Thirst – Durst

Bakjwi

Südkorea 2009 · 133 min.
Regie: Park Chan-wook
Drehbuch: ,
Kamera: Chung Chung-hoon
Darsteller: Song Kang-ho, Kim Ok-vin, Kim Hae-sook, Shin Ha-kyon, Park In-hwan u.a.
Song Kang-ho als Vampir und Liebhaber

Schwielen an den Füßen

Was stellt die Liebe mit einem Menschen an? Ein Blick, ein Geruch, eine Geste und schon krempelt sie einen um. Von innen nach außen, von unten nach oben. Gründlich tut sie das und sehr genuss­voll. Ahnungslos geht man durch den Alltag, bis es passiert. Das Skript liegt tief im Innersten verborgen, der Auslöser ist eine Nich­tig­keit. Hoch­gradig infiziert agiert man befremd­lich, eigen­tüm­lich und bemüht sich von der eigenen Person zu retten, was noch zu retten ist. Priester Sang-hyeon (Song Kang-ho) macht in Thirst jeden­falls diese Erfahrung und das stürzt ihn in einen schweren Gewis­sens­kon­flikt.

Ohnehin steckt Sang-hyeon mitten in einer Glau­bens­krise, die er bereits über­wunden geglaubt hat. Seine Zweifel an der Existenz Gottes und dessen Bestreben Gutes in der Welt zu verrichten, hatten ihn von Korea nach Afrika geführt. Dort nahm er an Tests eines Impf­stoffs gegen ein tödliches Virus teil und überlebte als einziger. Nur scheint ihn die rettende Blut­trans­fu­sion nach und nach in einen Vampir zu verwan­deln; jeden­falls gelüstet es ihm seitdem nach Blut. Und seitdem er Tae-joo (Kim Ok-vin), der Ehefrau eines alten Schul­ka­me­raden, zuhause in einem Kran­ken­haus begegnet ist, verspürt er noch einen anderen Durst, nach ihrem Körper. Unschuldig erinnert er sich beim ersten Wieder­sehen daran, dass sie ihn als Jungen ihre Schwielen an den Füßen berühren ließ. Eine Offen­ba­rung für einen ange­henden Kirchen­mann. Tae-joo, die in der Familie ihres Mannes gnadenlos unter­drückt und ausge­beutet wird, ist dieses Geständnis zuerst unsagbar peinlich ist. Als es nach kurzem Hin & Her tatsäch­lich zum Beischlaf kommt, wird Sang-hyeon diese geschun­denen Füße liebkosen und schmat­zend an ihnen saugen. Ihre Körper verschlingen sich, sein Blut und ihr Blut wird sich mit einander vermi­schen. Der Schritt vom Katholik zum Sünder ist minimal (und sehr erotisch).

Park Chan-wooks Priester ist ein Searcher. Sang-hyeon sehnt sich danach, mit seinem Glauben im Reinen zu sein. Als Mensch (sprich Mönch und Mann) ist das schon schwierig, als Vampir schier unmöglich. Aber Sang-hyeon strengt sich redlich an. Das bringt ihn zuweilen in grausam komische Situation, wenn er gierig an Blut­kon­serven im Kran­ken­haus nuckelt, wenn er kopfüber wie eine Fleder­maus am Sims vorm Bade­zimmer hängt, um seiner Geliebten beizu­bringen, dass er ein Vampir ist (Nach dem ersten Schock geht Tae-joo das Problem prag­ma­tisch an. Schließ­lich können sie als Vampire gemeinsam durch die Lüfte fliegen und mit dem neuen Lebens­saft verschwinden auch die Schwielen an ihren Füßen. So erwacht Tae-joo von der verlot­terten Hausfrau zum Vamp, der anmutig auf High Heels von Dach zu Dach springt). Unge­bremst geraten die Prot­ago­nisten in einen Rausch, sprich Liebes­taumel; die Nacht wird ihnen zum Tag. Als Tae-joos Ehemann letztlich ihrem Glück im Wege steht und beseitigt werden muss, ist der Nieder­gang des Paares besiegelt.

Mühelos verwebt Park Chan-wook die Vampir­ge­schichte, die ohne Romantik und Beißzähne auskommt, mit Emile Zolas „Thérèse Raquin“, und erfindet das Genre des Vampir­films neu. Als Amour-fou Geschichte, Comictrip, Gewis­sens­drama. Als Regiss­seur weiß er alle Register – Kamera, Farb­dra­ma­turgie, Musik und Kostüm – sicher zu ziehen (wie zuvor schon in I’m a Cyborg, But That’s OK) und lässt die Dialoge auf der Leinwand sprühen. Zeitweise jedoch verhas­pelt sich Park Chan-wook etwas vor lauter Ideen­reichtum, dennoch der Drive der Geschichte bleibt. Was letztlich auch daran liegt, dass er das Liebes­paar durchweg als Indi­vi­duen unter­schied­li­chen Glaubens und mit verschie­denen Moral­vor­stel­lungen zeigt – bis zum bitteren Ende. Da verab­schiedet sich Sang-hyeon von seiner Geliebten mit dem Verspre­chen »Wir sehen uns in der Hölle wieder.« Tae-joo schaut ihn verächt­lich von der Seite an und sagt »Nach dem Tod kommt nichts«. Rasch springt sie von der Motor­haube, um ein Paar ausge­tre­tene Herren­schuhe zu holen. In diese hatte Sang-hyeon einst ihre nackten, schwie­ligen Füße gesteckt. Denn wenn sie auch an nichts glaubt, so ist ihr die Liebe doch heilig.