12.04.2018
Cinema Moralia – Folge 174

Achtern­busch in der Staats­kanzlei

Das Gespenst
Filmförderung ist, was die Politik will. Achternbuschs Gespenst wurde einst in Bayern verboten, Gansels betulicher Jim Knopf ist durchgefördert. Gut, dass Achternbusch damals schon so schön die Zunge rausgestreckt hat.
(Foto: Herbert Achternbusch)

Das Gespenst: Die Zukunft des deutschen Films. Und seine Gegenwart – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 174. Folge

Von Rüdiger Suchsland

»In all my early films, from Jaws to Raiders to E.T., I was telling the story from a seat in the theater ― from the audience, for the audience ― and I haven’t done that in a long time, I haven’t really done that since Jurassic Park, and that was in the ‘90s.«
Steven Spielberg, im Gespräch mit der »New York Times«

»FilmFern­sehFonds Bayern – Verleih­för­de­rung: 250.000 € (3/2018)
DFFF Deutscher Film­för­der­fonds: 4.000.000 €
German Motion Picture Fund – Produk­ti­ons­för­de­rung: 2.500.000 €
Medien- und Film­ge­sell­schaft Baden-Würt­tem­berg – Produk­ti­ons­för­de­rung: 450.000 € (10/2016)
Film­för­de­rungs­an­stalt – Produk­ti­ons­för­de­rung: 800.000 € (11/2016)
FilmFern­sehFonds Bayern – Produk­ti­ons­för­de­rung: 1.024.087 € (10/2016)
Medi­en­board Berlin-Bran­den­burg – Produk­ti­ons­för­de­rung: 800.000 € (8/2016)«
Förder­gelder für Jim Knopf und Lukas der Loko­mo­tiv­führer, »Ratpack« Film­pro­duk­tion, München

Der deutsche Film ist ein Schein­riese. Es gibt unglaub­lich viel Geld, daran liegt es nicht. Deutsch­land ist das europäi­sche Land mit dem zweit­höchsten Förder­etat aller Länder. Und gerade daran gemessen kommt unglaub­lich wenig heraus. Bei Film­fes­ti­vals, vor allem den guten, ist es kaum vertreten, viel weniger als nominell »kleine« Film­länder wie zum Beispiel Dänemark, Öster­reich oder Rumänien. Ins Ausland verkaufen sich deutsche Filme schlecht. Es gibt kaum inter­na­tio­nale deutsche Stars – zwar ergötzen sich deutsche Film­funk­ti­onäre und ihr Publikum an einer Romy Schneider für Arme in einem Biopic, das außer einem maßgeb­li­chen ARTE-Redakteur keiner gebraucht hat – die Zeiten einer Romy Schneider oder eines Gerd Fröbe, einer Karin Dor und eines Curt Jürgens, eines Horst Buchholz oder einer Senta Berger (Im Kino, nicht im Fernsehen! In Hollywood, nicht »unter Verdacht«!!) sind lange vorbei. Aber das war ja auch »Opas Kino«, und das war ja angeblich ganz, ganz schlecht – sagen die, die es meistens gar nicht kennen.
Reden wir jetzt mal noch nicht von Kunst, sondern vom Geschäft: Unge­achtet der immensen Etat­er­höhungen der Förder­töpfe ist der Zuschau­er­an­teil deutscher Kinofilme in Deutsch­land seit zwanzig Jahren in etwa gleich­ge­blieben. Er liegt bei knapp über zwanzig Prozent. Das heißt: Die immer höheren Förder­summen zahlen sich im Kino nicht aus, sie dienen nur dazu, dass die ganzen netten Menschen der Branche nicht arbeitslos werden, und dass die viel zu vielen Gremien irgend­etwas zu tun haben, das den Aufwand recht­fer­tigt.
Jede Kinokarte für einen deutschen Film wird mit mehreren Euro subven­tio­niert. Auch hier ist es nur die Frage, was man dazu rechnet: Nur die Produk­tion der Filme oder auch die Verleih­för­de­rung, die Förderung für Kinos, für Filmaus­bil­dung und nicht zuletzt die Gebüh­ren­gelder der Fern­seh­sender, die in kleinen Anteilen in die Produk­tion fließen. 93 bis 97 Prozent der deutschen Förder­gelder sind reine Subven­tion, das heißt, sie werden nicht zurück­ge­zahlt.

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Diese Art der Film­för­de­rung ist übrigens illegal. Nach europäi­schem Recht ist Wirt­schafts­sub­ven­tion nur in Ausnah­me­fällen und nur auf Zeit erlaubt. Um legal zu sein, müsste Film­för­de­rung glasklare Kultur­för­de­rung sein. Das ist sie aber nicht, wie deutsche, auf »Wirt­schafts­ef­fekte« pochende Funk­ti­onäre und europäi­sche Prüfer einver­nehm­lich fest­stellen.
Das habe ich auf Cinema Moralia bereits vor Jahren geschrieben – jetzt haben es weitaus kennt­nis­rei­cher und klein­tei­liger als ich damals Jascha Alleyne und Lars Henrik Gass in einem Vortrag in Frankfurt ausge­führt. Dazu nächste Woche beim Kongress­be­richt.
Warum geht es in Deutsch­land trotzdem so weiter? Es gibt keinen Kläger. Nicht, weil man sich nicht mit der Mafia anlegt, sondern weil solche Klagen teuer sind, und es keine echten Inter­es­senten gibt.
Viel­leicht liest das ja jemand, der gerade eine halbe Million übrig hat, um die Klage vorzu­be­reiten. Im Erfolgs­fall kostet das dann nichts.

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Es geht mir nicht um Kritik dieser Förderung, sondern um Kritik der Ergeb­nisse. Natürlich könnte man einmal darüber nach­denken, warum es Film­för­de­rung überhaupt geben muss, wo doch gerade die Lautesten unter den Film­pro­du­zenten und Verbands­funk­ti­onären und Förderern immer gerne betonen, es ginge ums Geschäft, um das Publikum (also um viele Karten­ver­käufe), und könne nicht immer um Kunst gehen.
Gerade die, die das sagen, sind an ihren Maßstäben gemessen, meistens Versager.
Alles das wäre trotzdem in Ordnung, wenn dabei gute Filme heraus­kämen. Das ist viel zu wenig der Fall.
Höchste Zeit daher, mal über die Zukunft des deutschen Films zu debat­tieren. Genau das hat jetzt ein zwei­tä­giger Kongress in Frankfurt getan, der im Rahmen des »Lichter«-Filmfest stattfand. Eine fulmi­nante, sehr lohnens­werte Veran­stal­tung, eigent­lich zu dicht und voll für nur zwei Tage.
Bevor wir über die Zukunft des deutschen Films reden können, muss es aber um seine Gegenwart gehen.

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Quizfrage bei »Wer wird Millionär?«: Was ist der teuerste deutsche Film? Antwort: »Jim Knopf und Lukas der Loko­mo­tiv­führer« – nicht von der Augs­burger Puppen­kiste, sondern vom Münchner Ratten­nest »Ratpack«.
Das Gesamt­budget beträgt ca. 27 Millionen Euro, hinein gingen über 9,8 Millionen Förder­geld.

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Es klingt wie der Ausschnitt aus einer absurden Komödie, Achtern­busch in der Staats­kanzlei: Am 1. Februar wurde Carolin Kersch­baumer die Geschäfts­füh­rerin des FFF-Bayern, und damit Nach­fol­gerin von Klaus Schaefer. Jetzt, knapp zehn Wochen nach Amts­an­tritt und einen FFF-Berlinale-Empfang später geht sie schon wieder.
An diesem Mittwoch ließ der ebenfalls neue FFF-Aufsichts­rats­vor­sit­zende und »Medi­en­mi­nister« Georg Eisen­reich mitteilen, dass Kersch­baumer bereits zum 15. April 2018 in der Baye­ri­schen Staats­kanzlei die Leitung der neuen Abteilung Digitales und Medien über­nehmen soll.
Eisen­reich ließ sich wie folgt zitieren: »Ich danke Frau Dr. Kersch­baumer für die beim FFF Bayern geleis­tete hervor­ra­gende Arbeit und ihre Bereit­schaft, sehr kurz­fristig eine wichtige Aufgabe in der Staats­kanzlei zu über­nehmen. Sie wird auch in ihrer neuen Position einen wichtigen Beitrag dafür leisten, Film und Medien in Bayern voran­zu­bringen. Den neu in der Staats­kanzlei ange­sie­delten Bereich Digitales wird sie in verant­wort­li­cher Funktion mit aufbauen.«
Wir wüssten wirklich gern ein paar Details über die beim FFF in zehn Wochen geleis­tete »hervor­ra­gende Arbeit« – die Formu­lie­rung klingt ja eher nach zehn Jahren.
Immerhin sind wir mit dem Minister einer Meinung, dass Film und Medien in Bayern voran­ge­bracht werden müssen.

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Wir lernen nun nichts Neues: Der Posten der FFF-Geschäfts­füh­rung ist überaus CSU-nahe. Wir lernen weiterhin: Einer der einfluss­reichsten deutschen Film­för­der­posten ist Verfü­gungs- und Verschie­be­masse der Politik.
Aber es gibt auch offene Fragen: War die FFF-Position nun von Anfang an nur ein Parkplatz für Frau K.? Oder hatte man keinen Ersatz für Klaus Schaefer? Ist ein Abtei­lungs­lei­tungs­posten mächtiger, oder attrak­tiver als die FFF-Geschäfts­füh­rung? War die Berlinale so schlimm?
Und was passiert mit Frau K. wenn die CSU die Wahl verliert?

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Jetzt kurz mal frische Luft und ein Blick nach draußen.
Seit den 70er Jahren pendelt Steven Spielberg immer konse­quent zwischen Romantik und Spektakel, Unter­hal­tungs­block­bus­tern und pres­ti­ge­träch­tigen Filmen mit hohem Anspruch. Auf den ersten Indiana Jones folgte direkt Die Farbe Lila, 1993 drehte er im gleichen Jahr Jurassic Park und Schind­lers Liste – Erfolg hatte er auf beiden Feldern, und Spiel­bergs aller­besten Filmen gelang es mal mehr, mal weniger erfolg­reich, Spektakel mit Anspruch zu verbinden: Der weiße Hai (1975), E.T. (1982), Der Soldat James Ryan (1998) und Catch Me If You Can (2002). Seit Krieg der Welten 2005 war Spiel­bergs Name aber in den letzten Jahren kein Garant mehr für Box-Office-Erfolge. Und nachdem er mit dem Histo­ri­en­drama Lincoln 2012 noch diverse Oscar-Nomi­nie­rungen einheimste, gelang ihm das zuletzt auch nicht mehr: Die Verle­gerin war nur zweimal nominiert, und ging leer aus.
Also hat es seine guten Gründe, dass die »New York Times« in einem überhaupt sehr inter­es­santen Artikel schon im Titel fragt: »Can Steven Spielberg remember, how to have fun?«.
Darin findet sich dann ein inter­es­santes Zitat: »In all my early films, from Jaws to Raiders to E.T., I was telling the story from a seat in the theater ― from the audience, for the audience ― and I haven’t done that in a long time, I haven’t really done that since Jurassic Park, and that was in the ‘90s.«
Warum auch nicht? Der Zuschau­er­sitz ist ja nur eine unter vielen möglichen Perspek­tiven.

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Der Schein­riese namens deutscher Film sitzt nicht mal in diesem Sessel. Die Zukunft des deutschen Films müssen wir daher vertagen. Wieder­vor­lage frühes­tens nächste Woche.

(to be continued)