22.01.2004

»Ok Dad, Du kannst jetzt gehen!«

Sofia Coppola
Sofia Coppola

Sofia Coppola über Lost in Translation und den Schatten eines großen Vaters

Sofia Coppolas neuer Film Lost in Trans­la­tion erzählt eine intime, wunder­schön erzählte Geschichte, mit der sich Coppola endgültig aus dem Schatten Ihres Vaters Francis Ford Coppola löst und sich als eigen­s­tän­dige, heraus­ra­gende Filme­ma­cherin präsen­tiert.
Mit Sofia Coppola sprach Rüdiger Suchsland.

artechock: Was inspi­rierte Sie zu Lost in Trans­la­tion?

Sofia Coppola: Der wich­tigste Auslöser war die Zeit, die ich selbst in Tokio verbracht habe. Ich war da nach dem College in meinen frühen 20ern mehrmals. Nicht immer habe ich so luxuriös gewohnt, aber zweimal war ich auch im Park Hyatt. Die Art wie die Stadt funk­tio­niert, sich anfühlt, hat mich sehr beein­druckt, das sonder­bare Gefühl, dort ein Fremder zu sein. Es ist anders, als irgendwo sonst. Einzig­artig. Und auch wenn man mehrmals dort war, ändert sich das nicht. Darum wollte ich über diese Stadt eine roman­ti­sche Geschichte erzählen.

artechock: Eine Liebes­ge­schichte, in gewissem Sinn...

Coppola: Ja, eine altmo­di­sche Liebes­ge­schichte. Keine »Affäre«.

artechock: Erfah­rungen und Atmo­sphären, Gefühle sind wichtiger als Ereig­nisse?

Coppola: Absolut. Es passiert ja nicht viel in dem Film. Das Wichtige sind die Details, die Szenen der Darsteller. Und diese Art Beziehung zwischen völlig plato­ni­scher Freund­schaft und Liebes­af­färe, die da gezeigt wird, ist ja nicht selten. Man sieht sich kurz, verbringt sehr viel Zeit mitein­ander, alles ist ganz intensiv, und dann trifft man sich nie wieder im Leben. Aber die Erin­ne­rung an diese Zeit begleitet einen lange. Das geschieht doch oft im Leben, oder?

artechock: Es gibt Menschen, die behaupten, das Mädchen Charlotte, sei Ihnen recht ähnlich...

Coppola: Oh ja, ich weiß: Das wollen manche Leute sagen. Aber ich iden­ti­fi­ziere mich eigent­lich mehr mit der Bill Murray-Figur. Ich schreibe über das, was ich denke, daher sind mir alle Figuren nahe. Natürlich gibt es ein paar Züge von Charlotte, die mir ähnlich sind. Vor allem diese Idee, Anfang 20 zu sein, und nicht zu wissen, was man mit seinem Leben anfangen will. Aber ich habe auch andere Seiten.

artechock: Was ist Ihre Bill Murray-Seite?

Coppola: Er ist meine männliche Seite. [Lacht] Ich verehre ihn total. Als ich das Script schrieb, hatte ich Murray im Kopf. Ich habe ihm Teile vom Script geschickt. Es war trotzdem nicht ganz einfach, ihn für den Film zu gewinnen. Es hat ein halbes Jahr gedauert, persön­li­chen Kontakt zu bekommen. Über einen Freund kam es schließ­lich zu einer Verab­re­dung zum Abend­essen.

artechock: Jet Lag, Müdigkeit und Nacht beherr­schen die Stimmung des Films. Ihre Figuren erinnern an Schlaf­wandler, die sich durch Tokio und die japa­ni­sche Popkultur bewegen. Wie arbeiten Sie, um diese Atmo­sphäre zu schaffen?

Coppola: Es gibt dieses Element tatsäch­lich. Wenn man in Tokio ist, hat man viel Jet Lag. Man fühlt sich immer müde und desori­en­tiert. Und wir haben den Film in chro­no­lo­gi­scher Abfolge gedreht, das war sehr hilfreich. Die Darsteller lernten sich erst während des Drehs besser kennen gelernt. Wir haben gemeinsam viel impro­vi­siert. Diese Nacht in dem Karaoke-Lokal war echt. Die Japaner im Film sind Freunde von mir. Das war alles ziemlich genau wie im Film. Es hilft, eine Situation zu erzeugen, die so nahe wie möglich an der des Films dran ist. Unsere Erfahrung war ähnlich zu der der Geschichte. Es gibt so viele fremde Farben, Licht, Dinge, Musik – die Dinge sind so anders dort. Die Musik des Films später dann auf die Bilder zu schneiden, war eine meiner Lieb­lings­tä­tig­keiten. Die Musik kreiert diese Atmo­sphäre gemeinsam mit dem Look des Films, der Kamera.

artechock: Manchmal erinnern auch die Bilder von Lost in Trans­la­tion an japa­ni­sche Filme. Manche Einstel­lungen, und Ihre Art, Farben einzu­setzen, der pastel­lige Look des Films wirken in gewisser Weise japanisch. Haben sie ein beson­deres Verhältnis zum japa­ni­schen Kino?

Coppola: Eigent­lich nicht. Ich bin kein Kenner. Natürlich kenne ich ein paar Filme. Vor allem an Ozu’s Tokyo Story erinnere ich mich. Den habe ich mir angesehen, als ich an meinem ersten Spielfilm The Virgin Suicides gear­beitet habe. Aber ich bin eher ein Fan des fran­zö­si­schen und italie­ni­schen Kinos. Damit bin ich ganz gut vertraut. Und das war auch für Lost in Trans­la­tion wichtig. Darum gibt es auch diesen kurzen Moment aus Fellinis La dolce vita der im Film auftaucht. Das ist mir aller­dings wirklich passiert: Als ich in Tokio war, hab ich einmal Marcello Mastroi­anni mit japa­ni­schen Unter­ti­teln gesehen...

artechock: Wie gehen Sie damit um, Tochter eines so welt­berühmten Vaters zu sein?

Coppola: Es ist nicht so schlimm, wie manche offenbar glauben. Natürlich bringt mein Name auch Vorteile, öffnet viele Türen. Zugleich bin ich es dadurch immer gewohnt gewesen, unter­schätzt zu werden, gerade als Film­re­gis­seurin. Das ist für den Anfang keine unan­ge­nehme Position, denn die Leute sind dann immer positiv über­rascht. Ich denke, ich mache dann – gegenüber Produ­zenten, Schau­spie­lern, Tech­ni­kern am Set – schon klar, wer ich bin und was ich will, und ich bekomme es dann meistens auch.

artechock: Sie arbeiten mit Ihrem Vater auch direkt zusammen; er ist einer der Produ­zenten von Lost in Trans­la­tion. Ist er nicht sehr dominant?

Coppola: Nein. Er hat Vertrauen und lässt mich machen. Es war eine sehr gute Zusam­men­ar­beit. Aller­dings möchte ich ihn nicht gerne am Set haben, denn tatsäch­lich neigt er dann dazu, zu allem und jedem seinen Kommentar abzugeben. Bei The Virgin Suicides hat er mich einmal am Set besucht, und dann gemeint: Du solltest 'Action' lauter sagen. Und ich dachte: »O.K., Du kannst jetzt wieder gehen.« Wir sind in unserer Art, mit Problemen umzugehen, sehr verschieden.

artechock: Wie kam es überhaupt, dass Sie Regis­seurin wurden?

Coppola: Ich lasse mich nicht gern herum­kom­man­dieren. Darum wollte ich schon vor Der Pate III nie Schau­spie­lerin werden. Regis­seurin zu sein, das ist eine der wenigen Möglich­keiten, einfach einmal tun zu können, was man will, zu bestimmen, wie die Welt um einen herum sein soll. Und es funk­tio­niert. Ich liebe das. Und außerdem verbindet es so viele andere Dinge, die ich liebe: Photo­gra­phie, Design und Musik.

artechock: Für die Endfas­sung haben Sie den Schluss ihres eigenen Dreh­bu­ches geändert: Die Worte, die Bill Murray zu Scarlett Johannson sagt, können wir Zuschauer nicht verstehen...

Coppola: Ja. Ich habe das am Drehtag selbst geändert. Im Script standen seine Abschieds­worte drin. Aber warum diese Eindeu­tig­keit?