USA 2001 · 125 min. · FSK: ab 18 Regie: Demian Lichtenstein Drehbuch: Richard Recco, Demian Lichtenstein Kamera: David Franco Darsteller: Kurt Russell, Kevin Costner, Courteney Cox, Christian Slater, David Arquette u.a. |
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If you're looking for trouble, you came to the right place |
Die Kritiker sind sich fast einig. Crime Is King (im Original 3000 Miles To Graceland) ist ein fürchterlicher Film. Sinnlose, abstoßende Gewaltszenen, hektisch überzogene Videoclipästhetik, dumme Handlung, menschenverachtende Botschaft, zusammengeklautes Zitatensammelsurium usw. usf.
Ganz abwegig ist diese Kritik tatsächlich nicht. Da betreten fünf supercoole Gangster in klassischer V-Formation ein Kasino in Las Vegas, packen ihre chromblitzenden, großkalibrigen und vollautomatischen Waffen aus, rauben 3,2 Millionen Dollar, schießen sich mit einer selten gesehenen Brutalität den Weg frei, zerstreiten sich bei der Aufteilung der Beute, metzeln sich gegenseitig nieder und übrig bleiben die zwei unehelichen Söhne von Elvis, der böse Murphy (Kevin Costner)
und der gute Michael (Kurt Russell), die fortan sich und das Geld durch das halbe Land jagen. Das ist nicht neu, auch nicht besonders intelligent und sicher nicht immer ganz geschmackssicher.
Wer aber diesen Film neben anspruchsvolle Filmkunst stellt und so vorschnell zu dem Schluß kommt, dass Crime Is King vollkommen gescheitert sei, der übersieht, dass es sich hier um feinsten, amerikanischen Trash handelt und man somit eine kleine Perle vor sich hat.
Seit einigen Jahren herrscht in Hollywood (wie auch in den anderen Medien) ein starkes Interesse an kulturellem »Müll«, da Jugendlichen, die ja die bevorzugten Kunden der Unterhaltungsindustrie sind, Trash und B-Movies schon lange zum Kult erhoben haben. Bei dem Versuch, von diesem Kult zu profitieren und solche Filme nachzuahmen, scheitert die Filmindustrie aber regelmäßig, wobei sich dieses Scheitern meist weniger auf den finanziellen als auf den künstlerischen Bereich
bezieht.
Der von Hollywood angestrebte Retro-Trash ist entweder zu glatt, brav, durchdacht, sauber und anständig (man will schließlich keine Kundschaft verschrecken und zu explizit darf es wegen dem jugendlichen Publikum auch nicht sein) oder die Filme wirken angestrengt und bemüht kultig (man denke nur an Barb Wire mit Pamela Anderson).
Trash läßt sich eben nicht planen und deshalb haben die Produzenten von Warner Bros. wohl kaum mit einem solchen Endergebnis gerechnet, als sie dem Werbe- und Videoregisseur Demian Lichtenstein ein sehr ordentliches Budget gaben, ihm zahlreiche Darstellerstars zur Verfügung stellten und ihn den Film so machen ließen, wie er jetzt in unseren Kinos zu sehen ist. In der aktuellen Kinolandschaft ist Crime Is King ein kleines, seltenes Wunder, denn dieser Film (man verzeihe mir den Ausdruck, aber ein anderer paßt hier einfach nicht) haut ordentlich auf die Kacke.
»Tritts du in diesen Film ein, laß alle Hoffnung auf eine logische Handlung fahren!«, möchte man jedem Kinobesucher vorab zurufen. Hier zählt nicht das Warum, sondern das Wie und selbst dieses Wie, wird mit einer erfrischenden Unbefangenheit zelebriert. So ist etwa der Überfall auf das Kasino kein exakt getimtes Rififi, sondern ein schlichtes Reingehen, Geld nehmen, Rumballern, Rausgehen. So einfach kann Geschichtenerzählen sein.
Auch wenn Lichtenstein ein klassisches High
Noon-Duell auf offener Straße inszeniert oder eine Tankstelle (natürlich) mit einer lässig weggeschnippten Zigarette zum explodieren gebracht wird, dann geschieht das mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit und nicht mit einem zentnerschweren Querverweis auf die Filmgeschichte.
Darum ist es auch falsch, hier den Vergleich zu Tarantino zu ziehen, der keineswegs immer dann zu bemühen ist, wenn ein paar coole Gangster in einem Auto sitzen und dumme Witze machen. Im Gegensatz zu Lichtenstein, zitiert, variiert und veredelt Tarantino den Trash und macht aus ihm »Müllkunst«. Als echter Trash hätte etwa Pulp Fiction in Cannes kaum gewonnen.
Eine bedeutend größere Geistesverwandtschaft als zu Tarantino, besteht bei Lichtenstein wohl eher zu jemanden wie Alex de al Iglesia. Dessen Filme (in diesem Zusammenhang aber vor allem Perdita Durango) sind auf eine ähnlich sympathische Art durchgeknallt und heftig und dementsprechend nur einer eingeschworenen Fangemeinde bekannt.
Gerade hier liegt auch das wahre Problem
von Crime Is King. Obwohl er ordentlich Geld gekostet hat, mit Stars gespickt ist und von einem großen Studio produziert und vertrieben wird, ist er eigentlich nur für ein kleines, spezialisiertes Publikum geeignet. Der finanzielle Flop in den USA (der von vielen Kritikern mit Häme kommentiert wurde) ist damit vorprogrammiert. Hätte man denselben Film mit wenig Geld, ohne Stars und ohne großes Studio gemacht, hätte er vermutlich Kultstatus unter dem typischen
Fantasy Filmfest-Publikum erlangt.
So aber laufen unbedarfte Durchschnitts-Pärchen nichtsahnend ins Kino, um sich ein bisschen nette Action mit Kevin Costner anzusehen und kommen enttäuscht, erschüttert und verstört wieder heraus.
Hält man sich dann vor Augen, was solche Leute wirklich im Kino sehen wollen, erkennt man erst den wahren Wert eines unangepassten Films wie Crime Is King.
Man vergleiche hierzu nur eine typische Jerry Bruckheimer Produktion wie Con Air, die trotz ähnlicher Vorzeichen (teuer produziert, viele Stars, Action und Gewalt ohne Ende) äußerst erfolgreich gelaufen ist.
Con Air ist aufgeblasen mit heldenhaftem Pathos, zweifelhafter Ideologie, verlogenen Rechtfertigungen für Gewaltexzesse und unzähligen, bierernst vorgetragenen Actionfilmklischees. In Crime Is King dagegen hat jeder Pathos etwas Lächerliches an sich, werden Ideologien und Moralvorstellungen untergraben, versucht man erst gar nicht die Gewalt zu rechtfertigen
und Klischees werden genüßlich ausgebreitet. Nicht zu vergessen, dass Crime Is King die Gewalt zwar stilisiert, sie dagegen Con Air regelrecht glorifiziert.
Den Zuschauern ist (trotz der vermeintlichen Begeisterung für alles »Krasse«) das Gedöns von Con Air eben doch lieber als das wahrhaft Schräge wie in Crime Is King.
Lichtenstein biedert sich ohnehin nicht an das Publikum an und auch die Altersfreigabe ab 18 Jahren scheint ihn nicht zu stören, obwohl er damit freiwillig auf eine große potentielle Zuschauerschicht
verzichtet. Eine solche Kompromißlosigkeit findet man immer seltener im Filmgeschäft und kann deshalb nicht hoch genug bewertet werden.
Bei all meiner Freude über diesen Film sei eine große Schwäche nicht unerwähnt; die Schauspieler bzw. der Einsatz der Schauspieler. Trotz vieler namhafter Darsteller bleiben die Nebenrollen durchgehend blaß und belanglos (sehr bedauerlich etwa bei sonst sehr guten Leuten wie Kevin Pollak). Das Hauptaugenmerk liegt auf den drei Hauptdarstellern, wobei Courteney Cox am Anfang noch ziemlich bitchy und überzeugend ist, am Ende aber leider zum zahmen Muttertier wird und Kurt
Russell kann mich auch dieses Mal nicht wirklich davon überzeugen, dass er ein außerordentliches Schauspieltalent hat.
Alles egal, denn die wahre Sensation des Films ist ohnehin Kevin Costner als Murphy, der keine Dante zitierendes, kriminelles Genie, kein machtgeiler Superschurke und kein diabolischer Massenmörder ist, sondern einfach nur gemein, bösartig oder (wie es entsprechend im Song von George Thorogood so schön heißt) »Bad to the bone« ist.
Nach all den Filmen, in
denen Costner den einzig Aufrichtigen (z.B. in Der mit dem Wolf tanzt, The Untouchables, JFK und sogar als Kindesentführer in A Perfect World), den romantischen Liebhaber oder den
Sportbesessenen gespielt hat, hätte man ihm die abgrundtiefe Schlechtigkeit des Murphys nun wirklich nicht zugetraut.
Aber wie der ganze Film, so bleibt auch die schauspielerische Leistung Costners schlußendlich eine Sache an der nur ein bestimmter Personenkreis sein Freude haben wird. Allen anderen sei geraten, sich von diesem Film fern zu halten und sich in Toleranz zu üben.
Wer trotzdem glaubt, er müssen Crime Is King als weiteren Tiefpunkt in der (angeblichen) Tendenz zu immer mehr Gewalt und Unmoral im Kino kritisieren, der sei daran erinnert, welche Filme etwa
Peter Jackson machte, bevor er zum epischen Märchenonkel wurde, was Robert Rodriguez machte, bevor er Kinderfilme drehte und was Sam Raimi machte, bevor er bei Kleinstadtkrimis und Superhelden-Blockbustern Regie führte.