fender, einander spie­gelnder Zeichen. Auch die Figuren und ihre Darsteller werden hier immer wieder zu Objekten. Anti-narrativ ist dies dabei nicht, denn Zeichen und Verweise sind selbst wesent­li­ches Mittel wie Gegen­stand der Erzählung. Somit kann man The Good, The Bad and the Weird am besten unter der Über­schrift »Tarantino und die Folgen« zusam­men­fassen: Ein Film als Stilmix und Zitat­ge­witter, bunt und grell, ein ganz bewusst schamlos über­trie­benes Märchen für Erwach­sene. Es ist höchst vergnüg­lich, aber mitunter in seiner Selbst­re­fe­ren­tia­lität auch ein bisschen sinnlos. Während Tarantino sich gerade in seinem letzten Film Inglo­rious Basterds von der reinen Post­mo­derne verab­schiedet, und einem ernst­haf­teren Sujet zuwendet, bleibt Kim Ji-woon einst­weilen an der Ober­fläche einer surrealen Phantasie, die ihre eigenen Abgründe einst­weilen nicht auslotet, den Zuschauer alles in allem so wenig heraus­for­dert, wie sie den Figuren zumutet. Diese Konsu­mier­bar­keit wurde denn auch an den Kassen belohnt: Über sieben Millionen Zuschauer sahen den Film in Korea.

Einen blei­benden Eindruck hinter­lässt aber, solchen Einschrän­kungen zum Trotz, das große Können dieses Regis­seurs, und der Mut, die eigenen Fähig­keiten und damit die visuellen Möglich­keiten des Kinos auszu­reizen. So gelingen Kim Ji-woon immer wieder meis­ter­hafte »Wow!«-Szenen, in denen man als Zuschauer nur fassungslos begeis­tert im Kino­sessel staunt. The Good, the Bad and the Weird ist ein Film, der in jeder Sekunde Spaß macht. Das kann man leider nur von wenigen Filmen sagen. Man wünscht sich, solche Lust an Bildern und an Bewegung, an Wildheit und Phantasie, möge auch in Europa ein paar Nachahmer finden.