Edge of Tomorrow

USA/AUS 2014 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Doug Liman
Drehbuch: ,
Kamera: Dion Beebe
Darsteller: Tom Cruise, Emily Blunt, Brendan Gleeson, Bill Paxton, Noah Taylor u.a.
Digitaler Barock. Yes!

In der Zeitschleife gegen Aliens

Doug Limans Sci-Fi-Actioner Edge of Tomorrow ist eine 175 Millionen Dollar teure Ausgeburt des digitalen Barocks in 3D und mit Tom Cruise in der Haupt­rolle. Aller­dings spielt Cruise hier zur Abwechs­lung einmal nicht den geborenen Helden, sondern einen leicht schmie­riger Werbe­fach­mann und Drücke­berger, der gegen seinen Willen in den Kampf gegen Aliens geführt wird. Es kommt zu einem gnaden­losen Gemetzel, das die von Cruise gespielte Figur Major Bill Cage nur wenige Minuten überlebt. Zu allem Überfluss muss Cage auch noch fest­stellen, dass er in einer Zeit­schleife gefangen ist, die immer wieder mit seinem eigenen Tod endet. Aber zunächst einmal alles von Anfang an.

Auf der Erde herrscht Krieg! Bereits der größte Teil Zentral­eu­ropas wurde von kraken­ar­tigen Aliens überrannt. Wenn man sie nicht noch irgendwie stoppen kann, werden sie bald den gesamten Globus einnehmen. Deshalb startet von Großbri­tan­nien aus ein gigan­ti­scher Kampf­ver­band der alli­ierten Erden­be­wohner in Richtung auf die Normandie. Unter den Soldaten befindet sich auch ein gewisser Major Bill Cage (Tom Cruise). Der einstige Werbe­fach­mann hat es zu einiger Popu­la­rität gebracht, da er in TV-Talkshows neue Rekruten anwirbt. In Wirk­lich­keit ist er jedoch selbst ein Angsthase, der diesen Job nur macht, um einem echten Kampf­ein­satz zu entgehen. Als es jetzt doch ernst wird, versucht Cage sogar dem befehls­ha­benden General (Brendan Gleeson) unter Androhung von Erpres­sung seine Einbe­ru­fung auszu­reden. Doch der General kennt kein Pardon und degra­diert Cage kurz­er­hand zum einfachen Soldaten. Als ein solcher bleibt Cage noch genau ein Tag im Ausbil­dungs­lager, bevor auch er als Teil einer gewal­tigen Truppe Richtung Normandie losfliegt.

Alle Soldaten sind mit hoch­gerüs­teten Extro­s­ke­letten ausge­stattet. Doch im Kampf gegen die blit­zflinken Tenta­kel­monster aus dem All, haben sie nicht den Hauch einer Chance. Auch Cage überlebt nur wenige Minuten auf dem völlig unüber­sicht­li­chen Schlacht­feld. Zu seiner Verwun­de­rung wacht er jedoch kurz darauf erneut im Ausbil­dungs­lager auf und muss fest­stellen, dass erneut der Vortag des Kampf­ein­satzes ist. Diesen letzten Tag und das folgende Schlacht­ge­tümmel erlebt Cage nun – inklusive seines eigenen Todes – in Endlos­schleife. Immerhin lernt er im Ausbil­dungs­lager die berüch­tigte Kämpferin Rita Vrataski (Emily Blunt) kennen, die seine Vertraute und Verbün­dete wird. Wie in einem Compu­ter­spiel kämpft Cage sich Stück für Stück im Geschehen voran, bevor er erneut sein Leben verliert und das ganze Spiel wieder von vorne losgeht...

Edge of Tomorrow basiert auf Hiroshi Saku­raz­akas Roman »All You Need Is Kill« von Hiroshi Saku­razaka. Bis zu seiner endgül­tigen Fertig­stel­lung ging das Drehbuch durch zahl­reiche verschie­denen Hände – die berüch­tigte Film­ent­wick­lungs­hölle von Hollywood –, bevor die jetzt verfilmte Fassung entstanden ist. Das beißt sich mit europäi­schen Vorstel­lungen von Auto­ren­schaft und führt nicht selten zu recht halbgaren und verwor­renen Ergeb­nissen. Aber nicht in diesem Fall! Der Plot des Films ist trotz zeit­li­cher Schleifen denkbar gerad­linig und schnör­kellos. Dafür wurden die Details mit sicht­lichr Liebe ausge­ar­beitet und mit einer kräftigen Portion an Ironie unter­füt­tert. Das Ergebnis ist ein Film, der sich einer­seits nicht seiner rein gene­ri­schen Herkunft schämt – hier eine anstän­dige Portion Und täglich grüßt das Murmel­tier (1993), dort ein kräftiger Schuss Starship Troopers (1997) – der jedoch zugleich erstaun­lich frisch und eigen wirkt.

So hat man Tom Cruise seit seiner gran­diosen Darstel­lung als völlig manischer Frauen mordender Sex-Guru in Magnolia (1999) nicht mehr in einer derart schmie­rigen Rolle gesehen, wie hier. Während dieser Auftritt in Paul Thomas Andersons ein bewusster Bruch mit Cruises ange­stammten Sauber­mann-Image innerhalb eines Arthouse-Films darstellte, über­rascht seine Besetzung als Held wider Willen innerhalb seines Heimat-Genres – dem Action­film. Es sind immer wieder solche ironi­schen Verschie­bungen, die dafür sorgen, dass Edge of Tomorrow trotz ziel­grup­pen­freund­li­cher PG-13-Freigabe ein Block­buster mit Ecken und Kanten ist.

So gehört es zu den ehernen Regeln des US-Action-Kriegs­films, dass die ameri­ka­ni­schen Truppen als besonders kernige Helden dazu­stehen haben. Doch hier haben die alli­ierten Truppen noch nicht einmal feind­li­chen Boden betreten, als sie bereits in der Luft wie die Fliegen sterben. Dieje­nigen, die es wie Major Bill Cage doch noch schaffen, sehen sich augen­blick­lich mit einem sie völlig über­for­dernden Schlach­ten­ge­tümmel konfron­tiert. Mit ihren schweren Exos­ke­letten wirken diese Soldaten zudem eher wie behäbige Käfer, während die Aliens sich mit ihren unzäh­ligen Kraken­armen in unbe­re­chen­baren Bewe­gungen blit­z­schnell scheinbar in alle Rich­tungen zugleich bewegen können. Der jugend­freien Darstel­lung geschuldet, fallen die zahl­rei­chen erbar­mungs­losen Kämpfe mit den Außer­ir­di­schen auffal­lend blutarm aus. Dafür sind diese love­craf­tesken Kreaturen von einer derart tenka­kel­mons­ter­ar­tigen und zugleich fast ätherisch leuch­tenden Gestalt, dass es umso mehr Vergnügen bereitet dank 3D ganz unmit­telbar in das phan­tas­ti­sche Geschehen invol­viert zu sein.

Wunder­schön anzusehen und zugleich von einer wunder­baren trockenen Komik ist auch die Szene, in der ein Wissen­schaftler anhand eines bläulich leuch­tenden Modell-Holo­gramms erläutert, wie diese Tenta­kel­wesen unter­ein­ander zu einem einzigen Orga­nismus verbunden sind, der von der geheim­nis­vollen Zentral­ein­heit »Omega« gesteuert wird. Es gilt folglich Omega zu finden und irgendwie auszu­schalten, da die einzelnen Kraken-Kämpfer ohne ihren Omega-Führer schlicht nicht hand­lungs­fähig sind. Wann gab es in einem sich ober­fläch­lich sehr ernsthaft gebenden Hollywood-Block­buster je ein absur­deres Bild für die deutschen Nazis (Tentakel-Monster aus dem All) und ihrem blinden Gehorsam gegenüber einem alles kontrol­lie­renden Führer (Omega)?

Edge of Tomorrow rettet geschickt einen Teil von Paul Verhoevens brachialen Sarkasmus aus Starship Troopers in unsere heutige politisch über­kor­rekte und dank maximaler Ziel­grup­pen­ori­en­tiert­heit zusät­z­lich weich­ge­spülte Zeit. Edgy!