Ex Machina

Großbritannien 2014 · 108 min. · FSK: ab 12
Regie: Alex Garland
Drehbuch:
Kamera: Rob Hardy
Darsteller: Domhnall Gleeson, Alicia Vikander, Sonoya Mizuno, Oscar Isaac, Chelsea Li u.a.
Konsequente Blicke

Maschine mit Bewusstsein?

Ein schüch­terner Program­mierer, ein exzen­tri­scher Inter­net­un­ter­nehmer und eine betörend schöne Robo­ter­frau gehen im Regie­debüt des briti­schen Roman- und Dreh­buch­au­tors Alex Garland eine schwer durch­schau­bare Drei­ecks­be­zie­hung ein, über die der Film auf kluge und fesselnde Weise große Fragen anschneidet: Was macht den Menschen wirklich aus? Wo liegen die Unter­schiede zu ausge­klü­gelten Maschinen? Und was wäre, wenn sich die Grenzen plötzlich auflösten? Müssten wir den menschen­glei­chen KI-Wesen dann nicht auch ein Recht auf freie Entfal­tung einräumen? Gedan­ken­spiele, die das Science-Fiction-Genre seit dessen Anfängen beherr­schen. Und die sich hier in einem Kammer­spiel­sze­nario entfalten, das dem Betrachter ein ums andere Mal den Atem raubt.

Im Gegensatz zu Wally Pfister, der in seiner allen­falls mittel­präch­tigen Zukunfts­vi­sion Trans­cen­dence das Thema „Künst­liche Intel­li­genz“ in einem über­ge­ord­neten Bedro­hungs­um­feld verhan­delt, konzen­triert sich Garland ganz auf seine drei Haupt­fi­guren und seinen zentralen Hand­lungsort. Ein befremd­li­ches, aber ebenso aufre­gendes High-Tech-Anwesen aus Glas, Holz und Stein. Ausge­stattet mit hyper­mo­dernen, unter­ir­di­schen Labor­räumen und umgeben von einem rauen, unzu­gäng­li­chen Naturraum, der mit dem Forschungs­re­fu­gium eine inter­es­sante Allianz eingeht. Ein Felsen ragt mitten in eines der Zimmer hinein, und Pflanzen sind fester Bestand­teil der von Menschen­hand erschaf­fenen Villa.

Nicht nur optisch ist das Durch­dachte untrennbar mit dem Wilden, Unge­zähmten verbunden. Auch im Umgang der Prot­ago­nisten mitein­ander spielt das Zusam­men­wirken von ratio­nalen Über­le­gungen und unkon­trol­lier­baren Gefühls­wal­lungen eine entschei­dende Rolle. Immerhin soll der bei einem Inter­net­gi­ganten ange­stellte Infor­ma­tiker Caleb (Domhnall Gleeson) für seinen Arbeit­geber Nathan (Oscar Isaac) testen, ob dessen jüngste Schöpfung, die Androidin Ava (Alicia Vikander), tatsäch­lich über ein menschenähn­li­ches Bewusst­sein verfügt. Ein viel­leicht bahn­bre­chendes Expe­ri­ment, das die Emotio­na­lität des bild­hüb­schen Maschi­nen­we­sens belegen soll und das Publikum auf eine alles andere als staub­tro­ckene Reise in eine nicht allzu ferne Zukunft entführt.

Von Anfang an beschwört Garland eine latent beklem­mende Atmo­s­phäre herauf, die sich vor allem aus den ambi­va­lenten Bezie­hungen der Haupt­fi­guren speist. Der Inter­net­mil­li­ardär Nathan – von Shooting-Star Oscar Isaac wunderbar abgründig verkör­pert – tritt uns als leicht unge­ho­belter, viriler Fran­ken­stein-Verschnitt gegenüber, der den Hausgast Caleb mit launi­schem Verhalten mehrmals aus der Fassung bringt. Gibt sich der Technik-Guru in einem Moment kumpel­haft, ist er in anderen Augen­bli­cken von den lehr­buch­mäßigen Vorträgen des jungen Program­mie­rers dermaßen genervt, dass er ihre Gespräche in regel­recht absurde Bahnen lenkt. Komisch, aber vers­tö­rend ist etwa eine bizarre Tanzszene, die nicht nur Nathans hedo­nis­ti­sche Ader unter­streicht, sondern auch den Wahnsinn aufblitzen lässt, der in seinem genia­li­schen Hirn lauert.

Caleb wiederum wirkt neben diesem potenten Alphamänn­chen fast wie ein kleiner Junge, der nicht recht weiß, wie ihm geschieht. Ein Eindruck, der auch dann entsteht, wenn sich der Infor­ma­tiker mit Nathans Schöpfung ausein­an­der­setzt. Schnell gewinnt die umwerfend gestal­tete Robo­ter­frau sein Vertrauen und weckt weitaus mehr als bloßes Forscher­inter­esse. Erotische Fantasien liegen irgend­wann in der Luft. Genauso wie die unheil­volle Warnung Avas, Caleb solle Nathan nicht vertrauen. Wohl der Moment, der den Zuschauer endgültig in den mit Bedacht entwi­ckelten Hand­lungssog hinein­zieht.

Verun­si­che­rung und Unbehagen nehmen, begleitet von mal kontrol­lierten, mal quälend-eindring­li­chen Klängen (Musik: Geoff Barrow und Ben Salisbury), weiter zu, ohne dass Garland auf plumpe oder will­kür­liche Akti­ons­aus­brüche setzen müsste. Vielmehr genügt dem Neure­gis­seur der konse­quente Blick auf sein kleines Figu­ren­per­sonal (zu dem auch eine schweig­same Bediens­tete zählt) und das zunehmend klaus­tro­pho­bisch erschei­nende Setting. Denn so beein­dru­ckend Nathans Forschungs­kom­plex auch sein mag, erinnert er zugleich an ein Gefängnis, in dem der Hausherr spezi­fisch männ­li­chen Allmachts­fan­ta­sien frönt.

Gut gehen kann das nicht, wie man schnell begreift. Und doch ist es schlichtweg erstaun­lich, auf welche Art und Weise der Film seine Span­nungen im wendungs­rei­chen Schluss­drittel eska­lieren lässt. Einem Finale, das die Gefahren der digitalen Vernet­zung zur Sprache bringt und die Hybris des Menschen scho­nungslos seziert. Verraten sei an dieser Stelle nur, dass Garland der Spagat zwischen Über­ra­schung, Schaudern und tiefem Mitgefühl nahezu perfekt gelingt. Die Krönung eines auch visuell famosen Regie­de­büts!

Träumen Maschinen von Menschenrechten?

Caleb (Domhnall Gleeson) ist junger, zwar hoch­in­tel­li­genter, in zwischen­mensch­li­chen Dingen aber auch naiver Mann. Von Beruf Infor­ma­tiker erhält er eines Tages in einer fernen Zukunft einen beson­deren Auftrag: Er soll in das zurück­ge­zogen in den Bergen von Alaska gelegene Haus des Konzern­chefs Nathan (Oscar Isaac) reisen. Das Gebäude ist nach Aussen festungs­ähn­lich geschützt, nach Innen mit allerlei moderner Über­wa­chungs­tech­no­logie ausge­stattet. Denn Nathan ist Experte für künst­liche Intel­li­genz und forscht dort an einem neuen Robo­ter­mo­dell, das dem mensch­li­chen Bewusst­sein nahezu unun­ter­scheidbar nahekommt. Dieses neue Androiden-Modell sieht überdies aus wie eine bild­schöne junge Frau und heißt Ava – eine neue Eva. Caleb soll ihren einge­bauten Schutz­me­cha­nismus durch geschickte Tests über­winden, und fest­stellen, ob Ava ein Bewusst­sein von sich selbst hat. In aufein­an­der­fol­genden Sitzungen geht es zunächst um Musik­ge­schmack und derlei Dinge, die auch beim Speed Dating im Cafe fallen könnten – in einer Über­wa­chungs­zen­trale hört Nathan dabei zu. Eine Weil später fällt bei einer der Sitzungen der Strom aus, und Ava nutzt den unbe­ob­ach­teten Moment, um Caleb zuzu­flüs­tern: »Du solltest ihm nicht über den Weg trauen?« Ist dies die Wahrheit oder der Beginn einer geschickten Mani­pu­la­ti­ons­stra­tegie? Von jetzt an gerät der junge Idealist jeden­falls zunehmend mit seinem Chef und dessen auto­ritären Macho-Allüren anein­ander, zudem verwirrt ihn Ava in jeder Hinsicht bis zu dem Punkt, dass er selbst beginnt, sich mit ihr gegen Nathan zu verbünden, und seiner eigenen Mensch­lich­keit unsicher zu werden. Woher, so stellt sich auch Caleb eine klas­si­sche Frage, weiß er eigent­lich, dass er nicht selbst ein Roboter ist, der nur glaubt, er sei ein Mensch?

Der enthu­si­as­ti­sche Schwärmer, das selbst­herr­liche Genie und eine verfüh­re­risch schöne Androidin, die zwischen Künst­lich­keit und Mensch­lich­keit pendelt – Regisseur Alex Garland entwirft ein komplexes Bezie­hungs­dreieck, dessen Struktur an die von Fritz Langs Metro­polis erinnert. Garland führt hier erstmals Regie. Berühmt wurde er mit seinem Roman, der 2002 von Danny Boyle verfilmt wurde: The Beach mit Leonardo DiCarpio und den beiden gleich­falls von Boyle fürs Kino adap­tierten Science-Fiction-Dreh­büchern Sunshine und 28 Days Later sowie den ganz und gar großar­tigen Never Let Me Go.

Nathans Figur ist dabei durch ihre Ambi­va­lenz besonders spannend: zunächst einmal der geniale Erfinder einer Such­ma­schine. »Bluebook«. Kein Zufall, denn da fällt einem ein, dass im Jahr 1930 Ludwig Witt­gen­stein ein berühmtes »Blaues Buch« geschrieben hatte. Und der an Theorie Inter­es­sierte weiß dann auch noch, dass der Philosoph darin beginnt, seine Sprach­spiel­theorie zu entwi­ckeln, und versucht doch irgendwie über das zu sprechen, wovon man nichts wissen kann. Einer­seits ein auto­ritärer Boss und Kapi­ta­list, der glaubt, alles habe seinen Preis – also ein Mensch ganz von dieser Welt. Ande­rer­seits ein neuer Fall des Filmtypus »verrückter Wissen­schaftler«, ein naher Verwandter von Dr. Fran­ken­stein und Professor Moreau, ein Mensch, der sich darin gefällt, Gott zu spielen, und der darüber jedes Maß verliert.

Je länger der Film dauert, um so mehr wandelt er sich zum Psycho­thriller – wenn Hitchcock einen Science Fiction Film gedreht hätte, dann wäre er viel­leicht so wie dieser. Denn Ex Machina handelt glei­cher­maßen von ganz neuen und sehr alten Sehn­süchten. Dieser Film ist ein Erlebnis: Sinnlich und philo­so­phisch zu gleichen Zeit, erfüllt er das, was schon Hegel vor 200 Jahren zum letzten Ziel alles Philo­so­phieren erklärte: »Die Ideen sinnlich machen«, und so »eine neue Mytho­logie« für unser Zeitalter zu entwi­ckeln. Der Film wirft die großen Fragen auf: Was ist der Mensch? Was unter­scheidet ihn von einer Maschine? Träumen Maschinen von Menschen­rechten? Die Konse­quenz aus diesen Fragen ist natürlich die, wie es uns verändert, wenn die Maschinen immer mehr können, und bald so viel, dass wir den Unter­schied zum Menschen noch erkennen. Oder, noch radikaler, dass dieser Unter­schied egal wird. Oder, noch einmal gestei­gert: dass wir die Maschinen bevor­zugen: zum Arbeiten, zum Spielen, zum Sex.
Und der Film gibt sich mit einfachen Antworten nicht zufrieden.

Dies ist also eine Mischung aus Thriller und Action­film mit tieferer Bedeutung, der offen auf Roboter-Science-Fiction-Klassiker wie Kubricks 2001, Ridley Scotts Blade Runner, Spiel­bergs A.I. – Arti­fi­cial Intel­li­gence und Luc Bessons Das fünfte Element anspielt. Ex Machina ist aber auch ganz und gar der Film einer Schau­spie­lerin: Die Schwedin Alicia Vikander stiehlt den beiden männ­li­chen Darstel­lern komplett die Schau – nicht weil sie hübsch ist, weil auch ihr metallen glän­zender Körper Eleganz, Perfek­tion und Schönheit reprä­sen­tiert, sondern weil sie glaub­würdig die Künst­lich­keit und das »fast-Mensch­liche« ihrer Figur verkör­pert. Überaus über­zeu­gend in seinem drama­ti­schen Konflikt, wie seiner Machart, ist Ex Machina ein span­nendes Stück speku­la­tiver, philo­so­phi­scher Science Fiction.

Man sollte sich also nicht täuschen: Dies ist ein Film über Ideen – er ist ruhiger, melan­cho­li­scher, zwei­felnder und komplexer als der übliche neueste Block­buster aus Hollywood. Vielmehr eine Art Blade Runner für unsere Zeit. Auch der war zu seiner Entste­hungs­zeit umstritten. Ob Ex Machina ähnliche Nach­hal­tig­keit besitzt, zum Kult wird, und sich im Nach­hinein als taugliche Kate­gori­en­tafel zur Entschlüs­se­lung der Zukunft erweist, können wir heute noch nicht wissen.