27.10.2011

»Der Moment ist wichtig!«

Bettina Mittendorfer als Maria
Bei der Arbeit:
Bettina Mittendorfer als Maria
(Foto: Universum Film)

Bettina Mittendorfer über ihre Hauptrolle in Eine ganz heisse Nummer, ihren Mentor Jörg Hube und ihre Umwege zur Schauspielerei

Bettina Mitten­dorfer ist alles andere als eine Newco­merin. Die 41-Jährige stand schon während ihres Schau­spiel­stu­diums an der Otto-Falcken­berg-Schule vor der Kamera, hatte Enga­ge­ments am Münchner Volks­theater, am Staats­theater am Gärt­ner­platz und an den Münchner Kammer­spielen und wurde für ihre lite­ra­ri­schen Solo­pro­gramme hoch­ge­lobt. Trotzdem gilt sie immer noch als Geheim­tipp. Lernt man die gebürtige Nieder­bayerin persön­lich kennen, muss man unwill­kür­lich an die natür­li­chen und boden­s­tän­digen Frau­en­fi­guren denken, die sie in ihren Filmen meistens verkör­pert. Nach einer Neben­rolle in Rosen­mül­lers Sommer in Orange ist Bettina Mitten­dorfer jetzt in ihrer ersten Kino­haupt­rolle zu sehen.

Das Gespräch führte Elke Eckert.

artechock: Frau Mitten­dorfer, was hat Sie am Drehbuch von Eine ganz heisse Nummer besonders ange­spro­chen?

Bettina Mitten­dorfer: Gefallen hat mir vor allem die Thematik. Dass die drei Frauen ausbre­chen aus ihrer engen Welt, auch sexuell. Man erfährt ja gleich am Anfang, dass die alle ziemlich allein sind. Die eine wird immer enttäuscht von den Männern, die andere ist verhei­ratet und es läuft nichts mehr, und die Maria wurde von ihrem Mann verlassen und hat keinen neuen Partner. Sehr schön finde ich auch die Dialoge. Die sind direkt aus dem Leben gegriffen, genauso sprechen die Leute. Das klingt teilweise wirklich so witzig.

artechock: Wussten Sie von Anfang an, dass Sie die Maria spielen sollen?

Mitten­dorfer: Nein, ich wurde zum Casting einge­laden und habe danach die Rolle bekommen.

artechock: Sie haben vor kurzem auch schon in Sommer in Orange eine mitfüh­lende, mutige und Neuem gegenüber aufge­schlos­sene Frau gespielt. Wobei die Bürger­meis­ter­gattin aus Rosen­mül­lers Film zupa­ckender ist und mehr in sich ruht, während die Maria Brandner sensibler und selbst­zweif­le­ri­scher ist. Welche von beiden ist Ihnen persön­lich näher?

Mitten­dorfer: Das glaube ich, kommt immer auf die Lebens­um­stände an, in denen man sich gerade befindet. Ich hatte ja auch schon eine Phase, wo ich verhei­ratet war und einen anderen finan­zi­ellen Back­ground hatte. Wahr­schein­lich hätte ich da die Figur der Maria gar nicht so gut umsetzen können. Jetzt habe ich zwei Kinder, bin allein­er­zie­hend und muss immer kämpfen und schauen, wie ich über die Runden komme. Und ein halbes Jahr, bevor ich die Rolle bekommen hab, hat mich mein Freund verlassen. Ich war so traurig, so klein und verletzt­lich, hab an mir gezwei­felt und mich gefragt: »Wieso bin immer ich allein?« Das war genau die richtige Ausgangs­si­tua­tion für diese Figur.

artechock: Die Maria ist Ihre erste Film­haupt­rolle. Was war denn beim Dreh der größte Unter­schied im Vergleich zu einer Neben­rolle?

Mitten­dorfer: Ich hab mich irgendwie verant­wort­lich gefühlt für die Geschichte. Es war ein bisschen so – das hört sich jetzt viel­leicht dämlich an – als wenn es um mein »Kind« geht. Auch bei einer Neben­rolle macht man seinen Job mit ganzem Herzen, aber sie verein­nahmt einen nicht völlig, man lässt sich emotional nicht so weit ein. Als Maria war ich zwei Monate nur in dieser Figur und bin danach wirklich in ein großes Loch gefallen.

artechock: Bevor sie mit ihrem eroti­schen Tele­fon­ser­vice loslegen, kaufen Maria und ihre Mitstrei­te­rinnen erstmal ein. Waren Sie privat schon mal in einem Sexshop?

Mitten­dorfer: Ja, klar, logisch. Aber es gibt tatsäch­lich Menschen in meinem Alter, die waren noch nie drinnen oder behaupten das zumindest. Da denke ich mir dann immer: Ja, wo leben denn die! Und wie weit sind wir denn jetzt eigent­lich mit der Eman­zi­pa­tion, wenn das schon eine Heraus­for­de­rung ist. Man sollte sich das auf jeden Fall anschauen – und dann kann man sich ja selber sein Urteil bilden.

artechock: Die drei Frauen im Film müssen in kürzester Zeit viel Geld verdienen, um ihre Existenz zu retten. Fällt Ihnen eine kreative Geschäfts­idee ein, die Sie verwirk­li­chen würden, wenn Sie in so einer Situation wären?

Mitten­dorfer: Ich weiß leider nicht, wie man sehr viel Geld verdient, ohne irgend­je­manden übers Ohr zu hauen. Manchmal hab ich schon darüber nach­ge­dacht, was machst du jetzt eigent­lich, wenn das mit der Schau­spie­lerei nicht mehr klappt. Viel­leicht stelle ich mich dann einfach irgendwo hin und spiele Straßen­theater. Aber zu viel Geld kommt man da auch nicht.

artechock: Sie haben schon viel Theater gespielt, ein knappes Dutzend Filme gedreht und Solo­pro­gramme gemacht, aber Sie laufen immer noch unter „Entde­ckung“. Das wird sich mit Ihrer Rolle in Eine ganz heisse Nummer jetzt sicher ändern.

Mitten­dorfer: Und das freut mich sehr! Ich bin so froh, dass ich endlich ein bisschen mehr Aufmerk­sam­keit bekomme und ein breiteres Publikum sieht, dass es mich gibt. Ich habe ja schon 1992 ange­fangen auf der Schau­spiel­schule, 1995 war ich fertig. Dann war ich an verschie­denen Theatern, in München und in Ulm. Und dann wollte ich unbedingt Kinder und war eigent­lich erst 2001, als der Kleine ein Jahr alt war, wieder ein bisschen einsatz­fähig. Wenn man einige Jahre ausfällt, dann ist man erst einmal weg aus dem Geschäft. Dann fängt man wieder bei Null an und vorher war ja auch gar nicht so viel. Da hatte ich eben erste, kleine Erfah­rungen gemacht. Das waren zwar tolle Arbeiten, beim Norbert Kückel­mann oder bei Achtern­busch, aber nur kleine Rollen.

artechock: Dafür sehr renom­mierte Regis­seure…

Mitten­dorfer: Ja! Ich hatte immer das große Glück, dass mich gute Regis­seure geholt haben. Die haben wahr­schein­lich den richtigen Blick dafür. Und sind viel­leicht auch bereit, mal etwas auszu­pro­bieren mit einem Menschen, der keinen großen Namen hat. Der Franz Xaver Bogner holt mich auch immer wieder, bei „Café Meineid“, beim „Kaiser von Schexing“ und jetzt bei „München 7“.

artechock: Gibt es noch jemanden, dem Sie viel zu verdanken haben?

Mitten­dorfer: Ja, dem Jörg Hube, der war mein Lehrer auf der Schau­spiel­schule. Jörg Hube hat uns baye­ri­sche Schau­spieler immer bestärkt. Und hat uns viel Mut gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar, weil das damals keine leichte Zeit war. Ich hatte zwischen­durch immer mal Zweifel, ob ich das mit dem Hoch­deut­schen hinkrieg. Der Hube hat immer gesagt, »du brauchst des gar net, lass es, wie’s is«.

artechock: Sie haben ja bisher auch fast nur Mundart-Rollen gespielt.

Mitten­dorfer: Ja, und selbst wenn’s keine Mundart war, ist es danach Mundart gewesen (lacht). Ich hab schon ein paarmal auf Hoch­deutsch gespielt, aber meine Stärke ist wirklich der Dialekt. Und mitt­ler­weile wollen ja eh viele das Baye­ri­sche. Am Theater ist das was anderes. Da ist die Distanz größer, da muss das Hoch­deut­sche nicht authen­tisch sein, weil alles irgendwie ein Kunst­mittel ist. Aber sobald man im Film oder vor der Kamera eine Rolle spielt und einen Menschen verkör­pert, glaube ich, stört es auch den Zuschauer, wenn man nicht so spricht wie die Figur eigent­lich sprechen sollte. Egal, ob hoch­deutsch oder Dialekt.

artechock: Stehen Sie lieber vor der Kamera oder auf der Bühne?

Mitten­dorfer: Nach den beiden Filmen macht mir das Drehen sehr viel Spaß. Ich stehe auch gerne auf der Bühne, aber momentan bin ich lieber vor der Kamera. Das ist für mich zurzeit aufre­gender. Zuletzt habe ich auf der Bühne zwei Stücke gespielt. „Die andere Heilige Nacht“ spiele ich schon seit zehn Jahren, „Drei baye­ri­sche Amazonen“ seit einein­halb Jahren. Da weiß man irgend­wann, wie das Ganze funk­tio­niert.

artechock: Sie sind in einem kleinen Ort in Nieder­bayern aufge­wachsen und wohnen jetzt im Chiemgau. Haben Sie auch schon in der Stadt gelebt?

Mitten­dorfer: Ja, in München. In Bogen­hausen und beim Ostbahnhof, im Fran­zo­sen­viertel. München ist ganz toll, aber ich finde, man kann dort nur wohnen, wenn man genug Geld verdient und wenig Ansprüche hat. Wenn man Kinder hat und viel­leicht sogar einen Garten möchte und ein Auto, sieht das schon anders aus. Und ich bin halt ein Landei und wollte damals, als meine Kinder auf die Welt gekommen sind, unbedingt mit ihnen auf dem Land sein. Damit ich nicht immer Angst haben muss, wegen dem Verkehr und den vielen Menschen. Traun­stein ist über­schaubar, da weiß ich immer genau, wo meine Kinder sind.

artechock: Sie haben sich nach der Mittleren Reife erstmal für eine Ausbil­dung zur Floristin entschieden.

Mitten­dorfer: Ja, und ich war sogar sehr gut, die Dritt­beste in Nieder­bayern. Wenn die Blumen­lie­fe­rung gekommen ist, hätte ich mich am liebsten in die Eimer rein­ge­schmissen, so hab ich das geliebt! Ich hatte im Nu alle bota­ni­schen Namen drauf und hab ganz tolle Sachen gemacht. Ob ein Blumen­strauß richtig gut wird, kommt ja auch ganz darauf an, wie du gerade drauf bist. Das ist ähnlich wie mit der Schau­spie­lerei. Der Moment ist wichtig!

artechock: Wie wurde aus der Floristin eine Schau­spie­lerin?

Mitten­dorfer: Ich sah als Floristin keine Perspek­tive, auch weil die Meis­ter­schule nicht drin gewesen wäre. Deshalb bin ich erst auf die Fach­ober­schule für Land­wirt­schaft und wollte irgendwas mit Gartenbau machen. Das lag mir aber gar nicht, weil da so viel Mathe, Physik und Chemie verlangt wurde. Dann habe ich den sozialen Zweig belegt und Praktika in Alten­heimen und Kran­ken­häu­sern gemacht. Während dieser Zeit hatte ich dann plötzlich den Wunsch, endlich mal was für mich zu machen. Nur für mich. Und dann hab ich mir überlegt, dass ich eigent­lich singen und tanzen möchte, mich bewegen. Also hab ich mich an Schau­spiel­schulen beworben – in München und auf der „Ernst Busch“ in Berlin. Und bei beiden Schulen hat es geklappt. Obwohl ich vorher nie Theater gespielt hatte.

artechock: Warum, glauben Sie, wurden Sie trotzdem genommen?

Mitten­dorfer: Ich denke, weil ich so offen und neugierig war. Als die mich in Berlin gefragt haben, ob ich ein Thea­ter­s­tück kenne, hab ich ganz stolz geant­wortet: Ja, „Kalif Storch“. Das war mein einziges Stück, das ich damals im Theater gesehen hatte (lacht). Da haben die sich wahr­schein­lich gesagt: Das ist ein Natur­ta­lent, die ist völlig frei. Und ich dachte mir: Wenn’s ihnen nicht passt, geh ich halt wieder. Ich habe ja einen Beruf. Später habe ich dann gemerkt, dass Leute, die wirklich aus dem Volk kommen, ganz selten sind auf den Schau­spiel­schulen. Und weil das Baye­ri­sche auch damals schon sehr gefragt war, hatte ich ab dem zweiten Ausbil­dungs­jahr schon Angebote. Deshalb bin ich dabei geblieben und hab’s nie bereut. Mit der Schau­spie­lerei hat sich für mich eine ganz neue Welt aufgetan.