12.03.2015
Cinema Moralia – Folge 103

Nicht lösch­bares Feuer?

Winter DFFB
Es war ein langer Winter: Protest der dffb-Studenten im Kunstpelz

Eine Woche Filmhochschule unplugged: A perverts guide to DFFB – Cinema Moralia, Tagebuch eines Kinogehers, 103. Folge

Von Rüdiger Suchsland

Eine Vorbe­mer­kung, am 16.3.15: Noch nie wurde Cinema Moralia so spät fertig wie diesmal. Das liegt daran, dass in der letzten Woche rund um die Berliner DFFB die Dinge so dermaßen ständig im Fluss waren, dass man sie eigent­lich nur mit Live­ti­cker hätte abbilden können. Aber weder wollen wir das tun, noch habe ich Lust, perma­nente Updates per Twitter oder Facebook zu liefern. Nur fehlte in den letzten Tagen nicht nur die Zeit, um die Gedanken zu ordnen und hinzu­schreiben, sondern es passierten auch dauernd neue Dinge, mit denen man als Bericht­erstatter nur mühsam Schritt halten konnte. So muss es Kriegs­be­richt­erstat­tern gehen und gerade die neuesten Eska­la­tionen, die hier noch nicht stehen, sind schwer hinzu­nehmen. Es war noch schwie­riger, als ein Film­fes­tival, wo es immerhin immer neue Filme sind, nicht ein wenn auch sprung­hafter, so doch zusam­men­hän­gender Prozeß. Ich hätte gern mehr Zeit dazu gehabt. Insofern muss ich Sie, liebe Lester um Verzei­hung für das Chaos bitten. Ande­rer­seits ist es ja auch viel­leicht eine Tugend der »Cinema Moralia«-Texte, dass sie nicht nur die Befind­lich­keit des Autors abbilden, sondern auch den Zustand dessen, worüber er schreibt.

»Die Heraus­for­de­rung besteht darin, den Akt des Denkens mit der Hitze des Augen­blicks in Einklang zu bringen. In der Kälte des Danach zu reflek­tieren führt nicht zu einer ausge­wo­ge­neren Wahrheit, sondern norma­li­siert die Situation und erlaubt uns, der Schneide der Wahrheit auszu­wei­chen.« – Slavoj Zizek

Wenn sich jemand gleich zu Beginn fragt, warum es zum Teufel hier jetzt schon zum dritten Mal hinter­ein­ander um die DFFB geht, und das auch noch im Wochen­ab­stand – liebe Leser, ich verstehe solche spontanen Gedanken, ja Wider­willen gegen das Thema sehr sehr gut –, dem kann man ganz einfach antworten: Weil es nicht um die DFFB geht. Jeden­falls nicht nur.
Sondern das, was gerade rund um die Deutsche Film- und Fern­seh­aka­demie Berlin (DFFB) passiert, ist ein Muster­bei­spiel, gewis­ser­maßen die Blaupause dafür, wie in Deutsch­land Politik, nicht zuletzt Kultur­po­litik gemacht wird.

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Zugleich ist es der wahre Irrsinn: Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich zum Beispiel an der lustigen Juristin Edith Forster. Die ist als Verwal­tungs­rats­chefin Inte­rims­di­rek­torin der DFFB (gemeinsam mit Studi­en­leiter Bodo Knapheide) und in der Wahr­neh­mung vieler DFFB-Mitar­beiter die Statt­hal­terin von Björn Böhning, dem Berliner Senats­kanz­lei­chef in der DFFB.
Wie lustig Forster ist, sieht man daran, dass sie nur fünf Sätze brauchte, um mir tatsäch­lich mit der Polizei zu drohen, wenn ich nicht meine Sachen zusam­men­packe.
Davor war ich noch gar nicht dazu zu kommen, ihr zu sagen, dass ich ihren Wunsch respek­tiere, sondern war noch dabei zu erläutern, dass ich ja auf Einladung von Dozenten und Studenten gekommen war, wie übrigens andere Jour­na­listen auch. Manche von ihnen blieben unerkannt, Hans-Georg Rodek und Claudia Lenssen wurden ebenfalls vor Veran­stal­tungs­be­ginn auf eher unfreund­liche Art des Raums verwiesen.

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Falsch ist dieser Schritt sowieso, schon deshalb, weil die ganze DFFB-Situation längst kommu­ni­kativ außer Kontrolle geraten ist: Gerüchte und Halb­wahr­heiten, Verschwörungs­theo­rien und Irrtümer wabern durch die Republik bis nach Hamburg, Köln, Frankfurt und München, von wo aus man von Freunden, Bekannten, Kollegen ange­spro­chen wird.
Machen wir uns nichts vor: Die DFFB ist zur Zeit die Lach­nummer der Republik. »Was da abgeht ist der Hammer.« schreibt mir eine Dozentin, »Ich bin fassungslos. Was ist denn das für ein Verfahren?«. Eine Regis­seurin schreibt mir: »Die Zustände sind geradezu toll.« Ein Film-Redakteur: »Irrsinn!«
Man stelle sich nur einmal vor, ich wäre am Mittwoch einfach sitzen­ge­blieben – das wäre natürlich auch von mir etwas kindisch gewesen. Aber die Verwal­tungs­chefin hätte die Polizei geholt, und Presse von Beamten in Uniform aus der DFFB abführen lassen? Ein Eklat mit Fotos und anderem, provo­ziert von einer Juristin, die offenbar den Anfor­de­rungen der Situation nicht gewachsen ist.

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Forsters Verhalten zeigt, wie blank die Nerven der Betei­ligten liegen. Ich könnte es mir jetzt einfach machen, und alles hier auf eine Person schieben, die – sehr gelinde gesagt – nicht bei allen Mitar­bei­tern, Dozenten und Studenten der DFFB besonders beliebt ist. Von Schütte ernannt, fallen überaus unfreund­liche Ausdrücke, die auf ihr Geschick, ihre Intel­li­genz, und ihre vermeint­liche Fähigkeit zum Strip­pen­ziehen zielen, und keiner von denen, mit denen ich gespro­chen habe, meinte, dass sie oder er ihr vertraut.
Forster Verhalten steht aus meiner Sicht aber vor allem für die Instinkt­lo­sig­keit und Kommu­ni­ka­ti­ons­un­fähig­keit der mass­geb­lich Betei­ligten in Senat und Kura­to­rium.
Egal, was man über die derzei­tige Situation an der DFFB denkt, welche Entschei­dung man für die Richtige hält, und wie man glaubt, dass nun verfahren werden solle – dies ein Kommu­ni­ka­ti­ons­de­saster ersten Ranges, und der dafür Verant­wort­liche, der Senats­kanz­lei­chef Björn Böhning findet keinen Kompro­miss, keinen Weg, die Situation unter Einbe­zie­hung aller Betei­ligten sach­ge­recht zu lösen.
Noch immer unter­schätzen Böhning und sein Kura­to­rium die Situation. So provo­zieren Streiks und Klagen, viel Frus­tra­tion und eine Hänge­partie, die der Insti­tu­tion DFFB als Ganzes schadet.

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Das Verfahren, auf dessen Durch­füh­rung sich das Kura­to­rium weiterhin beruft, ist keines­wegs »normal«. An der HFF München, um mal dieses Beispiel zu nehmen, wurden in den letzten zehn Jahren alle Profes­suren im Konsens berufen. Im Zeitplan und immer im absoluten Konsens mit den Studen­ten­ver­tre­tern. Vor elf Jahren war einmal ein Kandidat der Studenten nur auf Platz zwei der Hoch­schule. Wenn also viel­leicht Fehler gemacht wurden, wurden sie zumindest gemeinsam gemacht. Eine unbe­streit­bare Qualität.
An der DFFB wird jeder Direktor mit neuem Verfahren gewählt. Weil schon der letzte, Jan Schütte, quasi von oben instal­liert worden ist, und das miss­glückte Verfahren danach nicht besser wurde, geben die Studenten diesmal nicht klein bei. Man muss nicht alles richtig finden, was sie tun, man kann ihnen eine gewisse Sturheit und Kompro­miss­lo­sig­keit nicht abspre­chen, aber man kann sie verstehen. Sie haben gute Gründe. Und vergessen wir nicht: Mit Sturheit und Kompro­miss­lo­sig­keit kommt man als Filme­ma­cher schon mal sehr weit.

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Ralph Schwingel ist zum Direktor ernannt worden. Ich glaube, er wäre ein guter Direktor, einer der aus der jetzigen Situation etwas Produk­tives machen könnte. Ande­rer­seits merkt er spätes­tens in diesen Tagen, auf was er sich wirklich einge­lassen hat, besser gesagt: Was ihm das Kura­to­rium zumutet. Denn es ist ein Skandal, wie das von Böhning zu verant­wor­tende Kura­to­rium in den letzten Monaten mit renom­mierten Filme­ma­chern umgeht, von der DFFB ganz zu schweigen. Namen werden verschlissen, ohne Rücksicht auf Verluste. Zur Zeit ist man auf dem besten Weg, auch den guten Namen Ralph Schwin­gels, egal ob er nun Direktor werden wird oder nicht, zu beschä­digen.

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Was für Ralph Schwingel spricht, ist nicht nur seine Erfahrung, die Filme die er gemacht hat, und die Tatsache, dass er sich – soweit ich das sagen kann – auch in den letzten Tagen als offener, integerer Mensch gezeigt hat, der gesprächs­be­reit und diskurs­fähig ist. Was für ihn spricht, ist auch, dass er offenbar Sinn für Talente hat, dass er Fatih Akin über Jahre aufgebaut hat, mit einer gewissen Hart­nä­ckig­keit. Für ihn spricht aus meiner Sicht auch seine Biogra­phie, die eine Biogra­phie mit Brüchen ist. Die Tatsache, dass hier einer dem Film­busi­ness auch einmal aus freien Stücken den Rücken gekehrt hat.

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Was gegen ihn spricht, ist nur das Verfahren seiner Ernennung. Und indem er sich darauf einlässt, kann er sich nicht einfach darauf berufen, er habe mit alldem nichts zu tun. Schön wär’s.
Wenn er die Position trotzdem annimmt, dann tut er das auch im Bewusst­sein, dass dies eine Belastung sein wird. Man kann, ja muss hier natürlich sagen, dass es in der Politik – und dies ist Politik in Reinform – irgend­wann immer eine Entschei­dung dafür gibt, Kompro­misse zu machen, die nicht ideal sind. Die richtigen Kompro­misse zu machen, gehört zur Verant­wor­tung des politisch Handelnden. Reine Gesin­nungs­ethik hat aus meiner Sicht mit Politik nichts zu tun.
Aller­dings handelt im DFFB-Fall vor allem das Kura­to­rium verant­wor­tungslos. Sie handeln in dem Sinn gesin­nungs­ethisch, als dass sie ihre hand­lungs­lei­tenden Prin­zi­pien um jeden Preis kompro­misslos durch­ziehen und durch­setzen wollen, dass sie nicht verstehen (wollen), dass es in der jetzigen Situation verant­wor­tungs­voll und dringend geboten wäre, die Situation zu entschärfen.
Man hätte Ralph Schwingel weitaus eleganter und verfah­rens­tech­nisch korrekter ernennen können – zu aller Nutzen.

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Die DFFB hat eine groß­ar­tige Tradition. Die DFFB ist immer eine Ausnah­me­schule gewesen, eine Akademie für Filmkunst, eine Film­schule, an der eine andere Freiheit herrscht, als zum Beispiel auch an einer Univer­sität. Die Studenten können froh sein, dass ihr Studium nicht in Module zerfällt, nicht durch Bachelor- und Master­ab­schlüsse in ein perma­nentes Examen verwan­delt wird. Diese Verschu­lung ist nämlich der Preis für die größere Trans­pa­renz an den Hoch­schulen.
Wie keine andere Film­schule, die ich kenne, ist die Stärke der DFFB die Ausbil­dung zum Eigensinn – wie die Studenten und manche Dozenten ja gerade beweisen.

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Einer der berühm­testen DFFB-Filme stammt von dem im Vorjahr verstor­benen Harun Farocki, dessen letzte Arbeiten gerade in einer Ausstel­lung in Berlin gezeigt werden. Der Film heißt: »Nicht lösch­bares Feuer«.
Man kann durch den Protest der Studenten und Dozenten an diesen Titel erinnert werden, und mit ihm die Energie des Herzens verbinden. Man kann aber auch die ganze, traurige gegen­wär­tige Lage an der DFFB so verstehen: Als ein Feuer, das nicht zu löschen ist.

(To be continued)

Ein Kommentar, der uns auf Facebook erreicht hat, und den wir hier unbedingt an unsere Leser weiter­geben möchten:

»Das Verfahren um die Besetzung des Direktors ist sicher­lich eine Farce, das Kura­to­rium hat sich und vor allem Ralph Schwingel keinen Gefallen getan. Was hier aber nie thema­ti­siert wird. ist die andere Seite, nämlich der Verschleiß von Direk­toren an der dffb seit einigen Jahren, eine teilweise sehr aggressiv geführte, nicht respekt­volle Debatte durch die Studenten von denen einige alles mögliche wollen aber nichts geben und auch eine anstän­dige Diskus­si­ons­kultur – noch – nicht gelernt haben. Ich habe einige der Umbe­set­zungen mitbe­kommen und es war immer uner­freu­lich – nicht nur von einer Seite. Ralph Schwingel ist ein guter Mann für den Posten, ich hoffe dass dies Jenseits des Verfah­rens an sich bei den Studenten ankommt und er nicht dafür abge­straft wird.« (Nina Pourlak, Regis­seurin)