The Circle

USA/VAE 2017 · 110 min. · FSK: ab 12
Regie: James Ponsoldt
Drehbuch: ,
Kamera: Matthew Libatique
Darsteller: Emma Watson, Tom Hanks, John Boyega, Karen Gillan, Ellar Coltrane u.a.
Spiegel unserer eigenen Naivität

Wie viel Freiheit ertragen wir?

Das Problem ist viel­leicht wirklich die Zeit. Auf der einen Seite die atem­be­rau­bende Geschwin­dig­keit, mit der unsere technoide Gesell­schaft sich entwi­ckelt, auf der anderen Seite die zeit­lu­pen­ar­tige Erkenntnis der Gefahren, die die tech­no­lo­gi­sche Entwick­lung mit sich bringen könnte, immer ein bisschen hinter­her­hin­kend und sich dann um eine Gegenwart windend, die längst in die Zukunft entwischt ist. Schon als Dave Eggers Roman »The Circle« 2013 erschien, wirkte er ein wenig altbacken, schien alles einfach zu bekannt zu sein, um noch wirklich zu faszi­nieren oder noch viel mehr – zu atta­ckieren. Aber Eggers Buch über einen Konzern, der wie eine dysto­pi­sche über­spitzte Melange aus Apple, Google, Amazon und Facebook daher­kommt und eine junge Frau in seinen Bann zieht, verkaufte sich gut, vor allem mit der kommer­zi­ellen Attri­bu­tie­rung, das Orwell­sche »1984« des Inter­net­zeit­al­ters zu sein.

Das ist natürlich Quatsch. Gerade als Verkaufs­ar­gu­ment. Auch »1984« las sich spätes­tens 1984 bei Weitem nicht mehr so frisch wie nach seinem Erscheinen und hatte zudem den Vorteil, dass Technik nur am Rande eine Rolle spielte, dass es im Grunde um zutiefst mensch­liche Schwächen ging. Anders bei Eggers und der Verfil­mung durch James Ponsoldt, der sich bislang vor allem durch seine in Sundance hoch­ge­lobten, »kleinen« Inde­pen­dent-Filme (Smashed, THE SPECTACULAR NOW) einen Namen gemacht hat und für den The Circle sein erster »Groß­ver­such« in Sachen Film ist. Ein schwie­riges Unter­fangen, denn hat die Zeit schon gegen das Buch gear­beitet, so gilt das drei Jahre später erst recht für die Verfil­mung.

Denn in The Circle passiert im Grunde nichts, was wir nicht schon kennen, nicht schon verflucht und kriti­siert haben – nur so direkt haben wir viel­leicht noch nicht gesehen, so schul­meis­ter­lich vorex­er­ziert bekommen, so exem­pla­risch Film als Spiegel unserer eigenen Schwächen erfahren. Viel­leicht erklärt dies auch ein wenig die über­wie­gend negativen Kritik an Ponsoldts Umsetzung, denn wer will schon seine größte Schwäche derartig penetrant vorge­halten bekommen? Denn Ponsoldt aktua­li­siert Eggers Buch – zumindest an dieser Stelle – nicht. Wie Mae (Emma Watson) langsam aber konti­nu­ier­lich dem größten IT-Konzern auf den Leim geht, erst als einfache Ange­stellte, dann als zunehmend indok­tri­nierte, begeis­terte und führende Persön­lich­keit, die auf entwaff­nend naive Art ihre Privat­sphäre mehr und mehr der Öffent­lich­keit preisgibt, in der Hoffnung, dass totale Trans­pa­renz auch totales Glück, also eine bessere Welt bedeutet. Das wirkt zwar im ersten Moment völlig unglaub­würdig, doch treten wir nur einen Schritt hinter unser eigenes Selbst, dürfte fast jeder sich selbst in Mae wieder­er­kennen. Was zu kompli­ziert ist, wird einfach gemacht; Gefahr lieber klein geredet statt ein schwie­riges, neues Vokabular zu lernen.

Dieser didak­tisch offen­sicht­liche und zugleich gnaden­lose Einstieg wird im Laufe des Films nicht wirklich erträg­li­cher, denn die einen Film von lehr­buch­hafter Didaktik abfe­dernden Elemente wie zwischen­mensch­liche Bezie­hungen, bleiben – nicht anders als auch in Eggers Roman – scha­blo­nen­haft, stehen im Dienst der Sache und werden dem entspre­chend einge­ebnet, sei es die Beziehung von Mae zu ihren Eltern, ihrem Jugend­freund oder ihrer besten Freundin Annie.

Dennoch gewinnt The Circle vor allem im abschließenden Drittel eine fast luzide Stärke, nämlich genau dann, wenn er unsere Gegenwart und die lite­ra­ri­sche Vorlage hinter sich lässt. Denn genau an dieser Stelle wird The Circle zu dem Film, der er hätte werden können, hätte Ponsoldt sich schon im ersten Teil auf stärkere Einschnitte in Eggers Vorlage besonnen: ein echter Orwell, der mehr noch als die tech­no­lo­gi­sche Dämo­ni­sie­rung und Abzieh­bilder von Silicon-Valley-Moral vor allem die Unein­deu­tig­keit mensch­li­cher Sehn­süchte und Schwächen in den Mittel­punkt hätte stellen können.

Denn indem Ponsoldt die nur allzu bekannten und schon fast in unserer Realität imple­men­tieren Straft­rechts­fragen eines Minority Report hinter sich lässt und zu fragen beginnt, ob Demo­kratie nicht ein Gut ist, das besser beschützt werden muss als es durch »frei­wil­lige« Wahlen möglich ist, wird The Circle innovativ, böse und spannend. Plötzlich gewinnt auch der charis­ma­ti­sche Eamon Bailey (Tom Hanks) eine Ambi­va­lenz, die ihm bis dahin abging und Mae bekommt ein Ende, dass es so im Buch ebenfalls nicht gibt und einmal mehr die Frage in den Raum gestellt wird, wie viel Freiheit Menschen überhaupt zu ertragen fähig sind. Eine durchaus gefähr­liche Dispo­si­tion, denn nur allzu leicht verführt diese Frage zur nächsten, finalen Frage: wie viel Freiheit verdient der Mensch überhaupt?