Alles eine Frage der Zeit

About Time

Großbritannien 2013 · 123 min. · FSK: ab 0
Regie: Richard Curtis
Drehbuch:
Kamera: John Guleserian
Darsteller: Rachel McAdams, Bill Nighy, Margot Robbie, Domhnall Gleeson, Vanessa Kirby u.a.
Rumpeldipumpel ins Spießerland

Liebe ohne Luft

Eigent­lich ist der „Verges­sen­heits­in­di­kator“ eine ziemlich zuver­läs­sige Sache. Und für Alles eine Frage der Zeit sogar eine besonders präzise Anwendung. Bereits drei Tage nach dem Film gibt es die ersten Aussetzer. Was war da noch mal, wer reist da durch welche Zeit und kommt wann und wo an und wer liebt hier eigent­lich wen und was soll das alles überhaupt? Egal, kommt Draht rum, lieber vergessen, bevor es noch schlimmer wird.

Dabei ist der für Drehbuch und Regie zustän­dige Richard Curtis wirklich kein Vollidiot. Er hat als Autor für klas­si­sche Fern­seh­for­mate wie Mr. Bean und Blackadder gear­beitet und erfolg­reich fürs Kino geschrieben: Vier Hochz­eiten und ein Todesfall, Notting Hill und Bridget Jones und schließ­lich mit Tatsäch­lich Liebe auch erstmals Regie geführt. Alles Filme, die viel­leicht nicht jeder­manns Geschmack sind, die aber erfolg­reich waren und die bei aller Kritik gut funk­tio­nieren, die eine gebün­delte, strin­gente Story bieten, die immer wieder über­ra­schen, die berühren. Nichts davon in Alles eine Frage der Zeit.

Dabei bedient Curtis sein belieb­testes Format, die roman­ti­sche Komödie, aller­dings mit einem Schuss Science Fiction versehen. Doch gerade davon sollte man sich nicht zuviel erwarten und viel­leicht ist es ja sogar dieser Versuch mal etwas neues zu versuchen, der Curtis und seinem Film schließ­lich den Garaus macht. Denn als Zuschauer und leiden­schaft­li­cher Liebhaber roman­ti­scher Komödien muss man sich erst einmal daran gewöhnen, dass das neue nicht neu ist und sich einen Film aus dem Kopf schlagen, der einen bei Curtis Plot unwei­ger­lich verfolgt und der deutlich besser funk­tio­niert hat, Harold Ramis Und täglich grüßt das Murmel­tier. Szene für Szene schrammt Curtis haar­scharf am Plagiat vorbei und um mögli­cher­weise genau diesen Grund­ver­dacht zu vermeiden, stellt Curtis für seine Variante der roman­ti­schen Zeitreise verblüf­fende Regeln auf, die aber schon im nächsten Schritt gleich wieder gebrochen werden. Der Plot verschwindet dabei unwei­ger­lich in einer schlag­lochüber­säten Land­straße, so dass für den sich mühsam reka­pi­tu­lie­renden Zuschauer am Ende nicht viel mehr bleibt als die vage Erin­ne­rung an einen Silves­ter­abend, an dem der 21-jährige Tim (blass von Anfang bis Ende: Domhnall Glesson) von seinem Vater (brilliant ironisch und subversiv: Bill Nighy) erfährt, dass alle Männer in seiner Familie in die Zeit zurück­reisen können. Als er es nach einem unge­wöhn­li­chen Date mit Mary (Grüb­chen­läch­lerin Rachel McAdams) selbst versucht und dabei über­ra­schenden Verwick­lungen ausge­setzt wird, kommt er auf den Geschmack, aber irgend­wann auch wieder zur Vernunft.

Dieses „Zur-Vernunft-Kommen“ bildet zur holprig dahin­rum­pelnden Liebes- und Zeit­ge­schichte den mora­li­schen Überbau in Alles eine Frage der Zeit, ein Überbau, der spießiger nicht sein könnte. Denn anders als seine Vorfahren, die immer wieder Risiken einge­gangen sind, um hinter den abstrusen Sinn des Lebens zu kommen, entscheidet sich Tim dagegen. Schließ­lich ist das Leben gut genug, genießt man nur jeden Tag wie den letzten.

Auf bizarre Weise erzählt dabei Alles eine Frage der Zeit eine ähnliche Geschichte wie der bril­li­ante Rush. Und zwar dann, wenn der Film in eine Vergan­gen­heit abdriftet, in der Sicher­heit noch nicht an erster Stelle stand. Eine Vergan­gen­heit, in der geraucht, in der das Leben verspielt oder für ein besseres Leben gekämpft wird. Doch werden in Ron Howards Rush die mora­li­schen Gegen­sätze fast zärtlich beob­achtet und wertfrei ausge­lotet, benimmt sich Curtis wie ein Elefant im Porz­el­lan­laden. Er buch­sta­biert Moral nicht nur mühsam aus, sondern diktiert sogar ihre Betonung. Damit beschneidet er Alles eine Frage der Zeit nicht nur seiner visi­onären Möglich­keiten, sondern richtet sich in einer bieder­mei­ernen Gemüt­lich­keit derartig penetrant ein, dass sogar der Liebe die Luft zum Atmen fehlt. Für eine roman­ti­sche Komödie das Todes­ur­teil.